Fangberichte Von Ups und Downs – Hechtangeln in Südschweden
Rostock Hauptbahnhof, 23.12.2019. Die Leute hetzten im Weihnachtsstress über die Bahnsteige und alles ist in Hektik. Nicht so bei mir. Ich habe den Vorweihnachtsstress der letzten Tage komplett durch Prüfungsstress subsituiert und sitze im ICE nach Süddeutschland zur Familie – gechillt wie ein Koberind und absolut in mir ruhend. Endlich finde ich Zeit, beziehungsweise die Bahn schenkt mir 11 Stunden Fahrt zum schreiben. Bald neun Monate ist es her, seit wir, das heißt Nicho und meine Wenigkeit, in Schweden zum Hechtangeln waren. Seit dem waren wir auch in Frankreich mit Tobi aka Fidde, aber das ist Stoff für einen anderen Artikel. Hoffentlich nicht auch neun Monate verspätet…
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass wir nur die Fotos der Spiegelreflex und von unseren Handys haben, denn die Speicherkarte meiner Kamera hat aus unerklärlichen Gründen die Grätsche gemacht. Ich bitte daher um Entschuldigung, dass ich nur so spärlich Naturimpressionen zeigen kann. Denn, auch wenn es abgedroschen klingt, der schwedische Flair liegt insbesondere in der menschenlosen, gefühlt unberührten Natur und der überwältigenden Weite. Wir arbeiten an diesem Defizit und wünschen euch trotzdem viel Spaß beim Lesen. Nun aber ans Eingemachte.
Wenn man sich auf eine Angelreise vorbereitet, und dies geschieht zum größten Teil mittels Informationen aus dem Netz und über Kontakte, dominiert vor allem ein Suchergebnis. Pauschalangebote für Angelhäuser am See, den Schären inklusive Mietboot und Ähnlichem findet sich zuhauf. Also gar nicht so leicht, wenn man den eigenen Trip ganz „anders“ gestalten will. Wir setzen seit Jahren auf individuelle Planung, nachzulesen auch in dem einen oder anderen Artikel hier im Archiv. Das soll nicht heißen, dass die Angelreisen schlecht sind aber in einem Punkt ist man definitiv eingeschränkt. Das Stichwort „Flexibilität“ ist bei uns ganz hoch im Kurs und mit einer, oftmals schon Wochen vorher notwendigen Buchung, leider nur eingegrenzt möglich. Doch wieso ist Flexibilität als Angler wichtig? Nun, dafür gibt es eine ganz Hand voll Gründe. Abhängig vom Wetter ist beispielsweise oft das Fressverhalten der Fische. Was, wenn man im Mai warme Buchten auf Hecht befischen will aber der Wind schiebt das ganze warme Wasser aus der Bucht? Was, wenn man auf ungeschützten, offenen Seen fischen will, 8 Beaufort machen dies aber unmöglich? Ihr seht am Beispiel, in solchen Situationen braucht man einen seriösen Plan B, soll der Urlaub nicht durch tagelanges Rumhängen oder Rotaugen stippen als Beschäftigungstherapien einprägsam werden. So hatten wir es bereits in Irland, Italien und weiteren Destinationen erfolgreich getan und wollten dies auch in Schweden umsetzen. Nur wollten wir diesmal mehrere Gewässertypen befischen um auch etwas landschaftliche Abwechslung einzubringen. Ziel ist es natürlich nicht spaßeshalber hunderte Kilometer abzureißen, sondern durch die Flexibilität keinerlei Einschränkungen haben zu müssen. Dies bedeutet Isomatte statt Lattenrost, Daunenschlafsack statt Decke, Zelt statt Hotel und Mietboote statt Hauskahn. Doch in allererster Linie Abwechslung und Ungewissheit statt Sicherheit und Monotonie! Das klingt jetzt tatsächlich so als ob wir mit zwei Taschenmessern bewaffnet abmetern wollten. Nein, ganz so Bear Grills like war es dann doch nicht….
In unserem Fall wollten wir es dennoch so basic wie möglich halten, den Vorteil eines Angelbootes aber trotzdem nutzen zu können. Dies ist nur dank des hervorragenden Fishery managements der Schweden möglich. Sie kümmern sich nicht nur um ihre Jungfischaufzucht mittels geeigneter Broodstrocks und somit den Erhalt ihrer Bestände, sondern tragen auch durch weitere Maßnahmen ihren Teil zu einer Angelqualität bei, die auf vielen Ebenen in Europa Ihresgleichen sucht.
