Fangberichte Streetfishing, Wolfsbarscheln und Bellyaction in Nordholland
Kann man von etwas wirklich genug bekommen? Ich meine, gibt es wirklich eine persönliche Sättigungsgrenze für die Dinge, die einem Spaß machen? Die einen so permanent mit Glücksgefühl erfüllen, dass man sie immer wieder und wieder tun will?
Travis Rice hat in wenigen Jahren mehr Titel abgeräumt, als viele andere Pro Snowboarder in ihrer ganzen Karriere. Der elffache Weltmeister im Surfen (Wellenreiten), Kelly Slater himself, jagt noch immer den Wellen auf dieser Welt nach. Und ich stelle soeben fest, dass ich die letzten 18 Monate neun Mal die deutschniederländische Grenze in Richtung Nordwesten passiert habe. Ich für meinen Teil, kann die obige Frage mittlerweile klar beantworten. Vor sechs Jahren verbrachte ich fast den ganzen Winter auf der Hütte des DAV im Vorarlberg, Österreich. Hätte mich damals jemand gefragt, ob ich Boarden jemals für irgendetwas tauschen würde und ob ich nicht schon genug habe? Niemals.
Ich glaube, wenn man von einer Tätigkeit ungemein positiv geflasht wird, dann sollte man diese kreativ-inspirierenden Momente gänzlich auskosten. Was macht denn bitte mehr Spaß als stetige Erkenntnisse über etwas zu bekommen, dass einem dann noch mehr Genuss bereitet?
Beim Streetfishing in Amsterdam ist es neben dem Charme der schönen Häuser, der unterschiedlichsten Grachten, der farbenfrohen Häuser natürlich die vor allem (für uns) die unglaubliche Vielfalt in der Struktur des Gewässers. Das Ganze gepaart mit dem rauen urbanen Charme, den die wildesten Bauten aus Stahl und Beton innehaben, ist einfach Soulfood. Man findet in diesem Dschungel der menschengemachten Stadtkultur immer wieder neue Stellen, die einen für die Suche belohnen. Letztendlich ist es aber der Spirit, der unabhängig der örtlichen Gegebenheiten uns in einen Art mentalen Flow versetzt und wir als Angler unterwegs alles Außenstehende vergessen und nur diesen Moment mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit erleben. Ich empfinde es beinahe schon, als wäre man auf einer Ebene abwesend und trotzdem hochkonzentriert in der Gegenwart.
Da muss ich selber schmunzeln, aber ich denke ihr wisst alle, was gemeint ist. Ich stelle mir manchmal vor, was ein „normaler“ Mitbürger denkt, wenn ich ihm erzähle, dass ich mich in der Nähe gusseiserner Wehranlagen, hölzerner Brücken, Schiffsanlegern und Schleusenbereichen besonders wohl fühle …
Nachdem ich mit Nicho und Rick auf dem Campingplatz Vliegenbos einen soldiden Service genießen konnte, fragte ich auch diesmal dort für uns beide nach. Es sind meistens ausreichend Zeltplätze frei, zur Hochsaison sollte man sicherheitshalber rechtzeitig vorher anrufen. Das Personal ist durchaus sprachlich fähig und zudem äußerst hilfsbereit.
Dieses Mal sollte uns bewusst sein, dass am ersten Wochenende in der Nähe einige Festivals veranstaltet würden und Camping Vliegenbos der Gastplatz für die Technos sei. Kein Problem, könnte lustig werden und dank je vel J
Die Kleinteil- und Köderbestellungen gingen raus, das Tackle wurde auf Betriebsmodus gestellt und nach dem Wettercheck wurde eine Gewässervorauswahl getroffen. Amsterdam inklusive westliche Shoreline (ca. 15 km), der Pikepark plus ein Nebengewässer und als Novum wollten wir dieses Mal bei Ijmuiden an der Nordsee fischen. Denn endlich mal einen Wolfsbarsch auf Kunstköder zu fangen, wollte ich schon sehr lange! Auch wenn die Saison laut Web erst Juli und August beginnt (der Wolfsbarsch mag warmes Wasser und kommt erst im Verlauf des Jares küstennah), war ich echt gespannt.
Da ich keine Gewässerkenntnis hatte und sich mein Wissen um die Wolfis quasi um den Nullpunkt bewegte, lag während der gesamten Planung mit den Bellies schon ein wenig Exkursionshauch in der Luft. Endlich war es soweit und wir brachten die knapp fünf stündige Fahrt an einem Donnerstagmorgen entspannt hinter uns. Um halb elf kamen wir bei strahlendem Sonnenschein in Amsterdam Noord an. Wir suchten uns ein Plätzchen im Schatten nahe einer Hecke, bauten unser Zelt auf und verluden den kompletten Passatinhalt in das 8-Personen-Zelt. Wir mieteten zwei Fahrräder bei dem dem Campinplatz zugehörigen Fahrradverleih und gegen Mittag saßen wir aufgetackelt und mehr als heiß aufs Angeln auf den Bikes in Richtung Wasser.
