Fangberichte Zwei Mann im Wallerfieber
Plopp… plopp… plopp… in regelmäßigen Abständen schallt das Echo des Wallerholzes über das Wasser und verhallt in den Baumgruppen am Ufer. Immer wieder erzeugt Zoli eine weithin vernehmbare Schallwelle, um die Waller vom Boden zu lösen. Ein Bündel hyperagiler Kampfwürmer wartet im Mittelwasser auf einen aggressiven Abnehmer. Felix und ich haben unsere Pose angestrengt im Blick. Fest klammern wir uns im stromabwärts driftenden Boot an unsere Ruten. Denn jeden Moment kann das Monster einsteigen. Wir sind auf der Theiss und wild entschlossen, Kontakt zu unserem ersten Großwels herzustellen.
Seit über 400 Jahren fischen die angelbegeisterten Ungarn mit dem Wallerholz. Und das mit großem Erfolg. Unser Guide Zoli hat seit dem Jahr 2000 bereits 6 Tonnen Welse aus der Theiss und dem Theiss-See gezergelt. 76 kg wog der schwerste. Viele davon ließen sich vom Schall des Wallerholzes aus der Reserve locken. Doch so sehr sich der gegen die Attacken der Stechmücken scheinbar resistente Ungar auch müht – unsere erste „durchklopfte“ Nacht soll ohne Fischkontakt enden.
Welse sind eben keine Mohrrüben, die man einfach nach Bedarf vom Feld pflückt. Auch an der Theiss nicht. Und schon gar nicht, wenn eine europaweit die Existenz der Fische bedrohende Hitzewelle und sternenklare Vollmondnächte zusammenfallen, um sich gegen die weitgereisten Berliner Waller-Rookies zu verschwören. Denn der Theiss-Waller liebt die Dunkelheit. Außerdem ist es zu seinem Fang ideal, wenn die Flüsse nach kurzen und heftigen Regenfällen minimal mehr Wasser als gewöhnlich führen. Zehn Zentimeter reichen da schon aus. Doch von regenbringenden Wolken träumt die ganze ungarische Bevölkerung inklusive der Wallerspezis während unseres Aufenthalts vergeblich.
Und so wundert es auch nicht sonderlich, dass auch die zweite Klopf-Session keinen Fisch bringt – obwohl uns das Echolot jede Menge großer Sicheln anzeigt, die eindeutig von großen Welsen stammen. Das Wissen um die Präsenz der Fische bei gleichzeitiger Erfolglosigkeit lässt einen guten Guide natürlich zur Höchstform auflaufen. Mit bestimmter Stimme fordert uns der ansonsten sehr gemütliche Mann auf, die Spinnruten klar zu machen. Mit flach laufenden großen Schwimmwobblern beharken wir das Terrain. Bereits nach 10 Minuten Spinnerei fängt Zolis Bremse an zu singen. Die Rute biegt sich. Ein Fisch schlägt ca. 7 m von uns entfernt an der Wasseroberfläche. Doch von einem deftigen ungarischen Fluch begleitet, erschlafft wenige Sekunden später Zolis Wallerpeitsche. Nach vielen erfolglosen Würfen fahren wir zurück ins Camp, wo uns Victor, der Chef des Camps, und seine Crew bereits neugierig erwarten.
Am dritten Tag ändern wir die Strategie. „Antenna“ heißt das Gerät, mit dessen Hilfe wir unsere lebenden Karauschen vom verankerten Boot an der Wasseroberfläche anbieten. Die L-förmigen Gestänge, die unser Guide aus alten Glasfaserruten zusammengebastelt hat, verankern wir unter überhängenden Büschen und Bäumen im Grund des Gewässers. An der Spitze befindet sich ein Gummi, in das der direkt auf unserer Brutalo-Hauptschnur (40er Spiderwire mit einer Tragkraft von über 60 kg) zwischen zwei Gummistoppern sitzende Karabiner eingehängt wird. Ca. 50 cm ragt die Antenne aus dem Wasser. Wirbel und Köderfisch trennen ca. 80 cm Schnur. Immer wieder versucht der Fisch nach unten oder zur Seite zu fliehen und bleibt so ständig an der Oberfläche in Bewegung. Die so erzeugten Geräusche müssen die Welse locken. Ca. 30 m von den Antennas entfernt verankern wir das Boot und warten auf den magischen Moment, wenn ein lautes Platschen das erste Anzeichen einer Attacke signalisiert. Wenn dann der zwischen Leitring und dem nächsten Rutenring eingehängte, die Schnur zwischen den Ringen V-förmig durchsacken lassende und mit Knicklicht versehende Plastikschlauch nach oben flitzt, wieder nach unten saust und sich die Schnur erneut spannt, hat sich der Wels den Köder gegriffen, das Gummi gesprengt und zieht mit dem Fisch im Maul davon. Wir sind gespannt wie Flitzebögen. Unseren Ruten bleibt dieser Zustand leider auch diese Nacht erspart.
