Tackle-Tipps Stationär- vs. Multirolle – ein Vergleich von til
Kürzlich erst habe ich mit Uwe darüber diskutiert, ob es nicht sinnvoll wäre, sich beim schweren Spinnfischen künftig auf eine Multi zu verlassen. Schließlich angeln die Amis fast ausschließlich mit Baitcating-Rollen und fangen auch ihre Fische. Den Hauptvorteil sah ich in der Robustheit der Teile. Es ist einfach unmöglich, die Achse einer Multi zu verbiegen. Ganz im Gegenteil zu den Achsen von Stationärrollen. Keine Ahnung, wie viele ich da schon geschrottet habe. Teilweise durch eigenes Verschulden (z.B. beim Hängerlösen mit Geflochtener), teilweise haben Fische diese Aufgabe übernommen (z.B. die Köhler in Norwegen) und teilweise kann ich mir den Materialverschleiß dann auch nicht so recht erklären.
Sei’s drum. Jedenfalls hab ich mich schlau gemacht und im Internet ein wenig zu diesem Thema recherchiert. Und da bin ich auf eine sehr informative Homepage gestoßen, die den schönen Titel „Spinnfischen auf Raubfische“ trägt. Die ist übrigens von unserem Club-Mitglied til. Hier fand ich eine sehr schöne Gegenüberstellung, die ich Euch mit til’s Erlaubnis präsentieren darf. Danach wisst Ihr jedenfalls mehr…
Kriterium | Stationär | Multi |
Ködergewicht | Super bei leichten ködern, zunehmend unangenehm bei Ködergewichten von 45g oder mehr. | Ab 30g auch durch Anfänger zu beherrschen. Je leichter und windfängiger der Köder, umso schwerer wird’s. bei 5g ist auch für die meisten Profis Schluss. |
Köderflug | Bei Ködern mit mehreren Drillingen und unruhigem Flugverhalten verheddert sich oft ein Drilling in der Schnur. Ausserdem nimmt die Flugbahn oft krumme Formen an | Durch den konstanten Widerstand der ablaufenden Schnur ist diese stets relativ gestreckt: der Köder wird im Flug stabilisiert, Verwicklungen sind viel seltener und die regelmäßige Flugbahn erhöht die Zielgenauigkeit. |
Wurfpräzision | In den meisten Fällen sind die Würfe präzise genug, aber vor allem überhängende Bäume u.ä. können sehr störend sein. | Der ruhige und lockere Wurfstil fördert die Präzision, die gestreckte Schnur erleichtert es, unter überhängende Bäume und Brücken zu werfen. |
Platzbedarf beim Wurf | Oft reicht es, die Rute durch eine Lücke im Gebüsch zu stecken, um einen passablen Wurf zu machen. Ideal an Verwachsenen Ufern. | Die ruhige fließende Bewegung beim Wurf erfordert Platz, ideal vom Boot aus. |
Köderverhalten nach dem Einwurf | Der Köder kann nach dem Auftreffen aufs Wasser praktisch ungehindert senkrecht absinken. | Wenn der Köder im Wasser sinkt, wird von alleine kaum Schnur von der Rolle gezogen, ein senkrechtes absinken lassen ist nicht ohne weiteres möglich. |
Fehlertoleranz | Die Stationärrolle ist grundsätzlich gutmütig, wenn auch die Köderverwicklungen etwas nervig werden können. Davon abgesehn macht sie aber bei Gegenwind kaum Probleme. | Die Multirolle erfordert etwas Übung, vor allem wenn man größere Weiten mit leichteren Ködern erzielen will. Gegenwind kann sehr unangenehm sein. |
Wurfgewichtsbereich | Ködergewicht ist ziemlich unabhängig von der Rollengrösse, wird eher durch Schnurdurchmesser und Rute begrenzt | Leichte Köder erfordern eine kleinere Rolle (leichterer Spule). Jede Multi hat ein unteres Ködergewicht, welches sich noch sinnvoll werfen lässt |
Ruten | Grosse Auswahl an Ruten. | Hierzulande nur eine sehr beschränkte Auswahl an geeigneten Ruten mit Triggergriff |
Schnureinzug | Eine Stationärrolle hat in der Regel einen schnelleren Schnureinzug, als eine vergleichbare Multi und lässt sich auch besser schnell kurbeln | Die kleinen Kurbeln und relativ geringen Spulendurchmesser machen den schnellen Schnureinzug zu einer Geschicklichkeitsübung. Die langsame Köderführung dagegen zu einem Vergnügen. |
Schnurverschleiss | Das Umlenken der Schnur am relativ engen Durchmesser des Schnurlaufröllchens bedeutet Stress für die Schnur, ebenso die systemimmanent ständige Verdrallung | Die Schnur wird in direkter Linie auf die Spule gewickelt und ist weder dem Drall noch dem Abwinkeln übers Schnurlaufröllchen ausgesetzt. |
Umsteigen von Stationär auf Multi
Die meisten Angler in unseren Breitengraden fangen mit der Stationärrolle an und das aus gutem Grund: Sie ist einfacher zu werfen. Dieser schlichten Tatsache sollte man sich bewusst sein, wenn man den Umstieg wagen will. Insbesondere bei der Wurfweite sind am Anfang, und das heißt, je nach Geschicklichkeit, in den ersten Monaten bis Jahren, keine der Stationärrolle vergleichbarer Resultate zu erwarten. Allerdings muss man ja meistens nicht wirklich weit werfen beim Spinnfischen. Andererseits bietet die Multirolle beim Fischen mit Schweren Ködern ab c. 30g doch ein paar wesentliche Vorteile: Die Drillinge der Wobbler verfangen sich kaum noch in der Schnur und die unangenehme Belastung des Zeigefingers fällt weg. Überhaupt lassen sich schwere Köder mit der Multi besser handhaben, da beim Wurf viel weniger Gewalt erforderlich ist und beim Einkurbeln mehr Kraft rüberkommt. Entspanntes Angeln ist auch mit Jerkbaits von 60-100g möglich. Als Umsteiger von der Stationärrolle sollte man beachten:
- Linkshand Multi
So kann man wie gewohnt kurbeln, es gibt schon genug zum umgewöhnen.
