Ich finde es bedauerlich, dass auch eine Zeitung, die etwas auf sich und ihre journalistische Tätigkeit hält, substanzlosen Quatsch schreibt.
Dagegen vermuten die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wie auch viele hiesige ExpertInnen eine Vielzahl von Ursachen. Darunter der seit Monaten von polnischer Seite intensiv betriebene Oderausbau.
Was hat bitte die Ertüchtigung der Buhnen an der Grenzoder mit den Ursachen eines Fischsterbens zu tun, das mehrere hundert Kilometer stromauf begonnen hat? Was mich daran wirklich aufregt ist, dass dieses Erfinden von Tatsachen und Kausalitäten genau das ist, was den PiS-Leuten auf der polnischen Seite zu Recht vorgeworfen wird. Nur dass es leider zeigt, dass auch die andere Seite (hier Naturschutz) mit indiskutablen Methoden agiert.
Der Abriss der alten Buhnen setzt aber Sedimentgestein frei, das für Fische und andere Fluss-Lebewesen wie Schnecken oder Krebse ähnlich gefährlich werden kann wie die giftige Goldalge oder die Einleitung salzhaltiger Industrieabwässer.
Sedimentgestein - was ist das eigentlich für ein Wort in dem Kontext? Die Oder transportiert wie alle Flüsse der Welt Millionen Tonnen Sediment, tatsächlich aber heute eher zu wenig als zu viel. Die Buhnen sind ja nicht aus Sondermüll, sondern aus Sand und Kies errichtet, die Flusssohle ist dauerhaft in Bewegung. Da geht original null Gefährdung von aus. Aber behaupten kann man das ja mal einfach.
Was absurderweise bei den ganzen Diskussionen um den Naturraum Oder überhaupt nicht erwähnt wird ist, dass die Oder seit etwa 1700 vollkommen umgestaltet wurde. Das ganze heute trockengelegte Oderbruch mit seinen über 900 km² liegt tiefer als der Fluss - war also vor der Trockenlegung einriesiges Sumpfgebiet, das von vielen Oderarmen durchflossen fast dauerhaft unter Wasser stand. Die Oder hat mit einem natürlichen Fluss - so wie es gerne dargestellt wird - absolut gar nix zu tun - insbesondere auf deutscher Seite!
Das Problem sind also nicht die Ertüchtigungen der Buhnen, wie sie in Polen statt finden, sondern die Frage, wie und in welchem Maß sich eine Verbesserung an der Oder erzielen lässt. Und festhalten sollte man auch mal, dass es sich nicht um einen Ausbau handelt, sondern wie bereits mehrfach geschrieben um die Ertüchtigung der vorhandenen Bauwerke.
Ich habe aber auch einfach Schwierigkeiten damit, dass wir Deutschen zu den Polen latschen und denen mit falschen Behauptungen und kruden Kausalketten klug erzählen, was sie zu tun und zu lassen haben, während wir selbst den Rhein vollkommen degradiert, die untere Ems und die Eider durch Sperrwerke vollkommen gekillt haben und nun an der Tideelbe gut dabei sind, auch die noch abzumurksen. Und die Unterweser kriegen wir auch noch tot. Kann ja nicht so schwer sein....
Weshalb das Urteil an sich aber auch von mir absolut positiv gesehen wird: es zeigt sehr deutlich auf, dass in Polen die auf europäischer Ebene gefundenen Regelungen zur Betrachtung der Auswirkungen auf Natur und Landschaft insbesondere im Infrastrukturbau auf politischer Ebene schlichtweg missachtet werden. Allerdings bin ich mir auch ziemlich sicher, dass der Politik auf polnischer Seite auch wieder neue Methoden einfallen werden, dieses Urteil auszuhebeln, ohne die naturschutzfachlichen Vorgaben hinreichend zu berücksichtigen.