Wir fuhren die ersten Spots an und es dauerte auch nicht lange, bis die ersten Bisse kamen. Kleine Zettis und jede Menge mittlerer Barsche waren schon mal gar keine so schlechten Vorzeichen. Letztendlich war es genau das, was wir uns erhofft hatten. Solide Beisszeiten, Kurzweiligkeit und gut kalkulierbare Mittagspausen, in denen man guten Gewissens chillen konnte, ohne großartig was zu verpassen. Ein Sommer wie im Bilderbuch. Da es zeitweise sehr heiß war, verzichteten wir darauf, die tagsüber doch recht sensiblen Zettis lange an der Kuft zu halten.
Auch die Brücken außerhalb des Zentrums brachten hier und da ein paar Barsche, jedoch pendelte sich die Größe langsam aber sicher zwischen 20 und 30 cm ein. Gerade wenn sich die morgendliche Fressorgie an den offenen Stellen mit hohen Lichteinfall einstellten, konnte man an lange Brücken mit großen Schattenflächen immer noch den ein oder anderen extra Streifer einsammeln.
Am dritten Tag war ein Wetterwechsel vorausgesagt, was sich gegen Nachmittag durch einen rasanten Temperatursturz, Gewitter und einen Platzregen vom Feinsten bemerkbar machen. Alle, die sich die Auswirkungen jetzt gerade ausmalen, werden bestätigt. Schluss war‘s mit der Beißerei und damit meine ich wirklich Schluss. Es gab keinen einzigen Zupfer mehr. Gegen Abend wollte ich es amtlich haben und ging nochmal alleine los in die Dunkelheit. Ich fing, um es vorweg zu nehmen, bis nachts um 12 keinen einzigen Fisch. Auch der kommende Tag verlief nahezu ohne Aktion und so beschlossen wir, die Spezies und das Revier zu wechseln.
Nachdem ich mich zuvor auf www.wolfsbarsch.com (Danke Rob, dass du dein Knowledge jederman auf so großartige Weise zur Verfügung stellst) noch ein wenig eingelesen hatten, packten wir Regenklamotten und Proviant ein und machten uns auf den Weg zum Hafen von Ijmuiden. Die Crostage und der DC 9 Bullet sollten zeigen, zu welchem Zweck sie ihr Dasein rechtfertigten.
Wir kamen an und schon beim Aussteigen aus dem Auto wehte uns eine steife Brise um die Ohren. Kaum hatten wir den Parkplatz im Schutz der Dünen überquert, peitschte uns der Wind erst so richtig ins Gesicht. Allein schon der Anblick der gefühlt zweihundert Kite-Surfer und ihren artistischen Flugeinlagen machten die 15 Gehminuten entlang der Dühnen zur Mole zu einem Erlebnis.
An der Steinpackung angekommen sahen wir schon die Möwen stechen und eine Mischung aus Optimismus, Nervosität und Anspannung machte sich bemerkbar. Dennoch mahnte ich mich zur Ruhe, um vorsichtig über die mannshohen Steinquader zu klettern. Ich rate auch jedem, trotz festem Schuhwerk, genau darauf zu achten, wo man hintritt und sich sicherheitshalber erst mal von den gischtnassen und algenbewachsenen Flächen fernzuhalten. Gerade bei Ebbe ist man versucht, nah ans Wasser zu kommen und dass man auch leicht ausrutscht, merkte ich bereits schmerzlich beim ersten Antesten.
Wir feuerten unsere Hardbaits mit dem Wind in die Hafeneinfahrt und kurbelten diese dann gemächlich ein. Da ich mich nach wie vor als absoluten Wolfsrookie sehe, versuchte ich mich stur an alle Tipps von Rob und Nicho zu halten und kurbelte den köder mit leichten unregelmäßigen Twitches gemächlich ein. Auch den zweiten Wurf, den ich parallel zur Steinpackung setzte, versuchte ich in moderatem Tempo durchzuführen. Urplötzlich bekam ich einen Anfasser und Sekundenbruchteile später den Megaeinschlag. Die Crostage stand krumm und der Fisch bugsierte sich mit aller Gewalt (und davon war eine gute Portion zu spüren) in Richtung Grund. Sofort schossen mir die scharfen Steinkanten und die Muscheln zu meinen Füßen durch den Kopf und ich gab dem Fisch keinen Zentimeter Schnur. Was dann an die Oberfläche kam löste nicht nur wildes Jubelgeschrei aus, sondern auch die Erkenntnis, dass mich dieser knapp 25 cm lange Wolfbarsch doch ziemlich überraschte. Nicht nur der vehemente Biss, sondern vor allem die Kampfkraft, die der Kollege aus der Nachwuchsabteilung an den Tag legte, sorgte bei mir auch jetzt für Staunen. Ich hatte zwar schon von der Power dieser Wesen gehört, war mir aber nun Gewiss, dass ein Fisch jenseits der 50 cm (wovon ich unbedingt einen fangen wollte) durchaus ein Gefühl der Bedrängnis auslösen könnte.
