Kurzes Update zu meinem Erfahrungsbericht aus dem April:
Ich hab mein Microraft seit dem letzten Bericht wöchentlich im Einsatz und massig Erfahrungswerte zum Thema „Packraft“ gesammelt. Ich bin damit mittlerweile fast alle relevanten Gewässer meiner Umgebung gepaddelt, habe zwei Wildwasserkurse absolviert, mein Fahrrad darauf transportiert, im norwegischen Fjord auf Dorsch und Seelachs geangelt und mich mit dem Heli in Lappland aussetzen lassen um mit dem Packraft 2 Wochen lang auf einem Wildfluss zurück in die Zivilisation zu paddeln. Daher möchte ich meinen Bericht durch ein paar nicht unwichtige Dinge ergänzen.
Vorweg: Diese Anschaffung hat meine Aktivität an der frischen Luft (und damit auch meine Angelei) echt nachhaltig verändert. Für mich eine der lohnenswertesten Investitionen die ich bisher getätigt habe. Ich bin da aber auch sehr affin und wahrscheinlich 100% die Zielgruppe, daher ist meine Euphorie diesbezüglich sicher nicht auf jeden übertragbar.
Zum Angeln vom Raft:
Ein Packraft bietet zunächst unzählige Optionen beim Angeln. Ich kann entspannt zum Gewässer laufen/ Rad fahren und hab immer ein Boot dabei. Selbst auf kleinen Bächen bin ich dank wenig Tiefgang mobil (wenn man das möchte) und vor Allem auch leise unterwegs. Das Platzangebot ist für eine Person völlig ausreichend und lässt sich sehr einfach durch Halterungen/ Taschen erweitern. Mehrere Ruten auf dem Raft sind jedoch nicht optimal, da man beim Paddeln doch etwas Freiraum benötigt. Dazu ist ein Packraft materialbedingt relativ empfindlich gegen spitze Gegenstände, dazu jedoch später mehr. Nachteile gegenüber einem richtigen Schlauchboot sind definitiv die tiefe Sitzposition (schlechtere Übersicht) und die starke Drehfreudigkeit des Bootes. Gerade letzteres kann auf dem Wasser nervig sein, ohne Anker ist effektives Fischen bei Wind sehr schwierig. Ich habe mein Schlauchboot seit der Anschaffung jedoch nie mehr benutzt, bin aber auch ein großer Fan von kurzen unkomplizierten Sessions geworden die sich mit dem Packraft perfekt umsetzen lassen. Für 8h Sessions auf einem windanfälligen See mit Hechttackle ist dieses Konzept jedoch nicht zu empfehlen.
Haltbarkeit:
Mein Boot hat in den letzten Monaten wahrscheinlich mehr mitgemacht als bei manchem anderen Nutzer in vielen Jahren. Ich scheue mich nicht davor in flachen Gewässern aufzusetzen, Steinkontakte zu haben und im Wildwasser (bis WW3) zu paddeln. Mein Boot hat mittlerweile zahlreiche oberflächliche Kratzer am Boden und auch schon zwei Löcher in selbigem erlebt. Letztere sind mir in Schweden beim Kontakt mit scharfkantigen Grantifelsen im Wildwasser entstanden und fern jeglichen Normalgebrauchs. Diese hätten aber auch jedem Festrumpfboot mindestens einen tiefen Kratzer in den Rumpf gefressen. Diese konnte ich selbst fern von jeglicher Zivilisation innerhalb von Minuten flicken, was sich so kaum mit anderen Booten umsetzen lässt. Ich glaube sogar, dass natürliche Hindernisse (Steine, Holz) für ein Packraft kaum eine größere Gefahr darstellen als für anderweitige Bootskonzepte. Ich hatte bereits viele Situationen in denen ich durch Kontakte zu Hindernissen wirklich Schiss um das Material hatte und im Endeffekt nur von der Haltbarkeit dessen überzeugt wurde. Zusammen mit den fast uneingeschränkten Reperaturmöglichkeiten kriegt man so ein Boot eigentlich kaum langfristig kaputt. Bei der Verwendung in hindernisfreien Gewässern wird ein Boot wohl auch nach Jahren kaum Abnutzungserscheinungen haben. Mein Kumpel mit dem Sigma hatte bisher eine winzige Perforation im Schlauch welche er flicken musste. Ironischerweise hat sein Boot in Schweden sämtliche Steine standgehalten und das Loch ist durch die Stacheln einer Barschrückenflosse entstanden. Mit viel Pech und ungeübtem Handling eines Fisches kriegt man damit leider ein Loch ins Boot. Ich habe vom Packraft jedoch mittlerweile unzählige Barsche gelandet und sehe da mit etwas Übung auch kein Problem. Das SIgma hat jedoch auch ein spürbar dünneres Schlauchmaterial als die MRS Boote.
Nützliches:
Eine Paddelsicherung ist beim Angeln Gold wert um das Paddel auch mal im Wasser abzulegen und Platz im Boot zu schaffen. Außerdem läuft man dann nicht Gefahr hilflos über den Teich zu treiben, wenn man in der Beißphase das über Bord gegangene Paddel nicht bemerkt.
Ein kleiner Anker (0,75kg reichen völlig) erleichtert das Angeln bei Wind und Strömung extrem! Dabei sollte man darauf achten dass das Boot sich verankert stets in Windrichtung (=Wurfrichtung) ausrichtet.
Eine Schwimmweste ist absolut Pflicht! Man sollte sich immer vor Augen halten dass ein Packraft lediglich eine Kammer besitzt, welche bei einem großen Loch auch fix leer sein kann. Eine kleine Perforation macht kaum etwas aus, Haken und spitze Barschflossen sehe ich auf dem Wasser als keine ernste Bedrohung für Leib und Leben. Ich habe eine aufblasbare Weste von Anfibio, die sich sehr klein packen lässt und etwas Stauraum für den nötigsten Angelkram bietet.
Etwas Panzertape um den Paddelschaft als Reperaturreserve hat sich bewährt. Klingt etwas abenteuerlich und absolut unvertrauenswürdig, aber damit hat man ein eventuelles Loch im Schlauch innerhalb von Sekunden geflickt, selbst vom Wasser aus. Im Worst Case kann das einen vor einer nassen Unterhose retten.
EIne Gepäckbefestigung auf dem Bug (gibt verschiedene Systeme) ist sinnvoll, wenn man mit etwas mehr Material aufs Wasser will. Ich befestige auf dem Bug beim Angeln gern eine Bakkan, auf die ich einfach zugreifen kann. Gleichzeitig kann ich für Mehrtagestouren dort aber auch einen 25kg Rucksack verstauen.
Letztendlich ist das Microraft für mich eine ideale Ergänzung zu meinen Aktivitäten am Wasser. Es bietet mir unzählige Möglichkeiten die ich so sicher nicht mit einem Belly-, Schlauch-, oder Festrumpfboot hätte. Sicherlich ist es aber auch nicht für jeden das ideale Boot und erfüllt eher eine outdooraktive Nische mit der ich mich gut identifizieren kann. Ausprobieren ist in jedem Fall lohnenswert. Man kann die Boote auch mieten, z.B. direkt bei Anfibio oder Trekpack. Die Leihgebühr wird beim eventuellen späteren Kauf im Anfibio Shop verrechnet.
Achja, ich hab das Packraft übrigens im Flugzeug im Handgepäck transportiert. Das ist absolut konkurrenzlos!