Servus...
Ich fühle mich an dieser Stelle genötigt mal ein Thema anzusprechen, von dem ich glaube, dass sich viele von euch zu wenig Gedanken darüber machen, oder erst gar nicht machen wollen.
Die kalte Jahreszeit bricht an und die Fische stehen nicht selten in den tieferen Wasserschichten. Viele von euch sind da gewiss mit der Vertikalrute unterwegs und versuchen vorallem Barsch und Zander zu fangen. Und da setzt die Problematik gewissermaßen an: Wie tief fischt ihr? Ich könnte wetten, spätestens im Winter werden nur noch wenige flacher als 10 Meter fischen!
Jetzt zählen Barsch und Zander aber zu den Physoklisten ( Knochenfische, bei denen die Schwimmblase im adulten Zustand geschlossen ist und keine Verbindung zum Darmtrakt mehr besitzt ). Will heißen, unsere Barschartigen ( und nebenbei bemerkt auch die Quappe ) sind nicht in der Lage einen direkten Druckausgleich zu bewerkstelligen. Ihr könnt euch langsam denken worauf ich hinaus will? Viele von euch sind überzeugte C&R Verfechter oder längst an einem Punkt, an dem sie eine bewusste Entnahme betreiben und in Folge dessen auch eine Vielzahl von Fischen zurück setzen, was ich absolut unterstützen möchte. ABER: Macht es immer Sinn zurück zu setzen? Ihr kennt alle die folgenden Szenarien... ihr fangt einen Barsch oder Zander aus einer größeren Tiefe (dazu gleich mehr) und der Fisch hat hervor getretene Augen und oder bereits seine Eingeweide im Schlund. Ist es waidgerecht einen Fisch mit derart deutlichen, allein äußerlichen, Verletzungen zurück zu setzten? Die Antwort kennt ihr selbst.
Nicht selten Tauchen sogar diese Fische auch nochmal ab, wenn man sie "released", aber die Überlebenschance ist bei bereits sichtbaren Verletzungen wohl annährend Null.
Aber was ist mit dem Fisch passiert?
Dazu ein kurzer Exkurs in die Physik mit ein paar Zahlen, nur um euch mal ein Bild von Tiefen und den dort herrschenden Bedingungen zu vermitteln.
Oft wird ja davon gesprochen, dass vorallem Zander sensibel gegenüber Luftdruckschwankungen sind. Eine relativ starke Luftdruckschwankung, möglicherweise durch einen Wetterwechsel, könnte in unserem Beispiel eine Schwankung von 20hPa ( Hektopascal ) sein. Das spüren unsere barschartigen in jedem Fall, ob es sich auf das Beisverhalten auswirkt, sei mal dahin gestellt. Jetzt aber der Bezug zur Gewässertiefe: Angenommmen, wir fischen in 10 Meter Tiefe, der hydrostatische Druck ( Wasserdruck ) nimmt pro 10m Tiefe um ungefähr 1 Bar zu ( in reinem Süßwasser genau 0,98 Bar ). Nun kommt zu unserem Wasserdruck aber auch noch der atmosphärische Druck hinzu. Dieser beträgt im Schnitt knapp über 1000hPa. Da 1000hPa = 1 Bar ist , lastet auf dem Fisch in 10 Meter Tiefe also 2 Bar Druck und in 20 Meter Wassertiefe dementsprechend 3 Bar ( 2 Bar ( hydrostatischer Druck in 20 Metern Tiefe) + 1 Bar ( atmosphärischer Druck ) ).
Spinnen wir jetzt den Faden zurück zum Wetterumschwung. Glauben wir daran, das Zander und Barsch schon mit Einstellen oder Veränderungen des Fressverhaltens auf Veränderungen des Luftdrucks von 10-20 hPa reagieren, so sollte jedem klar werden, was es für einen Fisch bedeutet, einen 100- fach höheren Druckausgleich zu bewerkstelligen, wenn man ihn aus "nur" 10 Meter tiefe gerade wegs ins Boot kurbelt.