- Triggergriff
Mit einem Triggergriff hat man die Rute viel besser in der Hand, sonst fehlt einem die Stabilität, die der Rollenfuss zwischen den Fingern bei der Stationärrolle bietet. Das Wurfgewicht sollte hoch sein, weil es auch besser ist, mit schweren ködern anzufangen.
- Schwere Köder
Mit Ködergewichten von mindestens 25g, besser 30 und mehr stellen sich sehr schnell Erfolgserlebnisse ein. Bei leichteren Ködern empfiehlt es sich eher dickblechige Blinker und Gummiköder mit anständigen Bleiköpfen zu verwenden, als Wobbler mit geringem spezifischem Gewicht oder Spinner.
- Daumen!
Der Daumen ist das wichtigste beim Angeln mit der Multirolle. Er sollte beim Wurf immer ganz leicht in Tuchfühlung mit der rotierenden Spule, resp. der davonschießenden Schnur sein. Sobald der Köder auf der Wasseroberfläche auftrifft, stoppt der Daumen die Rotation der Spule. Wenn man langsam übermütig wird, und anfängt die Wurfbremse zu lösen, spürt am Daumen die beginnende Perücke und kann dann die Bremskraft verstärken.
- Perückenlösen
Perücken werden am Anfang unweigerlich auftreten, sind aber meist relativ einfach zu lösen, wenn sie nicht gerade durch eine völlig unkontrolliert rotierende Spule entstanden sind: zunächst A) Daumen fest auf die Spule und Schnur abziehen, bis es blockiert. Jetzt die Schlaufe identifizieren, welche die abziehende Schnur gefangen hat, die Schlaufe nach hinten rausziehen, bis die Schnur wieder frei abläuft und weiter bei A). Ich habe den Eindruck, das auf Multis, im Gegensatz zu Stationärrollen, geflochtene Schnüre die gutartigeren Perücken verursachen als Monofile.
- Keine Gewalt
Der Wurf soll und muss immer viel weicher erfolgen, als bei der Stationärrolle. Meine meisten Verwicklungen habe ich mir bisher eingefangen, weil ich ganz automatisch mit mehr Kraft größere Weiten erzielen wollte. Bei der Stationärrolle geht das, bei der Multi nicht (jedenfalls nicht als Anfänger). Lieber vorsichtig die Bremse etwas aufmachen.
- Seitlich Werfen
Aus irgendeinem Grund kommen viele Anfänger mit einem seitlichen Wurf, egal ob Vor- oder Rückhand, viel besser klar, als mit dem „klassischen“ Überkopfwurf. Wahrscheinlich weil man die seitlichen Würfe viel eher weich ausführt.
- Besser werden, mit den Bremsen spielen
Irgendwann ist man kein ganz blutiger Anfänger mehr, der Daumen verhindert ab und zu eine sich aufbauende Perücke im Flug und es wird zeit, sich um die Bremsen Gedanken zu machen. Der von außen zu erreichende Knopf ist dabei das erste Opfer, wir können ihn gefühlvoll immer etwas weiter aufdrehen, bis wir wieder die geliebten Perücken kriegen. Die konservative Einstellung dieser Wurfbremse wird meist so beschreiben: Freilauf ein und Bremse so einstellen, dass der Köder bei Waagrecht gehaltener Rute und leichtem Schwippen der Rutenspitze so gerade eben in Bewegung kommt. Eine etwas leichtere Einstellung sagt, der Köder soll fallen, aber beim Auftreffen auf dem Boden, soll die Spule aufhören zu rotieren. Die eingefleischten Daumenbremser sagen: die Bremse ist soweit aufzudrehen, dass die Spule eben noch ohne Spiel rotieren kann. Dann gibt es noch die Fliehkraftbremse (oder manchmal Magnetbremse), die oft von aussen gar nicht zugänglich ist. Dabei lohnt es sich durchaus, auch diese Bremse mit zunehmender Übung zu reduzieren. Die Fliehkraftbremse ist vor allem in der Anfangsphase des Wurfs wirksam, die Schleifbremse eher gegen Ende des Wurfs. Wenn man also Perücken gleich am Anfang hat, sollte man die Fliehkraftbremse erhöhen oder lockerer Werfen, Perücken am Ende des Wurfs, sollten eher mit der Schleifbremse oder dem Daumen kontrolliert werden. Und bei Perücken in der Mitte des Wurfs ist’s halt schwer zu sagen…