Doch die Antennas sollen uns zusammen mit Unterwasserposenmontagen und Riesenschwimmern auch in der nächsten Nacht in ihren Bann ziehen. Mit zwei Booten geht es hinaus. Jedoch versuchen wir es jetzt in einem flachen Bereich des Theiss-Stausees. Hier ist alles voller Seerosen. Einen derartigen Teppich haben wir noch nie gesehen. Baumstümpfe ragen aus dem ca. 1,5 bis 2,5 m tiefen frei zugänglichen Wasser. In deren Nähe platzieren wir unsere Köder: die eingangs erwähnten Kampfwurmbündel (von diesen wurmfressenden pechschwarzen Würmern hatte ich bislang noch nichts gehört), fette Fischfetzen und lebende Karauschen. Mit einem Boot bringen wir die Montagen aus. Im anderen Boot werden die Angeln mit denen an den Hotspots verankerten Systemen in Empfang genommen. Nachdem die letzte Montage am Platz ist, binden wir die Boote zu einem Ponton zusammen und harren der Dinge die da kommen. Es ist 1 Uhr. Die Moskitos haben sich endlich beruhigt. Hoch konzentriert starren wir auf die Bissanzeiger und lauschen den Geräuschen auf dem Wasser. Mit einem Mal springt mein ungarischer Bootspartner, der übrigens ebenfalls Zoli heißt, auf und schlägt an.
Die Rute ist nur leicht gekrümmt. Und auch dem enttäuschten Blick des Kollegen ist zu entnehmen: das ist kein Großer. Zwar wehrt sich der Fisch ein wenig, aber dem auf Großwels ausgelegten Gerät hat er nicht wirklich viel entgegen zu setzen. Einigermaßen überrascht hieven wir dann einen dicken Rapfen über die Reling, der sich an dem Fetzenköder vergriffen hat. Als um 5 Uhr die Sonne den Horizont in ein warmes Rotorange hüllt, brechen wir ab und trinken im Camp ein paar ungarische Kurze. Dann ziehen wir uns in unseren Caravan zurück und gehen schlafen.
Um 19 Uhr am nächsten Abend geht es wieder auf den See. Nach einer halbstündigen Fahrt empfängt uns die knallrote Abendsonne. Schwalben segeln im Tiefflug über dem Wasser, die Reiher und Kormorane sitzen auf den Baumstümpfen und vereinzelt sieht man Boote über den See tuckern. Wieder bringen wir die Montagen aus. Wieder warten wir die ganze Nacht auf einen Wallerbiss. Wieder vergebens. Auf der Fahrt ins Camp unterhält sich unser Guide mit so ziemlich jedem Angler, dem wir begegnen. Die Informationen, die er von den Schleien-, Karpfen- und Waller-Spezis erhält, decken sich mit seinen eigenen Beobachtungen: Anscheinend rauben die Welse angesichts der hellen Vollmondnächte nur noch im Schutze der Seerosenfelder.
Und so wechseln wir in unserer (vorerst) letzten Wallernacht auf dem Theiss-See noch einmal die Strategie. Diesmal legt Zoli die Köder an den Rand eines massiven Seerosenfeldes. Ein noch im Abendlicht an der Wasseroberfläche raubender Meterwels deutet es schon an: wir sind auf dem richtigen Weg. Wieder sitzen Zoli und Felix in einem Boot, während ich mir mit meinen Bootsgefährten der letzten beiden Tage (Zoli II) das andere teile. Erneut richten wir uns auf ein langes Warten ein. 21 Uhr. 22 Uhr. 23 Uhr. 23.05 Uhr. 23.10 Uhr. 23. 12 Uhr. Schmatz. Hektische Bewegung im anderen Boot. Schnell drehe ich mich um und sehe den Bissanzeiger an Felix‘ Antenna-Rute hochrasen. Fast im selben Moment biegt sich die honiggelbe Rute zum Halbkreis. „Biiig Waaalleeer!“, höre ich Zoli triumphierend rufen. Im selben Moment der Anhieb. Zum Entsetzen aller Beteiligten jedoch, schlägt am andern Ende der Schnur kein Monster. Der Fisch hat den Köder genommen, ohne am Hakensystem hängen zu bleiben. Frust pur. Felix zündet sich eine Zigarette an und flucht wütend vor sich hin. Das war wohl der ersehnte Großwels gewesen. Denn vor einem kleinen Fisch verneigt sich die Baltic von Sportex im Leben nicht so ehrfürchtig wie bei dieser Attacke.