Flashback. 26. April, irgendwo in Hamburg in einer unfertigen Küche. Wir haben noch neun Stunden bis zur Abfahrt der Fähre von Rostock nach Trelleborg. Die Waschmaschine, der Kühlschrank sowie die Hängeschränke liegen noch drei Stockwerke über uns in Nichos alter Wohnung. Wie es sich gehört, muss kurz vor dem Urlaub ein Umzug durchgeboxt werden. Sprich, ein paar Möbelchen durch das Treppenhaus zerren und eine Küche will aus- und wieder eingebaut werden – wäre ja sonst auch zu einfach und unspektakulär. Um 12 Uhr sind wir schweißüberströmt fertig und alle Küchengeräte sind angeschlossen. Die bessere Hälfte des Hausherrn zeigt uns den zufriedenen Facebook- Daumen, es kann losgehen.
Wir machen noch einen kurzen Stopp bei Aldi, sammeln für einen niedrigen dreistelligen Betrag Nahrung und Getränke ein und knattern weiter nach Rostock. Dort lade auch ich meine vier Angelruten, eine Isomatte, einen Schlafsack, Koch- und Waschutensilien ein und schon kann es losgehen. Wir hatten ursprünglich vor die Bellyboote mitzunehmen, haben uns aber aus Platzbedenken und den guten Rechercheergbnissen in puncto Leihboote dagegen entschieden. Reingepasst hätten sie noch, aber das Auto nur halbvoll zu haben und dafür fertig montierte einteilige Ruten reinlegen und schnell rausnehmen zu können, hat ja auch seine Vorteile. Und nein, wir fahren keinen SUV, keinen VW Bus und keinen Volvo, sondern einen Mini Clubman. Tetris für Erwachsenen im Fortgeschrittenen Modus sozusagen.
Mittlerweile ist es 20 Uhr und wir warten auf die Einschiffung am Fährhafen in Rostock. Also genügend Zeit um mal einen kleinen Einblick zu geben, was wir überhaupt angeltechnisch vorhaben und was wir hierfür eingepackt haben. Wir haben uns vornehmlich auf den Hecht vorbereitet und daher nur zwei leichtere Barschruten dabei. Nicho fischte eine Major Craft Speedstyle ML mit ner Shimano Nasci, als M eine St. Croix Avid X mit ner Daiwa Tatula SV draufgeschnallt, eine Major Craft Benkei BigBait mit ner Abu STX und Power Handle, sowie für die ganz schweren Knochen die St. Croix Bass X Swimbait, gepaart mit einer Shimano Tranx 301 HG. In meinem Fall eine Evergreen Brushstinger ML sowie eine MajorCraft Speedstyle M. Damit decke ich von kleinen 5 cm Gummifischen bis zu 13 cm langen Twitchbaits alles ab. Das Finesse-Getüddel haben wir bewusst dagelassen. Wenn man sich bei den schwedischen Barschanglern umschaut, gibt es für die offensichtlich sowieso keine Barschköder unter 4“. Als leichte Hechtrute habe ich eine Shimano Zodias H, mit der ich mittlere Spinnerbaits und kleine Hechtgummis bis 18 cm fische. Abgeschlossen wird mein Setup durch eine Abu Garcia Signature 7 „Svartzonker“ sowie einer Abu Revo Toro NaCl, mit welcher ich das größere Gummigetier bis 25 cm und etwa 150 Gramm Gewicht befördere. Dazu dann natürlich noch elementare Dinge, wie eine großes Maßband, eine Abhakmatte sowie einen großen Kescher. Eine lange Lösezange, einen Bolzenschneider und Tape für die Finger runden die Ausrüstung im Groben ab. Der Bolzenschneider wird bei uns weniger für die eigenen Hände verwendet als mehr um kiemennah sitzende Drillinge abkneifen zu können und dem Hecht ein geringstmögliches Verletzungsrisiko zu bescheren. Ist natürlich auch nicht verkehrt derart bewaffnet zu sein, sollte der 3/0er mal in der eigenen Hand sitzen. Weitere Utensilien wie 0,90er Fluorocarbon, 25 Pfund Titan, leichterer Bissschutz für die Barschrute und einen Auswahl an Ködern des Vertrauens erklären sich von selbst. Bei den Ködern haben wir uns auf die bei uns funktionierenden Modelle reduziert um nicht unnötig viel mitzuschleppen. Letztendlich haben wir die ganzen Pigshads und McRubbers lediglich zurück in ihr Herkunftsland geführt.
