Hallo Fabian,
ich möchte dir dafür danken, dass du dieses für viele schwierige Thema ansprichst und dich uns allen öffnest, trotz den daraus potentiell entstehenden Ängsten.
Es ist oft nicht leicht sich zu öffnen und braucht sehr sehr viel
Mut und
Kraft. Und du hast diesen Mut auf dich genommen. Da ziehe ich meinen Hut vor und bin sehr stolz auf dich. (Ich finde das darf man auch Mal sagen)
Und es freut mich aber sehr zu sehen, wie offenherzig und respektvoll die Community damit umgeht. Das ist sehr schön
Als ich deinen Beitrag gesehen habe, gab es so vieles, was ich direkt sagen wollte. Zu fast jedem Satz gab es etwas, was mir auf dem Herzen liegt, wo ich dir zustimmen möchte oder ich parallelen zu mir selbst sehe. Doch würde ich das machen, hätte ich jetzt einen unlesbaren Beitrag mit vermutlich über 20 Zitaten geschrieben. Und das möchte ich euch allen ersparen.
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Stattdessen werde auch ich mich in die Reihe der betroffenen Personen eingliedern, denn auch ich lebe seit mittlerweile fast 20 Jahren unter einer schweren Depression. Mir erging es vermutlich wie vielen, indem man einfach das Gefühl hatte, dass man verstimmt ist, schlechte Laune hat und einem die Kraft für vieles fehlte. Aber es wurde eben schlimmer und irgendwann war ich an dem Punkt, an dem ich kaum noch Gefühle verspürt habe. Außer eben Schwermut, Verzweiflung und Wut. Es gab Phasen in denen ich nicht einmal aus dem Bett aufstehen konnte und von Morgens bis Abends die Decke angestarrt habe. Einkaufen gehen, Menschenmengen oder gar das typische Zähne putzen waren unüberwindbare Hürden. Die Lebens
qualiät war nicht mehr vorhanden. Und dennoch musste man irgendwie Funktionieren...
Bei mir war es tatsächlich das Angeln, welches mich vor knapp 10 Jahren
wieder ins Leben zurück geholt hat. Schon als Kind hatte ich einen ausgeprägten Drang zum Wasser und allem, was in und am Wasser lebt. Es war eine unerklärliche Faszination und vor allem das Angeln hat mich unfassbar begeistert. Doch als Kind und junger Erwachsener habe ich weder Geld gehabt, noch konnte ich gut angeln, weshalb ich es jedes Mal wieder aufgegeben habe. Wenn man eine Saison lang nichts fängt, hört man irgendwann auf es weiter zu versuchen. Und ich bin eh mit vielen schnell überfordert(Grund weiter unten), weshalb ich es nie richtig angefangen habe.
Doch eben vor 10 Jahren habe ich wieder damit angefangen und mich einmal richtig dahinter geklemmt, war über 30 Tage am Stück als Schneider unterwegs, bis ich dann das erste Mal Erfolg hatte.
Ich kann mir nur schwer erklären, warum das so ist. Aber es war das erste, für das ich wieder richtig Feuer gefangen habe. Ich habe auf einmal wieder gelebt. Wenn auch nur für den Moment. Aber das hat gereicht, um das Feuer zu entfachen. Denn auf einmal hatte ich Ziele vor Augen. Ich hatte einen Antrieb, jeden Tag aufzustehen und ans Wasser zu gehen. Ich wollte mehr (er)leben, mehr lernen und natürlich auch mehr fangen. Auch das war mir nicht genug. Also fing ich an zu schreiben. Erst für mich im eigenen Blog und später sogar für Fachzeitschriften. Natürlich sind die sozialen Medien dazu gekommen, denn geteilte Freude ist größere Freude. Irgendwann habe ich sogar Filme gemacht, ganze Projekte gestartet, einen eigenen Köder entwickelt und ich habe es sogar ein paar Mal geschafft auf der Bühne zu stehen, was undenkbar gewesen ist. Durch diese gewonnene Kraft und dem teilweise zurückbekommenen Lebensgefühlen hat sich mein ganzes Leben (zum positiven) verändert, was Tabletten oder anderes nicht geschafft haben. Das ging sogar so weit, dass ich in meinem Beruf sehr weit aufgestiegen bin, wesentlich mehr verdiene (nicht mehr ausgenommen werde) und mir ständig hohe Jobangebote zugeworfen werden.
Aber eine Depression wäre nicht eine Depression, wenn sie nicht auch schleichend oder mit einem Knall zurückkommen kann.
Mir ging es über Jahre besser und besser. Irgendwann konnte ich sogar an anderen Dingen, wie dem Angeln spaß empfinden. Ins Kino gehen, was essen gehen oder anderes. War über zehn Jahre vollkommen uninteressant. Es fühlte sich einfach fad an. So als würde man essen, ohne Geschmack zu haben. Doch der Geschmack kam teilweise zurück.