Soweit also zu den "Umständen". Jetzt zu dem, was "im" Fisch passiert:
Ein Fisch ist stets bemüht das Volumen und die Dichte seiner Schwimmblase konstant zu halten ( die physikalischen Hintergründe zu erläutern spare ich mir an dieser Stelle ). Beim Auftauchen muss der Fisch nun Gas aus seiner Schwimmblase abgeben, um eine plötzliche Ausdehnung zu verhindern. Die meisten Fischarten machen eben dies über ihren Darmtrakt. Vielleicht habt ihr schon mal Blasen aufsteigen sehen, wenn ihr z.B. einen Hecht unter dem Boot hattet und ihn hoch "gepumpt" habt. Der Hecht hat in diesem Fall unmittelbar Gas aus seiner sich schnell ausdehnenden Schwimmblase über die Verbindung zum Darmtrakt ( Er und nahezu alle anderen Süßwasserfische gehören nämlich zu den Physostomen: Knochenfische, bei denen auch im adulten Zustand noch eine Verbindung zwischen Schwimmblase und Vorderdarm besteht ) abgelassen. Diese Art des Druckausgleichs findet auf so direktem und schnellem Wege statt, dass man all jene Fischarten auch aus großen Tiefen bedenkenlos zurück setzen kann.
Aber kommen wir wieder zu unseren beiden Gestreiften zurück. Bei ihnen findet der Druckausgleich über das Blut statt. Die Gase diffundieren an einem speziellen, an der Schwimmblase anliegenden Bereich ( Rete mirabile, auch als Wundernetz bekannt ), ins Blut und werden dann über die Kiemen abgegeben ( Auch hier erspare ich euch mal die genauen biologischen und physikalischen Abläufe ). Dieser Prozess läuft aber, wie ihr euch sicher selber denken könnt, deutlich langsamer ab. Zieht man jetzt einen Fisch in kürzester Zeit aus entsprechender Tiefe an die Oberfläche, treten die Augen hervor, die Eingeweide quillen aus dem Schlund und der Bauch ist aufgeblät (man spricht auch von der Trommelsucht ). Der Fisch kann das, sich um ein mehrfaches ausdehnende, Gas nicht schnell genug abgeben und erleidet dadurch eben genannte äußere ABER auch innere Verletzungen! Soll heißen, nur weil der Fisch vorerst keine klaren Symtome der Trommelsucht hat und evtl. auch wieder abtaucht nach dem zurück setzen, dass er womöglich trotzdem an den Spätfolgen zu Grunde geht. Und auch die weitläufig verbreitete Praxis, Fische aus größeren Tiefen einfach nur langsam zu drillen, halte ich für wenig sinnvoll. Genügend Gas aus der Schwimmblase über das Blut zu den Kiemen zu transportieren und dort abzugeben bedarf deutlich mehr Zeit, als selbst ein hinausgezögerter Drill bietet.
Soweit zur Theorie...
Jetzt kommt dann der für den Angler interessante Teil, die Praxis.
Die große Frage, die sich ja wohl oder übel stellt:
Bis zu welcher Tiefe kann man guten gewissens einen Vertreter der barschartigen Fische zurücksetzen?
Ich habe ja bis jetzt noch keine klare Tiefe genannt, ab welcher ein Fisch Schaden nimmt. Und das liegt ganz klar daran, dass es diese eine Tiefe nicht gibt. Ich selber konnte schon auf einem sehr hochwertigen Echolot beobachten, wie Trupps kleiner Barsche im Freiwasser aus annährend 10 Meter Tiefe bis unters Boot folgten und auch noch bissen. Dieses Verhalten würden sie wohl kaum an den Tag legen, wenn es ihnen "Bauchschmerzen" bereiten würde. Auf der anderen Seite hatten wir auch Zander und Barsche, die trotz Tiefen um lediglich 8 Metern klare Anzeichen von Trommelsucht aufwiesen. Andere berichten gar von Zandern, die um die 15 Meter Tiefenunterschied zurück gelegt haben sollen, weil sie dem Köder bis unters Boot folgten und dann auch noch bissen. Letztere stellen aber, sofern es denn auch so war, klare Ausnahmen dar! Denkt einfach