Die Fähre hupt, wir legen ab und machen es uns mit den Schlafsäcken auf dem Teppichboden zwischen all den Backpackern, Motorrad- und Fernfahrern gemütlich. Um 6 Uhr morgens erreichen wir Trelleborg ausgeschlafen und motiviert bis in die Haarspitzen.
Schon nach wenigen Fahrtminuten ändert sich das Landschaftsbild komplett und wir durchfahren die südschwedischen Wälder in Richtung Blekinge, wo wir unseren ersten See ansteuern. Die Angelerlaubnis besorgen wir dank durchgehender LTE-Internetverbindung unterwegs. Am See angekommen laden wir aus und übernehmen das Ruderboot. Klingt einfach, ist es auch.
In Schweden kann man auf der Website www.fiske.se neben den Lizenzen auch Boote reservieren. Einfach das Boot für den jeweiligen See online auswählen, per Paypal 5 Euro bezahlen und man bekommt via SMS den Code für das Zahlenschloss gesendet. Kinderleicht, unkompliziert und schnell: das ist Fishery Management der Königsklasse, das die Schweden performen!
Die ersten beiden Tage erkunden wir unseren rund 50 Hektar großen See und müssen leider feststellen, dass die Hechte ob des sehr frühen, intensiven Frühlings mit dem Laichgeschäft schon seit Wochen durch sind und sich nicht mehr konzentriert ufernah aufhalten. Wir vermuten dies zunächst, lernen dann aber zwei einheimische Jungs kennen, die uns genau das bestätigen. Die post-spawn Mamaverhaftung ist also schon vorbei. Endsgeil. Trotz allem fahren wir zunächst flachere Buchten an und versuchen die News zu ignorieren und stoisch unseren Plan durchzuziehen. Wir fangen einige Krauthechte bis um die 70 auf Gummis, Spinnerbaits und haben jede Menge Spaß. Frequenzangeln macht halt schon auch Bock, doch nach dem ersten Tag können wir feststellen, dass die Natur hier weit fortgeschritten ist.
Dennoch macht es Spaß und wir fangen auch am folgenden Tag zweistellig Hechte. Unser Versuch auf Barsch scheitert bis auf ein paar wenige und sehr mickrige Exemplare im Bodenseeformat leider kläglich. Hätten wir die L und Ul Geschichten mit gehabt und es härter versucht, wären wir vielleicht erfolgreicher gewesen. Vielleicht aber auch nicht, wir werden es nie erfahren und ist vielleicht auch besser so. Immerhin waren wir ja wegen der Schnabeltier dort und gute Barsche gibt’s in Hamburg und Rostock auch.
Wir geben also nicht auf am Hecht und versuchen mit einer neuen Taktik mal einen Fisch jenseits der 80 cm zu fangen. Auch wenn wir wissen, dass man für einen pelagischen Biss gerne mal den ganzen Tag werfen muss, bleiben wir hartnäckig und peitschen fleißig. Mit dem Echo suchen wir Futterfischschwärme, finden sie auch und spotten die darunter stehenden dicken Sicheln. Wir werfen, was das Zeug hält aber es tut sich nichts. Erst am Abend kommt es zum Spektakel. Abertausende Lauben und Rotaugen kommen zur Dämmerung an die Oberfläche über 8 Metern und es raubt in einer Tour. Der Fisch steht so dicht, dass das Echo einen Meter Tiefe anzeigt. Wir bekommen Bisse aber wieder nur die Kleinen. Schließlich ist es dunkel, wir schmeißen das Feuer an, öffnen den Whisky und grillen. In der Nacht auf den dritten Tag kommt es zum Fiasko.
Das schlimmste, was einem Hechtangler im Frühjahr passieren kann – ein Temperatursturz. Und nicht nur um ein paar Grad. Nein. Tagsüber hat es statt 20 nur noch 12 Grad und nachts sind wir statt bei 6 plötzlich im Minusbereich. Die Konsequenz spüren wir sofort, denn nicht mal mehr die Schilffritten lassen sich noch ärgern. Absoluter Fressboykott und wir mittendrin. Hervorragend.