Scheinbar hatten wir bei zunehmender Flut ein Rudel gefunden und es folgten in der kommenden Stunde noch weitere Fische der gleichen Größe, Fehlbisse und Aussteiger. Kurz nachdem die Flut ihren höchsten Stand hatte, bekam ich dann noch einen Biss, den ich im klaren Wasser vor meinen Füßen sehen konnte. Er schnappte sich den Bait kurz vor meinen Füßen. Nun wusste ich auch, weshalb man für diese Barschart durchaus robustes Gerät fischen sollte. Denn auch wenn dieser Enddreißiger noch gut zu kontrollieren war, gab mir der Fisch richtig zu spüren, was in ihm steckt. Richtig hektisch wurde es allerdings erst bei der Landung. Der Fisch klinkte sich beim Anheben leider aus und fiel zwischen zwei der o.g. mächtigen Felsblöcke.
Da sah ich ihn also ca. 1 Meter unter mir in einer mit Wasser gefüllten Felsspalte liegen und die einsetztenden Ebbe würde ihm kein schönes Ende bereiten. Also legte ich den Slingback und meine Rute zur Seite, kraxelte auf allen Vieren die rutschigen Steine hinunter, legte mich auf den Bauch und versuchte so den Barsch aus seiner misslichen Lage zu befreien. Seit dieser Rettungsaktion weiß ich, wo Wolfsbarsche ihre Waffen versteckt haben. Ich versuchte ihn im Maul zu fassen und während er wild um sich schlug, bekam ich die scharfen Kiemendeckel, die Kammstacheln und die Gischt der Wellen auf meinem Beinkleid abwechselnd zu spüren. Letztendlich gelang es mir jedoch den Unterkiefer einhändig zu fixieren (mit der anderen Hand klammerte ich mich am Felsen fest, um nicht abzurutschen) und konnte ihn befreien.
Mehr als glücklich und zufrieden beschlossen wir die Heimfahrt anzutreten. Nicht jedoch ohne uns vorher mit Bitterballen und Garnelenkroketten zu stärken ;) Am nächsten Morgen bekamen wir Besuch aus Heidelberg. Mein Freund Jörk aka. Skipper schlug neben uns sein Zelt auf und mietete sich für zwei Tage ebenfalls ein Fahrrad. Da er mit dem Fernbus anreiste, hatten wir sein Bellyboat plus Equipment im Auto mitgenommen. Da Skipper ein ausgesprochener Fan von Knackwurst, Käsewürfel und generell Naturköder ist, war es auch wenig überraschend, dass er sich zwei Packungen Tauwürmer aus dem heimischen Bestand mitgenommen hatte. Mit einem Grinsen im Gesicht erklärte er uns, dass er vorhabe damit zu Dropshotten und er sich damit erhoffe, ein wenig die Artenvielfalt des Ij und seiner Nebengewässer zu erkunden. Während wir also eifrig weiterjiggten und dem erfolgreichen Köder- und Führungsstil treu blieben (Shads zwischen sechs und zehn Zentimetern am leicht überbleiten Jigkopf/Chebu,) fing Skipper an einem Tag Barsche, Zander, Rotaugen und Brassen. Dank des langen Streetkeschers konnten die Klodeckel auch am Pier der NSDM sicher gelandet werden und verliehen unserer Dreiercrew zusätzlich noch authentischen Geruch bei den Fährüberfahrten :)
Am Nachmittag des Folgetages, als der Himmel langsam zuzog, wagten wir einen Versuch im Pikepark. Auf einen ganz langsam über das Kraut geführten MC Mio bekam ich dann nach ein paar Fehlbissen endlich einen harten Biss. Zum Vorschein kam ein wunderschön gezeichneter Hecht. Leider wurde das Wetter wieder schlechter, der Wind frischte zunehmend auf und dicke, schwarze Gewitterwolken bauschten sich drohend auf. Wir zogen vom Teich…
Am Folgetag fuhren wir mit dem Kopf voller toller Erlebnisse und neuer Erkenntnisse wieder nach Heidelberg. Jetzt sitze ich hier, genieße noch einmal den Flashback beim Tippen und stelle fest: Ich habe noch immer nicht genug!
Danke für den Support geht raus an Rob Staigis, Johannes Dietel, Camping Vliegenbos und Anna.
Tot ziens.
euer Simon / aspiusfan
Fotos: Campin Vliegenbos, Rob Staigis, Anna und Simon