mal an eure eigenen Erfahrungen, aber behaltet dabei bitte immer im Hinterkopf, dass Fische die vielleicht nur kleine äußere Auffälligkeiten , wie z.B. leichte "Glupschaugen", aufwiesen, mit Gewissheit weitere innere Verletzungen erlitten haben. Und damit schon wieder fraglich ist, ob ein zurück setzen noch "waidgerecht" war. Ein für den Fisch wahrscheinlich sehr relevanter Faktor, eben im Hinblick auf den Druckausgleich, ist die Wassertemperatur bzw. damit einher gehend, seine Aktivität. Ein aktiver Fisch ist selten in nur einer Tiefe zu finden. Gerade weil unsere beiden Problemkinder bekanntlich Räuber sind, werden sie, insbesondere in ihren Fressphasen, z.B. vom Grund, in höhere Wasserschichten aufsteigen und Nahrung suchen. Diese Aktivität hängt aber, zu einem entscheidenen Anteil, natürlich mit der Wassertemeperatur zusammen. Fische sind wechselwarme Tiere, dass heißt ihre Körpertemperatur und damit ihre Stoffwechselaktivität hängen maßgeblich von der Temperatur ihres umgebenden Mediums ab. So erklären sich mir auch zum Teil die Erfahrungen aus der Praxis. Die Barsche, von den ich eben berichtet habe, hatten wir im Spätsommer. Das Wasser war noch warm, ihr Stoffwechsel hoch, die Fische in Fresslaune. Wiederum waren die "flach" gefangenen Zander und Barsche mit Symptomen, aus der kälteren Jahreszeit. Die Fische liegen die meiste Zeit am Grund und ihr Stoffwechsel hat sich stark verlangsamt. Ist die Stoffwechselaktivität gering, laufen auch die chemischen Prozesse im Fisch langsamer ab. So gewiss auch jene, die am bereits beschriebenen Gasausgleich beteiligt sind. Die Folge ist, das der Organismus eines inaktiven Fisches länger braucht um einen Druckausgleich a zu bewerstelligen, als der eines aktiven Fisches. Ob wir einen Fisch aus einer vermeindlich kritischen Tiefe zurück setzen können, ohne das er Schaden nimmt, hängt also nicht immer von der Tiefe selbst ab, sondern auch von den äußeren Bedingungen. Ich bin nicht in der Lage, euch eine Formel in die Hand zu drücken. Und auch die Frage, ob womöglich die größe des Fisches noch eine Rolle spielt, kann ich euch leider nicht beantworten. Zu meinen eigenen "Maßstäben" nur so viel, ob Symptome zu sehen sind oder nicht, wenn man einen Fisch aus 12 Metern binnen kürzester Zeit hoch holt, sehe ich da überhaupt keine Überlebenschance. Aber wenn ihr vorallem jetzt in der kalten Jahreszeit Fische fangt, egal ob auf 9 oder 19 Meter. Und sie haben irgendwelche Symptome... Nehmt sie mit! Ich selbst setze Fische zurück, wo ich nur kann. Das tue ich auch aus Überzeugung, aber wenn es irgendwie den Anschein macht oder wir sogar sicher sein können, dass der Fisch Schaden genommen hat ( welcher in unserem Fallbeispiel der Trommelsucht fast immer irreparabel sein wird ), dann erlöst das Tier. Ich möchte hier nicht nur mit erhobenem Finger stehen. Ich weiß selber, wie schwer man sich vielleicht tut einen starken Barsch oder Zander eins über die Rübe zu hauen, im Wissen, dass dieser Fisch vielleicht 10 jahre alt ist. Aber auch hier sollten wir keine unterschiedliche Wertung ansetzen. Egal ob dem 20er oder 40er Barsch die Augen raus kommen, wahrscheinlich wird keiner der beiden auch noch einen Zentimeter weiter wachsen, wenn ihr sie aus 15m zurück setzt. Anbei möchte ich mit meinen Überlegungen keine Catch & Release Debatte vom Zaun brechen. Wie erwähnt, versuche ich zurück zu setzen, wo ich nur kann. Ob das waidgerecht ist, darüber lasse ich gerne mit mir streiten, soll aber nicht Gegenstand meiner Anregung sein.