Wir beschließen nach ein paar halbherzigen Bissen und der erwarteten Nullnummer am morgen zur zweiten Tageshälfte im Freiwasser etwas zu schleppen, da wir viele große Sicheln entlang der Rotaugenschwärme sahen. Mehr aus Langeweile und gegen die Kälte als mit Hoffnung auf Erfolg starten wir die erste Runde auf unserem See. Eigentlich so gar nicht unser Stil aber alles andere haben wir bereits probiert. Wir legen uns in die Riemen, lassen die mit teilweise 60 Gramm beschwerten MCRubber, Wingman und co. runter und packen dabei das Frühstück aus. Aber keine 100 Meter gepaddelt und noch am Kauen kommt wie aus dem Nichts der erste Biss. Leider daneben. Ich rudere weiter, zack nächster Einschlag und wieder nicht verwandelt. Wir schleppen suboptimal, stellen wir nach kurzem Gespräch fest. Wir überarbeiten unser Konzept und bei einem Biss läuft das von nun an anders ab. Der Ruderer haut bei einem Biss richtig in die Eisen um die Geschwindigkeit beziehungsweise den Druck zu erhöhen, während der Schlepper einhändig einen zweiten Anhieb setzten kann. Sobald konstanter Druck auf der Angel ist, wird die zweite Rute an den Ruderer übergeben und das Spektakel beginnt. Es hat tierisch Bock gemacht, vor allem weil die Technik super funktionierte. Aber Seitenweise über Schleppen auf Hecht zu schreiben, geschweige denn nur noch so zu angeln, werde ich in diesem Anglerleben wohl nicht mehr…
Am darauffolgenden Morgen beschließen wir, heute die letzte Nacht am See zu verbringen und am Abend darauf weiter nach Karlskrona zu fahren. Ich werfe meinen Pigshad Junior an der Zodias in das lichte Schilf, lasse ihn an der Kante etwa einen Meter absinken und kurble weiter. Ich bekomme einen leichten „Schubser“ setze aber keinen Anhieb, dafür war der Biss zu „spitz“ sondern kurble weiter an, mache nen Spinstop und dann kracht es gewaltig. Ich setze den Haken mit voller Wucht und der Fisch will sofort ins Schilf zurück. Ich halte dagegen, er schlägt an der Oberfläche, dreht um und schwimmt die steile Kante runter und geht schnurstraks auf Tiefe. Dort bekomme ich ihn mit der Zodias H, die jetzt unter Vollkrümmung steht, nur schwer nach oben, da er immer wieder nach unten flüchtet und Schnur zieht. Schließlich zeigt er Flanke und Nicho netzt ein! Wir schreien unsere Freude wie die Verrückten raus in den schwedischen Wald. Der erste gute Fisch, endlich!
Trotz des Erfolgs glauben wir nicht an ein Muster. Dazu lief es zu schleppend (wortwörtlich) und die Fische waren wirklich, wie im Sommer, gefühlt schon überall verteilt. Es ist mittlerweile Mittag desselben Tages und der Wind hat deutlich aufgefrischt. Wir schleppen nach drei erfolglosen Wurfstunden gerade am anderen Ende des Sees eine Ecke ab, an dem es einige Bisse und Fische gab, als der Wind nochmal einen drauflegt. Wir sind laut Windy bei 7 Bft und ich kann das Boot kaum mehr auf Kurs halten. Wir beschließen kurzum zum Zeltplatz umzukehren und heute direkt weiter nach Karlskrona zu fahren. Doch dazu müssen wir erst mal an Land, was mittlerweile zum Kraftakt wird, da aus dem Wind ein Sturm wurde. Nach ca. 1 km kann ich nicht mehr, meine Arme brennen und Nicho übernimmt. Auf dem See sind mittlerweile Schaumkronen, Wellen schlagen an die Bordwand und Wasser kommt ins Boot. Da passiert es. Eine Bö erfasst den Kopf unseres BFT Monster Landing Net und PLATSCH liegt der Kescher im Wasser. Jetzt wird es hektisch. Nicho stoppt sofort und sucht seine Kombo, während ich versuche, mit meinem Pigshad das Teil abzuwerfen. Der Wurf misslingt windbedingt. Wir sind in nicht mal 5 Sekunden locker 30 Meter abgedriftet und das Ding sinkt…Wir fahren nochmal über die Stelle, beziehungsweise versuchen es, haben aber keine Chance gegen Wind und Welle und müssen an Land. Die Stimmung ist richtig scheiße, vor allem weil es so unnötig war.