Aber die Nacht ist ja noch nicht zu Ende. In einem Zustand zwischen Enttäuschung und Hoffnung warten wir auf das, was uns noch bevor steht. Mitternacht. 1 Uhr. 2 Uhr. 3 Uhr. 4 Uhr. 4.20 Uhr. 4.25 Uhr. 4.28 Uhr. Wieder geht im anderen Boot die Post ab. Als ich herumschnelle, sehe ich Zoli gerade den Anschlag setzen. „Kontakt!“, ruft er uns strahlend zu. Sein Welsprügel federt die Schläge ab. Mit komplett zugedrehter Bremse pumpt er den Kontrahent einige Meter vom Seerosenfeld weg. Dann das Unfassbare. Die Rute erschlafft. Der Fisch ist weg. Ohne große Worte holen wir „leicht“ frustriert unsere Montagen ein. Die Sonne kommt hervor und damit ist es amtlich: wir werden ohne Großwaller-Foto nach Hause fahren müssen.
Und trotzdem haben uns sowohl der Waller- als auch der Theiss-Virus jetzt befallen. Die Natur hier im Nordosten Ungarns ist mit Worten kaum zu beschreiben und gleichzeitig ist die Angelei auf Welse einfach megaspannend. Schon allein die Chance, sich schon in der nächsten Minute mit dem größten Fisch messen zu können, den man jemals an der Angel hatte, gibt uns beiden alles.
Außerdem konnten wir am Tage immer wieder gute Rapfen, jede Menge Katzenwelse, kleinere Zander und auch herrlich gezeichnete Wolgazander fangen. Von den vielen Brassen und anderen Weißfischen beim Köfistippen ganz zu schweigen. Auf ein Wurmbündel, das wir direkt vor dem Camp auf Grund legten, erwischten wir auch einen kleinen Wels von ca. 35 cm. Und der wird nicht der letzte Theisswels gewesen sein, den wir vom Haken lösen. Denn eins ist sicher: wir kommen wieder…
Mehr Infos über die speziellen Montagen, über die Theiss und die anderen Fische folgen bald. Wer sich auf hervorragend geführte, preisgünstige und urige Wallersafarie in einem absolut herzlichen und wunderschönen Ambiente begeben will, sollte schnell für September buchen. Und zwar bei Victor Lukas von Victor’s Fishing Camp an der Theiss. Auch wenn wir leer ausgegangen sind: die Chancen auf einen Riesenwels stehen hier mehr als gut, wie die Hitparadenplatzierungen von Victor’s Guide Zoli beweisen (3 Fische unter den Top 5). Übrigens läuft Ende September, wenn die Seerosenfelder absterben und die Hechte gezwungen sind, aktiv auf Nahrungssuche zu gehen, so langsam auch die Groß-Hechtsaison an. Und von denen gibt es in der Theiss jede Menge.
Infos zum Camp findet Ihr auf http://www.fishingcamp.hu
P.S. Wenn Ihr Euch dorthin begebt, dann macht das auf jeden Fall mit dem entsprechend starken Gerät. Unsere Hardware-Empfehlung für’s Klopfen und Ansitzen:
Rute:
YAD Springhill Big Fish in 2,7 m Länge (Wg. 100 bis 300 Gramm) oder Baltic von Sportex
Rolle:
Shimano Ultegra XT 10000 (Schnurfassung: 300 m 40er) oder solide Multirolle
Schnur:
40er Spiderwire von Berkley (Tragkraft 59,4 kg!!!)
Wirbel:
Crosslock-Wirbel von Berkley mit einer Tragkraft von 250 lbs. (rein sicherheitshalber…)