Fangberichte Zwischen Himmel und Hölle – ein Angel-Drama in 6 Akten
Wenn mir jemand die folgende Geschichte erzählen würde, würde ich mir sicher denken, der gute Mann übertreibt ein bisschen. So viel Drama passt in einen Angeltag doch gar nicht rein. Nun bin ich aber selbst der Protagonist der Geschichte und hab’s alles selbst erlebt. Im Zeitraum zwischen 4.27 Uhr und 12.50 Uhr. Dass ich die Geschehnisse mit Bildern dokumentieren kann, habe ich dem guten Mann vom Plänterwald zu verdanken. Dass alles ein bisschen dramatischer war als nötig, dem bösen Mann aus Köpenick.
Die Story beginnt um 4.27 Uhr. Das ist der Zeitpunkt, an dem ich die Augen öffne und beschließe, das frühe Erwachen auszunützen und ans Wasser zu gehen. Nicht aufs Boot. Dafür ist es mir zu windig. Ein morgendlicher Ausflug an den Plänterwald scheint mir die bessere Idee. Ein bisschen wobbeln in der Spree. Vielleicht habe ich ja Glück und fange einen 30er Barsch oder zwei. Also zwei Scheiben von dem leckeren Dreikantbrot mit Marmelade beschmieren, einen Milchkaffee ansetzen und rein damit. Parallel die Wobbelruten klarmachen. Und los geht’s. Um kurz nach 5 bin ich am Wasser.
I. Akt: Barschangeln am Plänterwald
Hmm. Soooo windig ist es auch wieder nicht. Da habe ich mich täuschen lassen. Da hätte man ja auch aufs Boot gehen können. Naja. Egal. Wer weiß, wozu es gut ist. Also den Clackin‘ Crank in den Einhänger geklinkt und losgewobbelt. Vom Fähranleger Baumschulenweg angle ich mich Richtung Bulgarische Straße zum Clipper. Hinzus cranken, rückzus twichen.
Herrlich, wie der der Crank fliegt. Klasse, wie er wackelt. Nur fangen tut er heute nix. Nicht am Fähranleger und auch nicht an den Stegen. Nicht an der Hundebadestelle und auch weiter unten nicht. Das Wasser ist aber auch echt sauklar für diese Jahreszeit. Ich kann den Wobbler an den flachen Stellen über den Grund hämmern sehen. Das muss doch Fisch bringen. Und so lasse ich den kleinen Crankbait über den Grund bouncen, bis er in den Muscheln hängt, die mir einige Sekunden später die Schnur zerschneiden. Wobbler I ist schon mal aus dem Rennen. Also gleich den Twitchbait ran. Wenig später hängt der erste Barsch. Hmm. Eigentlich ist das hier echt Zeitverschwendung. Geh‘ doch lieber aufs Boot. Und so drehe ich früher um, als ursprünglich geplant.
Auf dem Rückweg passiere ich einen Steg. In meinem Rücken höre ich ein Geräusch im Wasser. Das war doch ein Barschschmatzen. Ich drehe mich um und sehe noch den Schwall. Und wieder raubt es. Diesmal heftiger. Sicher ein Rapfen. Schon stehe ich auf dem Steg. Jetzt raubt es wieder. Diesmal eindeutig Barsch. Meinen Twitchbait wollen sie aber nicht haben. Vermutlich zu groß. Also nen kleinen Jig-Spinner ranmachen. Zack. Schon beißen die ersten Barsche. Und dann bekomme ich noch einen richtig kräftigen Biss. Das ist der Moment, in dem ich beschließe, die Action-Cam ins Spiel zu bringen. Schließlich brauche ich ja immer wieder ein bisschen Stoff für Barsch-Alarm-Geschichten, die Fisch&Fang und den Shimano-Blog. Erst ein paar Bilder vom Ufer.
Dann befestige ich sie am Steg.
Dummerweise beißt jetzt nichts mehr. Ich angle noch ca. 15 Minuten, wechsle die Köder.
Barsch weg. Mist. Aber sie fressen heute und es ist nicht so windig, als dass man nicht aufs Boot könnte. Also engültig: Ab nach Hause und den Bootsschlüssel holen! Ist ja nicht weit.