Wir bauen unser Zelt ab, entsorgen unseren und den Müll unserer Vorgänger in der dafür vorgesehenen Tonne und spielen mit Tackle und Campingausrüstung Tetris im Kofferraum. Auf dem Weg nach Karlskrona wird schwer an der Motivationsschraube gedreht. Während Nicho fährt, organisiere ich einen Platz zum Wildcampen, einen Campingplatz für den Tag danach (nach Tag 4 kann man dann auch mal wieder duschen), buche ein Mietboot und suche einen Angelladen, wo wir für das verlorenen Netz gleich Ersatz besorgen können. Letzteres hat Priorität. Die Fahrt und die genannte Orga laufen problemlos und zwei Stunden später haben wir nicht nur unser riesiges BFT Netz wieder, sondern auch noch ein paar Jerbaits, Pigshads in Spotted Bullhead, sowie bisschen Krempel zum Shallow Riggs basten.
Wir beschließen am Nachmittag noch in der City zu angeln um dann am nächsten Tag mit dem Boot die Schären unsicher zu machen, da es ja noch sehr früh am Tag ist. An einer Brücke machen wir den ersten halt und holen die ML raus um ein paar Barsche zu fangen. Ich suche noch nach einem passenden Gummi als Nicho schon den ersten Biss vermeldet und anhaut. Die Rute steht krumm, keine hektisches Zappeln. „Hecht, ohne Zweifel“.
Der Drill zieht sich natürlich etwas und das Landen per Hand (Großkescher natürlich im Auto gelassen) am megasteilen Wasserzugang ist ein Abenteuer für sich. Das stellt nicht nur Nicho fest, sondern auch ich, der beim allerersten Wurf ebenfalls einen im mitt-Siebziger Format fängt.
Nach dem vierten Hecht in etwa 15 Minuten bringen wir erst mal die Barschruten zurück zum Auto und holen das Hechtgeschirr und den Kescher. Kein Bock mehr auf Rumklettern an glitschigen Wänden, dafür ist einfach schon zu viel Mist passiert an diesem Tag. Wir stellen uns an eine andere Stelle, um den Hotspot von einer anderen Position aus zu behacken und eventuell auch etwas entspannter landen zu können. Was soll ich sagen? Der Bengel performed unglaublich und ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Nach dem sechsten oder siebten Hecht an der zweiten Stelle, meine Wenigkeit hatte genau einen, ist der Spuk vorbei. Wir ziehen weiter und befischen noch andere Spots. Fast überall gibt es zumindest einen Fehlbiss oder auch Hecht. Die Beissfrequenz lässt auf die hiesige Biomasse schließen und beim Gedanken an einen morgigen Bootstag wird uns trotz des Temperatursturzes, der noch immer anhält, recht warm ums Herz.
Zugegeben, Schweden hat idyllischere Zeltplätze aber inmitten von Karlskrona in der Nähe des Bootsverleihs etwas zu finden, ist wirklich nicht leicht. Nähere Ausführung zur Beschreibung eines Parkplatzes von einem Sportverein, sowie feuerloser und nicht existenter Campingromantik erspare ich euch an dieser Stelle. Abends gibt’s noch eine warme Suppe, ein paar Bier und die Stimmung ist prächtig. Wenn die Stadt schon vom Ufer aus so abliefert…..was soll da noch bitte kommen! Mit einem vorfreudigen Grinsen im Gesicht und wütenden Mutti-Strikes im Hirn legen wir uns ab.
Am nächsten morgen übernehmen wir das Boot, unterschreiben den Mietvertrag, zahlen die Kaution plus zwei Tagesmieten im Voraus. Roger wünscht uns „Schlechtes Angeln“, da es in Schweden Pech bringt, wenn man sich Glück beim Angeln gegenseitig wünscht. Fehlt nur noch, dass sie Linksverkehr einführen und Ironie als Dialekt etablieren. Aber ok, kann uns egal sein, wir wollen speckige und vor allem gut aufgelegte Pikes. Zunächst fahren wir an die Außenschären, wo wir auf dem Echolot riesige Heringsschwäme finden. Die Hechte dort sind allerdings nicht sehr willig oder satt, jedenfalls tut sich gar nichts an Spot 1 bis 6. Wir fahren dichter rein und auch hier geht nichts. Buster Jerk, MCRubber, Pigshad, EF Wingman, EF Downsizer, Spinnerbait, Tailbaits, generelles Downsizing…nichts funktioniert. Irgendwann frischt der Wind auch noch so heftig auf, dass der Anker nicht mehr greift und wir geschützte Buchten anfahren müssen. Ich verhafte mit Müh und Not einen Hecht aber es bleibt zäh.