Bei all dem, was ich an Theorien und Fakten aufstelle, sei noch gesagt: Ich bin kein Biologe oder Wissenschaftler. Ich bin Angler. Das ist alles selbst angeeignetes Wissen, eigene Erfahrungen aus der Praxis und zum Teil daraus resultierende Schlussfolgerungen, die nicht immer richtig seinen müssen. Aber ich versuche damit vorallem einen Anstoß zu geben, sich selbst ernsthaft mit diesem Thema auseinander zu setzen! Ich habe oft das Gefühl, viele Angler verschließen die Augen vor diesem Thema , weil sie weiterhin ihr striktes C&R verfolgen wollen. Wurden dabei aber an einem Tag 20 kleine Zander gefangen und wieder zurück gesetzt, von denen es am Ende keiner schafft, dann wurde dem Bestand weit mehr geschadet als geholfen, wie gut der Wille auch war. Das mag schmerzlich sein, weil es heißen kann, dass man Gewässer, Methode oder schlicht die Tiefe anpassen muss, aber so ehrlich sollten wir uns und dem Geschöpf gegenüber sein.
Nachtrag:
Ich habe im Nachhinein Prof. Dr. Robert Arlinghausen um Informationen zu diesem Thema gebeten und er war so freundlich, mich auf einige Publikationen zum Thema Barotrauma bei Fischen zu verweisen. Ich habe mir bis jetzt noch nicht die Zeit nehmen können, alle hinreichend durch zu arbeiten, da diese wissenschaftlichen Arbeiten ausschließlich auf englisch verfasst und nichts für zwischendurch sind (zumindest für mich). Es zeigt sich allerdings, dass bei Fangtiefen um etwa 10m ein signifikanter Anstieg von Barotrauma-Symptomen zu verzeichen ist und in Folge dessen auch die Sterblichkeitsrate steigt.
Diese Tendenz sollten wir also immer im Hinterkopf behalten, wenn wir tiefer fischen. Ab 8-9 Meter Fangtiefe können Fische durchaus tödliche Folgeschäden erleiden. Bei 12,5-15 Meter Fangtiefe kam es in bestimmten Studien schon zu Sterblichkeitsraten von über 50 %. Bei 15-17,5m zum Teil um 90%.
Der Gedanke, bei 8-9 Meter langsam Schluss zu machen, mit dem Zurücksetzen, ist also kein Schlechter.
Ich fühle mich an dieser Stelle genötigt mal ein Thema anzusprechen, von dem ich glaube, dass sich viele von euch zu wenig Gedanken darüber machen, oder erst gar nicht machen wollen.
Die kalte Jahreszeit bricht an und die Fische stehen nicht selten in den tieferen Wasserschichten. Viele von euch sind da gewiss mit der Vertikalrute unterwegs und versuchen vorallem Barsch und Zander zu fangen. Und da setzt die Problematik gewissermaßen an: Wie tief fischt ihr? Ich könnte wetten, spätestens im Winter werden nur noch wenige flacher als 10 Meter fischen!
Jetzt zählen Barsch und Zander aber zu den Physoklisten ( Knochenfische, bei denen die Schwimmblase im adulten Zustand geschlossen ist und keine Verbindung zum Darmtrakt mehr besitzt ). Will heißen, unsere Barschartigen ( und nebenbei bemerkt auch die Quappe ) sind nicht in der Lage einen direkten Druckausgleich zu bewerkstelligen. Ihr könnt euch langsam denken worauf ich hinaus will? Viele von euch sind überzeugte C&R Verfechter oder längst an einem Punkt, an dem sie eine bewusste Entnahme betreiben und in Folge dessen auch eine Vielzahl von Fischen zurück setzen, was ich absolut unterstützen möchte. ABER: Macht es immer Sinn zurück zu setzen? Ihr kennt alle die folgenden Szenarien... ihr fangt einen Barsch oder Zander aus einer größeren Tiefe (dazu gleich mehr) und der Fisch hat hervor getretene Augen und oder bereits seine Eingeweide im Schlund. Ist es waidgerecht einen Fisch mit derart deutlichen, allein äußerlichen, Verletzungen zurück zu setzten? Die Antwort kennt ihr selbst.
Nicht selten Tauchen sogar diese Fische auch nochmal ab, wenn man sie "released", aber die Überlebenschance ist bei bereits sichtbaren Verletzungen wohl annährend Null.
Aber was ist mit dem Fisch passiert?