Zuhause setze ich noch einen Pfefferminztee an und packe die etwas größere Tasche fürs Boot. Noch schnell die Kameras rein. Dann kann’s losgehen. Wo ist denn nur die Action-Cam? Shit. Das Ding steht schön auf dem Präsentierteller. Und zwar auf dem Steg am Plänterwald. Wut kommt auf. So blöd kann man doch gar nicht sein. Ich gebe mir eine 1:5-Chance, dass das Teil noch da ist. Und das auch nur, weil ich an der Fähranlegestelle einen Angler gesehen habe, der sich sicher in Richtung des Action-Cam-Steges vorgeangelt hat und die Kamera vielleicht eingesteckt hat. Vielleicht habe ich Glück und treffe den Mann noch. Und wenn nicht bleibt ja noch der Barsch-Alarm als die Berliner Spinnangler verbindendes Medium.
II. Akt: Der gute Mann vom Plänterwald
Ich also mit dem neuen Marschgepäck und mit Vollgas zurück in die Baumschulenstraße. Das Auto abgeparkt und zum Steg gejoggt. Tatsache. Da steht der Angler drauf. Die Cam ist aber nicht mehr montiert. Noch im Auslaufen hechle ich ihm zu: „Morgen. Ey. Hast Du zufällig eine Kamera gesehen?“ „Ja. Hab ich!“ Er bückt sich und zeigt mir meine Cam. Ich geb‘ ihm fünf, schüttle ihm die Hand. Bin immer noch außer Atmen.
Er freut sich, dass er ausgerechnet dem Dietel seine Cam gerettet hat. Er ist extra auf dem Steg geblieben, um die Cam zu bewachen. Den Rapfen hat er in der Zwischenzeit gefangen. Ein 68er war’s. Der erste dieses Jahr. Schwimmen tut er wieder. Wir unterhalten uns noch ein bisschen. Ich bedanke mich tausendmal bei ihm, gebe ihm einen kleinen Finderlohn, den er widerwillig annimmt und versichere ihm, dass er mir den Tag gerettet hat und den Finderlohn besten Gewissens annehmen kann. Dann verabschiede ich mich und fahre an die Spree.
III. Akt: Der böse Mann von Köpenick war zu Besuch
Am Boot angekommen, entferne ich die Persenning, installiere die Batterie für den E-Motor, pumpe Benzin in den Motor, starte die Kiste und lege ab. Wenig später bemerke ich, dass der große Gummikescher fehlt. Den hat tatsächlich irgendein Pfosten geklaut. Und zwar im Zeitraum von Donnerstagabend auf Samstagmorgen. Wäre es nicht nur ein relativ alter Kescher, würde ich jetzt zur Tanke gehen und anfragen, ob wir die Daten von der Überwachungskamera auswerten können, die nicht nur das Geschehen an der Zapfsäule der Wassertankinsel aufnimmt, sondern auch unsere Steganlage abdeckt. Aber soll der Spaten doch glücklich werden mit dem alten Ding. Möge er ihm beim nächsten guten Fisch durchbrechen.
IV. Akt: Der Crankbait zündet heute nicht
Ich habe nur die neue Crankbaitrute und die UL-Flitsche dabei. Heute geht’s mir darum, Bilder für ein Ruten-Feature in den Kasten zu bekommen. Vorzugsweise für die GLX von Loomis. Nur wenn’s auf Cranks nicht beißt, will ich einen kleinen Countdown an der UL-Kombo ins Rennen schicken. Ich suche ein paar Stellen mit dem bulligen Clackin‘ Crank ab. Heute mögen sie den nicht besonders. Ich fange drei kleine Barsche und schicke einen 30er kurz vorm Boot ab. Also die NASCI mit dem 5 cm Countdown bestücken. Wenige Würfe später habe ich den ersten einigermaßen vorzeigbaren Barsch.
Und dann noch einen. Für ein fetziges Feature reicht das aber nicht. Was also tun? Der Himmel zieht sich zu. Die ersten Tropfen treffen das Boot. Hmm. Heim? Nö. Komm. Mach noch ein paar Ankerplätze und schau, dass Du noch einen vernünftigen Fisch fängst. Dazu ein Drillbild und dann hast Du wenigstens was geschafft, wenn’s schon so ein merkwürdiger Tag war.