Wir können es irgendwie nicht glauben, dass es gestern so und heute so läuft. Da stimmt doch was nicht….aber was? Wir suchen neue Spots im ganz flachen Wasser. Angeblich soll viel Salzwasser eingeströmt sein und am Bodden hilft dann auch nur ganz flach fischen um dem schwereren Salzwasser zu entkommen. Dann passiert es. Ich setze rückwärts gegen den Wind um den Anker zu platzieren als es kurz rumpelt und der Motor ausgeht. Ich mache ihn wieder an, doch irgendwie zieht er nicht mehr richtig. Der Motor läuft zwar rund aber bekommt keinen Schub zustande. Wir rufen den Vermieter an, der vorbeikommt uns ein Ersatzboot gibt und wir weiter angeln können. Die Fische bleiben weiterhin aus und wir beschließen, die letzten Stunden in Karlskrona unsere Uferspots vom Boot aus zu befischen. Erst als der Regen über uns einbricht, werden die Fische aktiv und auf Jerkbaits kriegen wir ein paar Kleine. Auch wenn es den ganzen Tage schlecht ging, machen wir eine erstaunliche Erkenntnis in Verbindung mit dem Wetter. Wir stehen in einer Bucht und zwischen den Wolken kommt kurz die Sonne durch. Bisse gibt es keine. Plötzlich schiebt sich eine Wolke vor, es regnet und windet und es ist als ob einer den Schalter umgelegt hat. An der exakt selben Stelle fangen wir 4 Hechte bis die Wolke verschwindet und die Sonne rauskommt, dann ist wieder Schluss. Die nächste Wolkenfront schiebt sich an und wie soll es anders sein, es beisst wieder und bei jedem Wurf gibt es entweder Fehlbiss oder Fisch. Sowas haben wir in 10 Jahren gemeinsamen Angelns noch nicht erlebt. Es regnet gegen Abend in Strömen, die Fische fressen scheinbar kaum noch und irgendwie macht es keinen Bock mehr. Noch dazu haben wir beide nen Jerkarm (Zwinkersmiley) und Schmerzen in der Schulter vom 7. Tag in Folge Latschen schleudern. Wir fahren zurück zum Anleger, wo uns der Vermieter begrüßt. Er sagt uns, dass er uns den Tag nicht vermiesen wollte als er uns das Ersatzboot brachte und den Motor inspiziert hatte. Ab diesem Moment trifft uns jedes Wort, wie ein Hammer.
Ich muss auf einen Stein aufgesessen sein und ein Teil an der Schraube beziehungsweise Wassereinzug ging dabei wohl kaputt. Unser Mietvertrag beinhaltet keine Versicherung, die Kaution beibt zurück und Geld für Tag zwei wird als Vorzahlung der Reparatur einbehalten, bis die Versicherung greift, usw. usw…..im Strahl kotzen könnte man. Literweise!
Natürlich verzichten wir auf den morgigen Bootstag und die Stimmung ist im Keller. Kescher verloren, kaum Hechte gefangen, Motor geschrottet, zweiter Bootstag im Eimer….uns reichts. Wir klären alles mit dem Vermieter, geben ihm die Kontakte unserer Haftpflicht und machen uns auf zum Campingplatz. Wir duschen endlich mal heiß, gehen Burger essen und beschließen die letzten 1,5 Tage vom Ufer zu angeln. Aus Respekt den Locals gegenüber, (ja, diesen Satz liest man in fast allen Artikeln von mir. Sorry, bleibt der Dauerton.) kann und will ich nicht näher auf die Spots der Folgetage eingehen und erlaube mir von nun an ein wenig künstlerische Freiheit. Jedenfalls starten wir am kommenden morgen in der City an kleinen Kanälen und Zuläufen. Wir fangen gleich zu Begin richtig schöne Barsche und immer mal wieder einen Hecht dazwischen auf die Barschflitschen. Richtig kurzweiliges Streetfishing und zur Würdigung der hiesigen Plattform mit Kultstatus auch endlich ein paar Streifer.