Dazu ein kurzer Exkurs in die Physik mit ein paar Zahlen, nur um euch mal ein Bild von Tiefen und den dort herrschenden Bedingungen zu vermitteln.
Oft wird ja davon gesprochen, dass vorallem Zander sensibel gegenüber Luftdruckschwankungen sind. Eine relativ starke Luftdruckschwankung, möglicherweise durch einen Wetterwechsel, könnte in unserem Beispiel eine Schwankung von 20hPa ( Hektopascal ) sein. Das spüren unsere barschartigen in jedem Fall, ob es sich auf das Beisverhalten auswirkt, sei mal dahin gestellt. Jetzt aber der Bezug zur Gewässertiefe: Angenommmen, wir fischen in 10 Meter Tiefe, der hydrostatische Druck ( Wasserdruck ) nimmt pro 10m Tiefe um ungefähr 1 Bar zu ( in reinem Süßwasser genau 0,98 Bar ). Nun kommt zu unserem Wasserdruck aber auch noch der atmosphärische Druck hinzu. Dieser beträgt im Schnitt knapp über 1000hPa. Da 1000hPa = 1 Bar ist , lastet auf dem Fisch in 10 Meter Tiefe also 2 Bar Druck und in 20 Meter Wassertiefe dementsprechend 3 Bar ( 2 Bar ( hydrostatischer Druck in 20 Metern Tiefe) + 1 Bar ( atmosphärischer Druck ) ).
Spinnen wir jetzt den Faden zurück zum Wetterumschwung. Glauben wir daran, das Zander und Barsch schon mit Einstellen oder Veränderungen des Fressverhaltens auf Veränderungen des Luftdrucks von 10-20 hPa reagieren, so sollte jedem klar werden, was es für einen Fisch bedeutet, einen 100- fach höheren Druckausgleich zu bewerkstelligen, wenn man ihn aus "nur" 10 Meter tiefe gerade wegs ins Boot kurbelt.
Soweit also zu den "Umständen". Jetzt zu dem, was "im" Fisch passiert:
Ein Fisch ist stets bemüht das Volumen und die Dichte seiner Schwimmblase konstant zu halten ( die physikalischen Hintergründe zu erläutern spare ich mir an dieser Stelle ). Beim Auftauchen muss der Fisch nun Gas aus seiner Schwimmblase abgeben, um eine plötzliche Ausdehnung zu verhindern. Die meisten Fischarten machen eben dies über ihren Darmtrakt. Vielleicht habt ihr schon mal Blasen aufsteigen sehen, wenn ihr z.B. einen Hecht unter dem Boot hattet und ihn hoch "gepumpt" habt. Der Hecht hat in diesem Fall unmittelbar Gas aus seiner sich schnell ausdehnenden Schwimmblase über die Verbindung zum Darmtrakt ( Er und nahezu alle anderen Süßwasserfische gehören nämlich zu den Physostomen: Knochenfische, bei denen auch im adulten Zustand noch eine Verbindung zwischen Schwimmblase und Vorderdarm besteht ) abgelassen. Diese Art des Druckausgleichs findet auf so direktem und schnellem Wege statt, dass man all jene Fischarten auch aus großen Tiefen bedenkenlos zurück setzen kann.
Aber kommen wir wieder zu unseren beiden Gestreiften zurück. Bei ihnen findet der Druckausgleich über das Blut statt. Die Gase diffundieren an einem speziellen, an der Schwimmblase anliegenden Bereich ( Rete mirabile, auch als Wundernetz bekannt ), ins Blut und werden dann über die Kiemen abgegeben ( Auch hier erspare ich euch mal die genauen biologischen und physikalischen Abläufe ). Dieser Prozess läuft aber, wie ihr euch sicher selber denken könnt, deutlich langsamer ab. Zieht man jetzt einen Fisch in kürzester Zeit aus entsprechender Tiefe an die Oberfläche, treten die Augen hervor, die Eingeweide quillen aus dem Schlund und der Bauch ist aufgeblät (man spricht auch von der Trommelsucht ). Der Fisch kann das, sich um ein mehrfaches ausdehnende, Gas nicht schnell genug abgeben und erleidet dadurch eben genannte äußere ABER auch innere Verletzungen! Soll heißen, nur weil der Fisch vorerst keine klaren Symtome der Trommelsucht hat und evtl. auch wieder abtaucht nach dem zurück setzen, dass er womöglich trotzdem an den Spätfolgen zu Grunde geht. Und auch die weitläufig verbreitete Praxis, Fische aus größeren Tiefen einfach nur langsam zu drillen, halte ich für wenig sinnvoll. Genügend Gas aus der Schwimmblase über das Blut zu den Kiemen zu transportieren und dort abzugeben bedarf deutlich mehr Zeit, als selbst ein hinausgezögerter Drill bietet.