Und dann vor 2,5 Jahren der große Kanll. Es lief eigentlich super. Ich arbeitete viel in meine Job, meinem Nebengewerbe, war jedes Wochenende fürs Angeln unterwegs (teilweise gebucht für Vorträge und ähnliches), habe meinen Bootsführerschein gemacht und mir meinem Lebenstraum mit einem richtig fetten Bassboat erfüllt. Und dann der Hammer - ein schwerer Herzinfarkt, der mich komplett aus dem Leben geworfen hat. Und das mit f4cking 36 Jahren. Von heute auf morgen war nichts mehr wie es war und ich musste von der Überholspur auf den Standstreifen.
Auf einmal waren Panikattacken und Angstzustände mein täglicher Begleiter. (Ängste konnte ich damals auch nicht Mal mehr verspüren)
Ich muss seit dem wieder mühselig für ein ganz normales Leben kämpfen. Mein Lebenstraum - das Boot - musste ich wieder abgeben. Richtig schlimm wurde es aber erst, als ich in Norwegegen gewesen bin, dort am dritten Tag schwer Corona bekommen habe und meine Depression sich auf einen extremen Punkt ausgebreitet hat. Durch diese Depression habe ich alle um mich herum verschreckt und zur Seite gestoßen. Leider aber auch viel negatives Verhalten erfahren, was mich am Ende gänzlich in ein tiefes Loch gestoßen hat.
Seit dem ist leider nichts mehr wie es war. Ich versuche mich aufzuraffen, gehe in Therapie, versuche regelmäßig Sport zu machen und so weiter. Doch irgendwie ist seit dem vieles (in mir) kaputt gegangen. Meine Freude ans Wasser zu gehen ist immer geringer geworden. Sich über was freuen... war wieder weg. Ich bin wieder unsicherer geworden. Aber vor allem bin ich Mundkarg geworden, rede nicht mehr so viel, halte mich in Foren viel weniger als sonst auf, habe kaum noch Lust was zu teilen und meine Ausstrahlung ist auch nicht mehr die, die es Mal war. Ich mag mich einfach nicht mehr leiden. Und anderen ergeht es dann natürlich nicht anders. Es ist wieder unfassbar schwer geworden zu Leben und Freude zu empfinden. Aber ich bleibe am Ball und will nicht aufgeben.
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Ich glaube aber, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen betroffenen Personen ein Vorteil habe. Ich kann über meine Krankheit reden, ohne das ich da irgendwelche Probleme mit habe. Da fehlt mir vermutlich jegliches Schamgefühl oder wie man das nennen soll. Mittlerweile habe ich aber auch eine Vermutung, woran es liegen könnte. Denn bei mir wurde vor wenigen Wochen eine ausgeprägte Form von ADHS diagnostiziert. Und bei der Diagnose wurde auch der mögliche Verdacht auf Autismus in den Raum geworfen. Das könnte vielleicht erklären, warum mir vieles gar nicht erst peinlich ist. Über meine Krankheit und Probleme zu sprechen, ist mir noch nie schwer gefallen und mich zu öffnen geht fast leichter als zu Atmen. Das stößt zwar oft Leuten vor den Kopf. Aber so bin ich eben und das ist auch okay.
In der Vergangenheit habe ich demnach auch sehr häufig über die Krankheit Depressionen gesprochen. Und das auch gerne in der Öffentlichkeit, weshalb ich mittlerweile weiß, dass es sehr viel mehr Menschen mit Depressionen gibt als wir erahnen. Auch mir haben sich sehr viele Personen anvertraut und sind sogar zu Freunden geworden. Personen die es im Vorfeld verschwiegen haben und bis zu dem Zeitpunkt noch nie mit jemanden darüber reden konnte. Was eigentlich sehr traurig ist, denn jeder sollte jemanden haben, dem er sich anvertrauen kann.
Umso schöner (mit einem weinenden Auge) zu sehen, wie offen hier in der Community damit umgegangen wird und wie viele sich hier ohne Probleme austauschen können. Das war vor wenigen Jahren nicht so. Da hätte man zwar Zuspruch erfahren, jedoch hätte sich keiner mit dir auf die Linie gestellt. Das stimmt mich positiv und gibt Hoffnung. Hoffnung für uns alle
Und entschuldigt, dass ich jetzt wieder einen ganzen Roman geschrieben habe obwohl ich mich kurz fassen wollte. Ich kann es leider nicht anders.
Aber ich finde es toll, dass du so offenherzig damit umgegangen bist und wenn du geren Mal reden möchte, ganz gleich ob per PN, WhatsApp, am Telefon oder am Wasser. Melde dich gerne.
Gruß Dennis