Ist 'ne super Diskussion hier, die ich seit heute morgen verfolge! Schade nur, dass sich @nobo zurückhält (auch, wenn ich das sehr gut nachvollziehen kann).
Elektrofischerei macht nur in flachen Gewässerbereichen Sinn. In den meisten stehenden Gewässern sind das die Uferregionen. In diesen bewegen sich aber v.a. Kleinfische, was wieder zur Vermutung führt "keine großen Fische mehr per (E-) Fischerei = keine großen Fische im Gewässer". In einem Fließgewässer sieht das natürlich anders aus. Dessen Morphometrie unterscheidet sich gravierend von einem Standgewässer, indem es a) insgesamt flacher ist und b) in Ufernähe auch eher große Fische stehen. Was man bei der Betrachtung der innerdeutschen Differenzen (Süd-Dtl. vs. NE-Dtl.) auch die Art der Bewirtschaftung eine Rolle spielt: im Norden, v.a. den neuen Bundesländern gibt es wenige Berufsfischer, die viel Fläche bewirtschaften während in den gebrauchten Bundesländern sehr vielen Fischern nur wenig Fläche zur Verfügung steht, oder? So eine große Dichte und die damit einhergehende Konkurrenz fördert natürlich eine Bewirtschaftung, die auf kurzfristige Gewinnmaximierung abzielt ("nach mir die Sintflut").
Unabhängig vom Einfluss des Menschen kann ich mir aber beim besten ökologischen Sinn in keinster Weise vorstellen, dass ein Gewässer einfach "leer" ist, d.h. keine Biomasse z.B. Fische produziert. Ok, oligotrophe Gewässer wie extrem klare Bergseen bieten halt wenig Nährstoffe, da wächst nicht viel, angefangen bei den Primärproduzenten (Phytoplankton) über Zooplankton bis zu den Fischen. In Brandenburg kann man das sehr schön nachvollziehen, wenn man mal die Fischer des Stechlinsee (schwach mesotroph bis oligotroph) und Werbellinsee (mehr oder weniger stark mesotroph) besucht und sich dort die geräucherten Maränen anschaut (gerne auch kauft, die sind echt lecker): die Maränen des Stechlinsee sind deutlich kleiner (max. 15 cm) als die aus dem Werbellinsee (bis 25 cm). Es handelt sich bei beiden Seen um dieselbe Maränenart (die Seen liegen ca. 50 km Luftlinie auseinander). Die meisten Gewässer in D. sind eutroph bis oligotroph, Extreme (hypertrophe und megaoligotrophe Gewässer) sind selten. Die (ökologische) Chance zur Biomasseproduktion ist also gegeben.
Wenn in einem Gewässer "keine Fische mehr gefangen werden", heißt das also noch lange nicht, dass es in diesen Gewässer keine Fische mehr gibt. Was sind eigentlich "fangbare" Fische? Die o.g. unvorsichtigen Fische? Große Fische? Es gibt so viele Möglichkeiten, wie sich die (immernoch!) vorhandene/n Fischpopulation/en verändert hat: Größen-, Altersstruktur, Wander-, Fress- oder Aktivitätsverhalten. In einem Fluss können Fische in für Angler und Fischer unerreichbare Bereiche "wandern", z.B. die Fahrrinne, entferntere Gebiete stromauf oder -ab. In einem Seen können sie in tiefere oder strukturreiche Bereiche vordringen. Sie können ihre Aktivitäten auf andere Tages- oder Nachtzeiten verlegen. Sie können eine andere Nahrungsgrundlage haben, die mit bisherigen Angeltechniken (noch) nicht kopierbar ist.
Vielleicht aber ändert sich auch die gesamte Artenzusammensetzung: weniger angelbare Fischarten mit großen Mäulern, dafür viele kleinere Fische; Stichwort Schwarzmeergrundel. Die Biomasse bleibt die Gleiche, sie ändert nur ihr Gesicht: andere Arten, anderen Größen, andere Verteilung, z.B.: weniger Plötzen - mehr Giebel, weniger Flussbarsche - mehr Kaulbarsche, weniger Fische - mehr Crustaceen oder Weichtiere.
Ich denke gerade an ökologische Katastrophen wie sie in vielen Korallenriffen oder afrikanischen Seen sichtbar sind. Dort herrscht eine geringe Artenvielfalt bei hoher Individuendichte (Nilbarsch), einheimische Arten werden verdrängt (Schwarzmeergrundel), es gibt wenig Makrophyten oder das gesamte Ökosystem wirkt "grau" und leblos (tote Korallenriffe). Davon gibt es viele gut dokumentierte Bilder. Auch von Nord- und Ostsee. Es gibt eine schöne Doku, wo in der Eifel (glaub ich) ein sehr gesunder Baggersee vorgestellt und mit anderen, toten Baggerseen der Umgebung verglichen wird. Also ist die Sorge von @NorbertF oder @nobo gar nicht sooo weit hergeholt. Ich denke aber, dass in den meisten deutschen Gewässern mehr drin bzw. möglich ist als wir Angler (!) annehmen - wenn ein Gewässer die seinem Trophiegrad entsprechende Vegetation aufweist, denke ich, dass auch die Zoo-Biomasse stark ausgeprägt ist. Nur weil wir sie nicht sehen (wie wir wollen) ist sie lange nicht weg ;-) Und wenn es auf Echoloten schwarze Wolken gibt, kann es so schlecht nicht um die Gewässer bestellt sein.
Ich will mit meinen vielen (allmählich wirrer werdenden) Worten zur Vorsicht zu pauschalisierenden Aussagen aufrufen. Ich kann die Angst von @nobo gut nachvollziehen, und wenn andere Angler in Dtl. schon in beschissensten Gewässern angeln müssen, ist das sehr schade für uns alle. Aber lauthalserische Panikmache ist da wirklich Fehl am Platz (mal abgesehen davon, dass Aussagen wie "da kommt ihr auch noch hin" fast schon wie ein misgünstiger Racheschrei wirken) und ist auch nicht gerade förderlich, GEMEINSAM etwas zu bewirken. Denn in diesem System (Natur) geht Energie nicht einfach verloren. Das bedeutet, selbst wenn eure süddeutschen Gewässer "totgefischt" sind, lässt sich das alles wieder in einen anderen Zustand ändern. Man, das wär doch was: Angler, Behördern und andere Verantwortliche aus alten und neuen Bundesländern ziehen gemeinsam an einem Strang, lernen voneinander und schaffen auf lange Sicht gesunde Gewässer mit guten Beständen...