Alles in haben wir sehr kurzweiliges Angeln und der Schock vom Vortag und der des Vorvortags (#MurphysLaw) ist halbwegs verdaut. Plötzlich kommen wir, unbedacht vor uns hinangelnd von Spot zu Spot, an eine Stelle, die ganz offensichtlich als besonderes Fischwassermit einem Schild, einer Wage, einem Anpinnbrett und einer Fangliste markiert wurde. Es war uns klar, dass wir hier wohl nicht einfach angeln können und eine andere Lizenz brauchen. Das Stück Wasser macht jedoch so Spaß, dass wir da unbedingt weiterfischen wollen! Wir fragen einen Einheimischen, der uns freundlich, wie alle Schweden, die wir kennenlernten, Auskunft gab, wo wir die entsprechenden Lizenzen bekommen. Wir fahren an die Tankstelle kaufen uns zwei Tageskarten und sind recht zufrieden mit der Entscheidung, dort die nächsten anderthalb Tage zu fischen. Zurück am Wasser gehen wir wieder zurück an die Stelle, wo die Barsche wirklich gut bissen und der Durchschnitt mit ca. 35 cm auch echt ordentlich war. Ich stellte irgendwann von der ML auf meine M um und fischte 5“ Gummis, die ich mit der Strömung über die Steine holpern lasse um vielleicht mal einen besseren Barsch zu erwischen. Erster Wurf in die Strömung, kontrolliertes dezentes Hüpfen, Einschlag, Barschfail/92er Hecht.
Plötzlich erscheinen zwei Schweden mit heavy gear. Sie stellen sich an einen kleinen Steg und werfen Gummis, die laut einschlagen und die sie im Zeitlupentempo einleiern. Das Ganze geht so ungefähr 3 Minuten, da fangen sie den ersten 90er. Scheinbar wussten die Jungs ganz genau, was sie tun und so wetzten natürlich auch wir zwei zackig zum Auto und holten die Schleudern raus. Ich mache etwa den fünften oder sechsten Wurf mit nem McRubber Pike, als es einschlägt. Was für ein wütender Biss! Ich setzte den Anhieb und laufe, das fette Viech aus dem Schilf bugsierend, rückwärts den Hang hoch. Nicho erkennt auch ohne mein Gebrüll, dass es ernst ist. Flink wie ein Wiesel ist er zur Stelle und wir werden uns wieder bewusst, weshalb es riesige Kescher gibt.
Mit 110 cm hatte ich meine Urlaubsgranate damit eingesackt aber ich denke, mein Grinsen unter der schiefen Cappy spricht für sich.
Die Schweden, denen unser Gebrüll natürlich auffiel, kamen auch hinzu. Sie gratulierten mir, betrachteten den Hecht….“Zehn Kilo hat er nicht aber ganz hübsch ist er“. Hmm okay. Andere Verhältnisse, alles klar. Ich fragte etwas verwirrt, ob das kein guter Fisch sei, da in Deutschland der Meter für mich schon als ganz ansehnlich gilt. Sie sagten, es sei auch in Schweden ein guter, aber für diesen Platz eher Durchschnitt. Mein Blick muss so verwirrt gewesen sein, dass er weit ausholte. Wir hätten Glück, diesen Spot gefunden zu haben, da ihn kaum jemand kennt und auch er ihn niemandem weiter verrät. Die Stelle ist ein Sammelplatz für Brassen vor der Laichzeit und demnach kommen dort nur Brassenfresser und solche hin, die die gleichen Ambitionen und anatomischen Möglichkeiten für ein eben solches Menü haben. Vor ein paar Wochen wurden an dieser Stelle von ihm und seinem Sohn mehrere 10kg + gefangen. Anglerlatein? Die Vermutung liegt nah aber Jens zeigte mir die Bilder und auch ihr könnt sehen, was der Typ so aus dem Wasser zerrt. (https://www.instagram.com/jenzzalures/)
Es stellte sich im Gespräch heraus, dass er Köder baut und freundlich wie er ist, schenkte er mir einen seiner Hechtgummis und lud Nicho und mich zusätzlich ein, mit ihm an nen Hafen zu fahren, wo man nachts wohl super die Großen erwischen kann. Das ließen wir uns natürlich nicht nehmen, was ein netter Kerl! Ich bin bis heute noch in Kontakt mit ihm. Wir fuhren den Hafen an und fischten drauf los. Jens fing bei einer der ersten Würfe einen Meterfisch, ich bekam einen Fehlbiss und Nicho fing einen 90er. Das alles passierte in 15 Minuten und dann war Schluss. Leider gab die Steinpackung bei der Landung nach, weshalb Nicho von nun an nur noch einen trockenen Wanderschuh hatte und am Folgetag auf Sneaker ausweichen musste. Ein astreiner Hafenfisch war es dennoch!
