Mit dem Post kann ich viel mehr anfangen als mit deinen vorigen beiden. Danke schonmal dafür. Ich hatte befürchtet, dass wir weiterhin im Kern nicht die Sachebene erreichen, sondern es um Persönliches geht. Der erste Absatz ist zwar wieder so gestrickt, aber ich könnte ja einfach mal die Gegenfrage stellen, wieviel berufliche Erfahrung du in VWL und Politik hast, weil du hier eindeutig in diese Themenbereiche eintauchst (und ich natürlich auch).
Allerdings geht es in dieser Diskussion nicht um dich oder mich als Person, sondern um unsere Positionen und deren Begründungen, oder nicht? Da spielt es doch keine Rolle, welche Berufs- und Bildungsabschlüsse wir haben, oder müssen wir uns gegenseitig Referenzen vorweisen, bevor wir uns mit den Argumenten des jeweils Anderen auseinandersetzen können?
Nun zum Teil deines Posts mit den Argumenten. Dass "Bio" im Trend ist, mache ich an den jährlich hohen Wachstumsraten des Umsatzes fest und nicht am Anteil des gesamten Lebensmittelumsatz. Letzterer liegt nach meiner letzten Kenntnis bei ca. fünfeinhalb Prozent. Der Ökolandbauanteil an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland liegt bei ca. zehn Prozent. Das ist definitiv eine Nische, aber eben auch ein Trend und wenn es bei dem Trend bleibt, bleibt es auf Dauer keine Nische. Soviel aus der VWL (ohne diplomierter Volkswirt zu sein). Ob es aber ein Trend bleibt, ist natürlich genauso spekulativ wie deine Vermutung, dass es eine Nische bleibt.
Zur Ertragssicherheit: Diese ist konventionell unstrittig besser. Logisch, denn auf möglichst hohen Ertrag bei möglichst geringen Kosten wird bei der konventionellen Landwirtschaft mit technischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen hauptsächlich abgezielt. Genau dort setzt auch Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen an. Wenn also alles roboterisiert und von KI gesteuert ist, wird es viel weniger Arbeitsplätze geben als noch bisher.
Zur Qualität: Wenn sich die besagten Studien so leicht ergooglen lassen, kannst du ja problemlos eine beispielhafte Quelle per Link für mich anfügen. Dann haben wir unter Umständen (ich komme später darauf zurück) konkrete Daten, anhand derer sich die Behauptung sehr gut beurteilen lässt. Ich erliege übrigens nicht dem Irrglauben, dass im Öko-Landbau nicht gespritzt werden muss, aber weiß wie du sicherlich auch, dass dort keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt werden dürfen. Ich habe gelesen, dass auch regelmäßig weniger Rückstände auf Biolebensmitteln als auf herkömmlichen gefunden werden, aber das "nur" in Medienberichten statt in Studien, weil ich noch nach keiner Studie dazu gesucht habe.
Zu den Kosten: Ich habe nie behauptet, dass aktuelle EU-Politik den von mir gewünschten Wandel stützt. Ist bei der aktuellen Parlamentsmehrheit auch illusorisch. Allerdings spekuliere ich auf einen weiter steigenden Anteil der Umsatzmenge, nicht aufgrund der Höhe von Subventionsvorhaben, sondern aufgrund des weiter steigenden Bedarfs. Der deutsche Durchschnittskonsument (oder meinst du mit deiner Beschreibung den Durchschnittskonsumenten der Biosparte?) fliegt nicht dreimal jährlich in den Urlaub, fährt keinen SUV und wohnt zur Miete, statt ein Eigenheim abzubezahlen.
Zum Klimawandel: Meine Perspektive lag ja eigentlich erstmal nur auf Deutschland und der EU, aber ich sehe den globalen Zusammenhang ein, der ja für die Klimathematik von immenser Bedeutung ist, weswegen die ganze Welt in den Blick genommen werden muss.
Die Ernährung der Weltbevölkerung ist aktuell (bereits) ein riesiges Problem, was jedoch vor allem mit Landnahmeprozessen, Ressourcenraubbau und einer globalen Ungleichverteilung von Gütern und Entwicklungsmöglichkeiten einhergeht. Der globale Norden hat den globalen Süden seit der Kolonialzeit von sich abhängig gemacht und ihn in seine Wirtschaftsweise eingebunden, sodass unserer systemisch erzwungener Wachstumshunger dort die Grundlagen unserer Lebensfähigkeit als Spezies auf diesem Planeten zur Disposition stellt. Wir müssen weltweit andere Wege zum Wirtschaftswachstum finden oder gänzlich von dieser Maxime abkommen.
Bevölkerungsentwicklung ist schwer zu prognostizieren, weil sie maßgeblich von den sich durchsetzenden Politiken und Ideologien abhängt, aber eine Schrumpfung der Weltbevölkerung ab den 2050ern ist auf zwei Weisen denkbar: Entweder bleibt das Ernährungsproblem bestehen oder verschärft sich und der globale Bevölkerungsanstieg gerät aufgrunddessen (und weiter sinkender Reallöhne) ins Stocken oder wir entwickeln eine bedürfnisorientierte Wirtschaftsweise und regulieren durch weniger Produktion und weniger Konsum unsere Geburtenrate. Prof. Gabriele Winker macht dazu in ihrem Buch "Solidarische Care-Ökonomie. Revolutionäre Realpolitik für Care und Klima." einen profunden Vorschlag. Radikal zwar, aber radikale Veränderungen stehen uns sowieso bevor, sei es durch Weiterso oder ein substanzielles Umdenken.