Soweit zur Theorie...
Jetzt kommt dann der für den Angler interessante Teil, die Praxis.
Die große Frage, die sich ja wohl oder übel stellt:
Bis zu welcher Tiefe kann man guten gewissens einen Vertreter der barschartigen Fische zurücksetzen?
Ich habe ja bis jetzt noch keine klare Tiefe genannt, ab welcher ein Fisch Schaden nimmt. Und das liegt ganz klar daran, dass es diese eine Tiefe nicht gibt. Ich selber konnte schon auf einem sehr hochwertigen Echolot beobachten, wie Trupps kleiner Barsche im Freiwasser aus annährend 10 Meter Tiefe bis unters Boot folgten und auch noch bissen. Dieses Verhalten würden sie wohl kaum an den Tag legen, wenn es ihnen "Bauchschmerzen" bereiten würde. Auf der anderen Seite hatten wir auch Zander und Barsche, die trotz Tiefen um lediglich 8 Metern klare Anzeichen von Trommelsucht aufwiesen. Andere berichten gar von Zandern, die um die 15 Meter Tiefenunterschied zurück gelegt haben sollen, weil sie dem Köder bis unters Boot folgten und dann auch noch bissen. Letztere stellen aber, sofern es denn auch so war, klare Ausnahmen dar! Denkt einfach mal an eure eigenen Erfahrungen, aber behaltet dabei bitte immer im Hinterkopf, dass Fische die vielleicht nur kleine äußere Auffälligkeiten , wie z.B. leichte "Glupschaugen", aufwiesen, mit Gewissheit weitere innere Verletzungen erlitten haben. Und damit schon wieder fraglich ist, ob ein zurück setzen noch "waidgerecht" war. Ein für den Fisch wahrscheinlich sehr relevanter Faktor, eben im Hinblick auf den Druckausgleich, ist die Wassertemperatur bzw. damit einher gehend, seine Aktivität. Ein aktiver Fisch ist selten in nur einer Tiefe zu finden. Gerade weil unsere beiden Problemkinder bekanntlich Räuber sind, werden sie, insbesondere in ihren Fressphasen, z.B. vom Grund, in höhere Wasserschichten aufsteigen und Nahrung suchen. Diese Aktivität hängt aber, zu einem entscheidenen Anteil, natürlich mit der Wassertemeperatur zusammen. Fische sind wechselwarme Tiere, dass heißt ihre Körpertemperatur und damit ihre Stoffwechselaktivität hängen maßgeblich von der Temperatur ihres umgebenden Mediums ab. So erklären sich mir auch zum Teil die Erfahrungen aus der Praxis. Die Barsche, von den ich eben berichtet habe, hatten wir im Spätsommer. Das Wasser war noch warm, ihr Stoffwechsel hoch, die Fische in Fresslaune. Wiederum waren die "flach" gefangenen Zander und Barsche mit Symptomen, aus der kälteren Jahreszeit. Die Fische liegen die meiste Zeit am Grund und ihr Stoffwechsel hat sich stark verlangsamt. Ist die Stoffwechselaktivität gering, laufen auch die chemischen Prozesse im Fisch langsamer ab. So gewiss auch jene, die am bereits beschriebenen Gasausgleich beteiligt sind. Die Folge ist, das der Organismus eines inaktiven Fisches länger braucht um einen Druckausgleich a zu bewerstelligen, als der eines aktiven Fisches. Ob wir einen Fisch aus einer vermeindlich kritischen Tiefe zurück setzen können, ohne das er Schaden nimmt, hängt also nicht immer von der Tiefe selbst ab, sondern auch von den äußeren Bedingungen. Ich bin nicht in der Lage, euch eine Formel in die Hand zu drücken. Und auch die Frage, ob womöglich die größe des Fisches noch eine Rolle spielt, kann ich euch leider nicht beantworten. Zu meinen eigenen "Maßstäben" nur so viel, ob Symptome zu sehen sind oder nicht, wenn