Wir hatten am Folgetag, der auch der Abreisetag war, noch bis um 11 Uhr zu fischen. Daher wollten wir beim ersten Licht am Spot sein. Das schafften wir auch und stellten uns auf den kleinen Steg an dem am Tag zuvor die Schweden standen. Wir kurbelten unsere Motoroillatschen im Zeitlupentempo und ich erhielt gleich zu Beginn im ersten Morgenlicht einen monströsen Biss. Mit knapp 90 cm wieder ein hammermäßiger Fisch!
Dann war Nicho an der Reihe, der nach mir rief, da der Kescher noch bei mir lag. Schnell war klar, dass der Hecht kein Ausnahmefisch darstellte aber mit Anfang/Mitte 80 aber auch definitiv nicht mehr zu den kleinen gehört. Der Durchschnitt war es, der uns so erstaunte. Aber dies untermauert nur die Aussage mit den Brassen.
Jeder Hecht, den wir fingen seit dem Vortag wirkte wie Balsam nach diesem Auf und AB….Aber das hier war echt das Paradies für jeden Hechtangler. Sowas hatten wir zumindest in puncto Durchschnittsgröße auch noch nie zuvor erlebt. Nicho wechselte die Stelle und ging an den Spot, wo ich meinen dicken am Vortag hatte. Ich stand etwas weiter hinter einem Gebüsch und hörte ihn plötzlich rufen. Der Kescher lag bei mir also rannte ich so schnell ich konnte zu ihm. Seine St Croix Bass X war bis in den Kork krumm und was sich dort unter Wasser wehrte, war verdammt lang und schwer. Der Fisch wälzte sich an der Oberfläche und wir sahen kurz den Kopf. Sie ging noch einmal nach unten und ließ sich beiziehen bis kurz vor den Kescher. Dann sahen wir nur noch wie uns das Gummi entgegenflog….Nicho war am Boden zerstört. Das noch junge Jahr 2019 stand bei ihm bislang leider insgesamt unter dem Stern vieler verlorener großer Fische und das setzte dem Ganzen die Krönung auf. Wir waren uns beide sicher, dass dieser Fisch gut möglich größer war als meiner. Das ganze wurde natürlich auch nicht besser, als ich kurz vor Abfahrt nochmals nen harten Biss auf nen MCRubber in Motoroil bekam und den gefühlt fettesten 70er Zander ganz Schwedens verwandelte. So einen Football hatte ich wirklich noch nie gesehen.
Wir packen die Ruten ein und fahren die zwei Stunden nach Trelleborg, wo wir einschiffen. Was für ein Trip, was für ein Abenteuer, was ein Wechselbad der Gefühle!
Seit der Bass Tour in Italien wissen wir, wie dicht Erfolg und Niederlage beieinander liegen können. Seit Schweden wissen wir, wie schmerzhaft und ungerecht verteilt es auch sein kann. Aber wir wären ja keine richtigen Angler, wenn wir nicht wüssten, dass sowas dazu gehört, immer wieder passiert und sich auch irgendwann ausgleicht. Zumal wir auch alle Fische als Teamfische und gemeinsam erarbeitet sehen, was sie am Ende auch sind. Jetzt bleibt eigentlich nur noch zu sagen, dass wir (auch das sage ich irgendwie immer) bestimmt wieder kommen werden. Denn Schweden macht glücklich!
Wer interessiert daran ist, was wir zwei sonst so anglerisch treiben (und sich kommende Artikel spoilern lassen will), kann uns auch gerne auf Instagram folgen.
Ansonsten bedanken wir uns zum einen bei den schwedischen Anglern, die wir kennengelernt haben, bei Johannes, der mir/uns seit Jahren mittlerweile diese tolle Plattform kostenlos zur Verfügung stellt und natürlich bei allen Lesern, die uns mit ihren Kommentaren und Feedbacks immer wieder anspornen, euch an unseren Abenteuern in Form dieser Artikel teilhaben zu lassen!
Fotos
(Nicho & Simon)
Text (Simon).