V. Akt: Bittere Fischverluste
Also weiter. Inzwischen ist es doch sehr windig. Und richtig regnen tut’s auch noch. Ist ja richtig klasse. Läuft wie ein Länderspiel! Jetzt noch bissfrei bleiben und der Tag ist geritzt. Erster Wurf. Barschkontakt. Bleibt aber nicht hängen. Zweiter Wurf. Ein guter 35er. Ich kann ihn nicht keschern. Dem bösen Mann sei Dank. Dank des Einzelhaken-Tunings schüttelt sich der für die Spree echt schöne Barsch ab, kurz bevor ich ihn greifen kann. Puh. Was ein besch…ener Tag. Nächster Wurf. Bingo! Eine richtige Barschbulette. Schwere Kopfstöße. Die kleine NASCI geht in den Halbkreis über. Das muss ein 40er sein. Und dann war er auch schon ausgestiegen. Auf halbem Weg zum Boot. Jetzt packe ich es echt nicht mehr. Ich gehe sprichwörtlich in die Knie und haue mit der flachen Hand aufs Alu. Das kann doch alles nicht sein. Nächster Wurf. Ein schöner Barsch. Und ich kann ihn landen. Kann doch fast nicht sein.
Nächster Wurf. Noch ein ansehnlicher Barsch. Wieder gelandet. Hammer.
Was ein Lauf auf einmal. Nächster Wurf. Ein kleiner Barsch. Dann noch einer. Also so geht das ja normal nie ab in der Spree. Wasn heute los? Nächster Wurf. Die Rute ist jetzt richtig krumm. Nicht wie bei dem Barsch – DAS da am anderen Ende hat Gewicht. Es lässt sich aber auch voll leicht herziehen.
Was ist denn das? 5 m vor mir sehe ich die goldene Flanke eines mindestens 75 cm großen Zanders, der sich auf dem Rücken liegend herankurbeln lässt. Dann dreht er sich um. Jetzt beginnt ein heißer Tanz am feinen Gerät. Ich habe dennoch ein gutes Gefühl. Die Bremse der 1000er Rarenium arbeitet super. Die 0,04er Nanobraid hat sich schon bei ein paar Rapfen-Battles bewährt und macht auch jetzt einen guten Eindruck. Auch das 17er FC-Vorfach scheint zu halten. Der Knoten sowieso. Ich drille den Fisch ca. 3 Minuten. Dann will er in die „offene Spree“ hinausziehen. Ok. Da gehe ich mit. Nur Druck kann ich natürlich keinen ausüben. Bald habe ich dich landebereit vor dem Boot, Freundchen! Und auf einmal ist die Leine schlaff. Nee, oder? Neeeeee!!!!! Neeeeeeiiiiiiiiiiiin!!!!!! Ich will das nicht. Jetzt reicht‘s dann aber auch.
VI. Akt: Das Happy End
Was soll man machen? Solche Tage gibt’s halt. Jetzt setzt Du um und machst noch ein paar Würfe. Dann fährst Du heim, wischst Dir den Mund ab und gehst morgen wieder angeln. Kann ja nur besser werden. Also Anker hoch. 40 m weiter. Anker runter. Zweiter Wurf: Genau der gleiche Biss wie vorhin. Die Rute richtig krumm. Wieder viel Gewicht. Nur diesmal gibt’s direkt Gegenwehr. Hat der an sich ja schon gebrochene Hannes nicht noch nen Zander an der Angel? Muss einer sein. Kopfstöße. Das typische Bocken. Schwanzschläge in der Schnur. Wenn ich den jetzt verliere, versenke ich mich mitsamt meinem Boot an der tiefsten Stelle der Spree! Diesmal drille ich noch vorsichtiger. Hole den Fisch ans Boot. Sehe ihn zum ersten Mal. Der Wobbler hängt ganz knapp. Oh Mann. Das geht doch wieder schief. Fünfmal taucht der Fisch ab vorm Boot. Fünfmal denke ich, das war’s. Dann ein entschlossener Griff. Gelandet! Standing Ovations von den Leuten auf der Spreefähre.
Tatsächlich mal wieder richtig Adrenalin im Blut. Hammer. Als ich den Wobbler später examiniere, bemerke ich, dass ich heute neben einigen unglücklichen Momenten doppelt Fortune hatte.
Jetzt aber nix wie ab nach Hause und schauen, ob die Bilder tatsächlich was geworden sind.
Ich mache sowas ja nie, weil ich’s albern und auch kitschig finde. Aber in dem Fall muss es sein: Dieses Foto widme ich dem guten Mann vom Plänterwald! Danke nochmal. Bist echt ein Held! Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder…