Habe vor kurzem was interessantes gelesen was hier ganz gut passt.
Die einzelnen Dinge zu verstehen heißt nicht, sie auch im Ganzen zu erkennen. Einfacher gesagt: Du sollst nicht alles glauben, was Du denkst. Biographisches Wissen ist immer emotional besetztes Wissen. Es kann daher niemals objektives Wissen sein. Das sind Erkenntnisse aus der Hirnforschung und der Psychologie. Das heißt, sobald ich mein Wissen über irgendwas mit dem Vorwand vortrage, es als richtiges und moralisch wertvolles Wissen besetze, liege ich zwar mit mir selbst richtig, nicht aber mit den anderen Menschen. Tue ich aber so, als sei es echtes wahres und allgemeingültiges Wissen, dann werde ich mit dieser Haltung kämpfe produzieren, die völlig unnütz sind. Denn sie entspringen einer normopathischen Selbstbeweihräucherung. Da aber die Normapthen in unserer Gesellschaft die ganz große Mehrheit darstellen, gespalten in Formen pseudomoralisierender Kleingruppen, kommt es dem Einzelnen nicht in den Sinn, seinen eigenen individuellen Unsinn zu erkennen.
Worin liegt dieser Unsinn?, fragen sich sicher jetzt sehr viele. Er liegt darin, nicht zu erkennen, dass der Einzelne nur dann etwas verändern kann, wenn er selbst zu der Veränderung wird, die er sich bemüht, anzuprangern. Aus Anprangern wird Denunziation. Aus Denunziation werden moralische Ansprüche im Kampf um das goldene Kalb oder die eierlegende Wollmilchsau laut. Es geht darum, den Anderen in seinem Anderssein nicht anzuerkennen, weil man selbst in seinem Andersein keine Anerkennung verspürt. Das ist das Trauma der Erziehung zum Gehorsam, zum Ausschalten von fast allem, was man emotionale Antriebe oder die eigene emotionale Biographie nennen könnte. Es geht darum, dass man selbst von klein auf daran gehindert wurde, sein Leben so zu leben, wie man es selbst wollte. Und zwar von Kindesbeinen an. Der Wille des Kindes wird in unserer Gesellschaft zum Willen einer Autorität gebrochen. Erziehung heißt, dass sich der Wille des Kindes nicht durchzusetzen hat. Erwachsene wissen besser, was für das Kind gut ist, basta! Ein Jeder soll gehorsam werden, das tun, was andere sagen und andere wollen. Das eigene Wollen ist schlecht, nicht gut. Und die Strafe dafür ist Liebesentzug. Bei Erwachsenen ist die Strafe Isolation von der Gruppe. Dazu werden Begriffe eingefräst in unsere Gehirne. Und wir übernehmen sie, ohne weiter zu hinterfragen, ob das stimmen kann, ob sie biographisch emotional besetzt sein könnten. Ob die Begriffe vielleicht mit einem unheilvollen Frame besetzt sind oder nicht. Erziehung ersetzt bei uns das, was Beziehung sein sollte. Dieser Missstand ist schon derart tief in uns eingefräst worden, dass wir uns ein Leben mit Kindern ohne Erziehung gar nicht vorstellen können. Wir sind Beziehungszombies in unserer Gesellschaft geworden. Beziehung statt Erziehung ist selbst Psychologieprofessoren ein rotes Tuch. So tief kann biografisches Wissen uns von unseren wahren Emotionen abspalten.
Dieses Problem ist in psychologischer Sicht ein Traumaproblem und es wird von den Menschen in unserer Gesellschaft als ein völlig normales Verhalten interpretiert. Die Emotionen des selbst erlebten Traumas werden auf ein Target, auf eine Zielperson oder einer Zielgruppe projiziert und damit dann bekämpft. Und es spielt überhaupt gar keine Rolle mehr, ob es sich dabei um Friedensaktivisten, um eine neue Partei oder um einen andersdenkenden einzelnen Men- schen handelt. Wir machen uns zu Feinden, was wir im inneren sind. Und da thront er, unerkannt, unberührt, von allem Tadel selbstbefreit unser größter und mächtigster Feind. Wir sind es selbst. Und in der Projizierung verachten wir unseren inneren Schmerz, machen ihn unfühlbar und martern damit den Anderen. Machen ihn lieber schlecht, als dass wir uns selbst von dem Trauma unserer Biografie befreien. Ein ewig langer Generationen übergreifender Prozess, der der wahre Grund für Profitmaximierung, für Krieg und Versklavung, für Psychopathie und Soziopathie, für den Kampf aller Klassen, Mann gegen Frau und umgekehrt, für Erziehung statt Beziehung und der Dinge mehr ist. Es gäbe schlichtweg ganz wenig von dem nicht mehr, was wir heutzutage den Staat nennen, würden wir uns dessen tatsächlich gewahr. Denn dann könnten wir das tun, was wir tun sollten: Dem anderen Raum zur Entfaltung seines inneren Wesens geben. Davor bräuchten wir uns dann auch nicht mehr zu fürchten. Wir würden das als Bereicherung empfinden. Doch was geschieht, wenn die normopathische Gesellschaft sich auf sich selbst zurückwirft? Dann geschieht genau das, was wir im Hier und Jetzt vorfinden. Eine zutiefst kranke Gesellschaft, die kranke Menschen am Fließband erwachsen werden lässt und glaubt, sie sei gesund im Denken, Handeln und Fühlen.