man einen Fisch aus 12 Metern binnen kürzester Zeit hoch holt, sehe ich da überhaupt keine Überlebenschance. Aber wenn ihr vorallem jetzt in der kalten Jahreszeit Fische fangt, egal ob auf 9 oder 19 Meter. Und sie haben irgendwelche Symptome... Nehmt sie mit! Ich selbst setze Fische zurück, wo ich nur kann. Das tue ich auch aus Überzeugung, aber wenn es irgendwie den Anschein macht oder wir sogar sicher sein können, dass der Fisch Schaden genommen hat ( welcher in unserem Fallbeispiel der Trommelsucht fast immer irreparabel sein wird ), dann erlöst das Tier. Ich möchte hier nicht nur mit erhobenem Finger stehen. Ich weiß selber, wie schwer man sich vielleicht tut einen starken Barsch oder Zander eins über die Rübe zu hauen, im Wissen, dass dieser Fisch vielleicht 10 jahre alt ist. Aber auch hier sollten wir keine unterschiedliche Wertung ansetzen. Egal ob dem 20er oder 40er Barsch die Augen raus kommen, wahrscheinlich wird keiner der beiden auch noch einen Zentimeter weiter wachsen, wenn ihr sie aus 15m zurück setzt. Anbei möchte ich mit meinen Überlegungen keine Catch & Release Debatte vom Zaun brechen. Wie erwähnt, versuche ich zurück zu setzen, wo ich nur kann. Ob das waidgerecht ist, darüber lasse ich gerne mit mir streiten, soll aber nicht Gegenstand meiner Anregung sein.
Bei all dem, was ich an Theorien und Fakten aufstelle, sei noch gesagt: Ich bin kein Biologe oder Wissenschaftler. Ich bin Angler. Das ist alles selbst angeeignetes Wissen, eigene Erfahrungen aus der Praxis und zum Teil daraus resultierende Schlussfolgerungen, die nicht immer richtig seinen müssen. Aber ich versuche damit vorallem einen Anstoß zu geben, sich selbst ernsthaft mit diesem Thema auseinander zu setzen! Ich habe oft das Gefühl, viele Angler verschließen die Augen vor diesem Thema , weil sie weiterhin ihr striktes C&R verfolgen wollen. Wurden dabei aber an einem Tag 20 kleine Zander gefangen und wieder zurück gesetzt, von denen es am Ende keiner schafft, dann wurde dem Bestand weit mehr geschadet als geholfen, wie gut der Wille auch war. Das mag schmerzlich sein, weil es heißen kann, dass man Gewässer, Methode oder schlicht die Tiefe anpassen muss, aber so ehrlich sollten wir uns und dem Geschöpf gegenüber sein.
Nachtrag:
Ich habe im Nachhinein Prof. Dr. Robert Arlinghausen um Informationen zu diesem Thema gebeten und er war so freundlich, mich auf einige Publikationen zum Thema Barotrauma bei Fischen zu verweisen. Ich habe mir bis jetzt noch nicht die Zeit nehmen können, alle hinreichend durch zu arbeiten, da diese wissenschaftlichen Arbeiten ausschließlich auf englisch verfasst und nichts für zwischendurch sind (zumindest für mich). Es zeigt sich allerdings, dass bei Fangtiefen um etwa 10m ein signifikanter Anstieg von Barotrauma-Symptomen zu verzeichen ist und in Folge dessen auch die Sterblichkeitsrate steigt.
Diese Tendenz sollten wir also immer im Hinterkopf behalten, wenn wir tiefer fischen. Ab 8-9 Meter Fangtiefe können Fische durchaus tödliche Folgeschäden erleiden. Bei 12,5-15 Meter Fangtiefe kam es in bestimmten Studien schon zu Sterblichkeitsraten von über 50 %. Bei 15-17,5m zum Teil um 90%.
Der Gedanke, bei 8-9 Meter langsam Schluss zu machen, mit dem Zurücksetzen, ist also kein Schlechter.
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