Zander Räuber im Vollmondrausch
Nicht immer verhalten sich unsere räuberischen Freunde im Schuppenkleid so, wie wir das gerne hätten. Mal präsentieren sie sich topp motiviert und nehmen jeden Köder schon beim Absinken, mal machen sie tagelang die Futterlucke dicht und verweigern auch den kunstvollst präsentierten Köder. Von den vielen verschiedenen Faktoren, die die Grundlage für die jeweilige Laune bilden, kennen wir eine ganze Menge: das Futterangebot, die Wassertemperatur, der Luftdruck, der Sauerstoffgehalt des Wassers, die Wassertrübung die Windrichtung oder die Wetterlage sind einige davon. Ein ganz besonderes Augenmerk aber sollte man auch den Mondphasen widmen. Denn wenn der Vollmond scheint, drehen die Raubfische durch. Und das am helllichten Tag! Das gilt vor allem für die eher nachtaktiven Fische wie Zander oder Wels. Aber auch Hechte beißen zumindest im Sommer tagsüber besonders gut, wenn der Himmel nachts hell erleuchtet ist.
Andere Sichtverhältnisse – bessere Chancen
Dieses Phänomen fußt auf dem Beuteschema und dem Jagdverhalten der eigentlich bevorzugt im Schutze der Nacht angreifenden Räuber. Sobald sich die Beutefische von der Dunkelheit haben einlullen lassen, kommen die Jäger aus ihren Verstecken und Ruhestätten hervor und vergehen an den Jungfischen. Dank ihrer hervorragend ausgebildeten Sinnesorgane sind die Räuber nachts im Vorteil. Beim Zander sind die Augen besonders groß und über in der Netzhaut befindet sich eine lichtreflektierende Schicht, die dem Fisch eine überragende Sehkraft verleiht. Der Wels wiederum nimmt die leiseste Vibration einer Schwimmflosse mit seinem Weber’schen Apparat wahr. Das sind ein paar Knöchelchen, die die Schallschwingungen der Schwimmblase weiterleiten und sozusagen als das Gehör der Fische fungieren. Diese sind beim Wels sehr gut ausgebildet. Durch die gute Schallleitfähigkeit des Wassers kann der große Räuber also kleinste Schwingungen in seiner Umgebung vernehmen. Und auch der Hecht, der landläufig eher als Augenräuber eingestuft wird, verfügt über einen guten Geruchssinn und ein empfindliches Seitenlinienorgan. Beide Organe helfen auch ihm dabei, nachts Beute zu machen. Aufgrund dieser verschiedenen Merkmale sind unsere drei größten Räuber wie für die Jagd im Trüben und Dunklen geschaffen, während die ahnungslosen Opfer eine sehr leichte Beute darstellen. Im Gegensatz zu den Räubern, die ihre Beute exakt anpeilen können, sind die Weißfische nachts hilflos, weil nahezu blind. Wenn die Jäger von den Scharkanten aus in über ihre Beute herfallen, gibt es kein Entrinnen mehr. Eine durchaus komfortable Ausgangssituation also für Zander und Co.
Doch bei Vollmond ändern sich die Verhältnisse. Und zwar grundlegend. Besonders wenn die Nächte klar sind und der Mond hell vom Firmament aufs Wasser strahlt. Dadurch dass die Sichtverhältnisse nun besser sind, haben die kleinen Fische während der Vollmondphasen wieder weitaus Karten, die Nacht zu über- und den nächsten Tag zu erleben. Sie nehmen die Raubfische nun schneller wahr und können rechtzeitig vor dem feindlichen Übergriff entfleuchen. Dieser Umstand frustriert die Räuber nicht nur – er fährt ihnen auch sprichwörtlich in den Magen. Denn der bleibt dann weitgehend leer. Hunger ist die Folge. Damit steigen plötzlich die Chancen für uns Angler. Vorausgesetzt, dass man die Fische aufspürt, kann man tagsüber nun wahre Raubfischfestivals erleben.
Im Bann der Peene-Wehrwölfe
Eines meiner schönsten Vollmond-Tag-Erlebnisse ist noch gar nicht so lange her: Im Juni diesen Jahres war ich zum ersten Mal zum Angeln am Peenestrom. Ich hatte von den guten Zanderfängen gehört und mich für einen Tag bei einem Guide von Stephan Hackbarth in Wolgast eingeklinkt. Zwar hatten wir einen schönen Hecht und auch ein paar ganz gute Zander. Doch Thorsten, der Guide, war nicht ganz zufrieden. „Warte mal ab. Ich ruf‘ Dich demnächst mal an, wenn es richtig kracht.“ Eine Woche später klingelte mein Telefon. „Johannes, hast Du morgen Zeit? Die Zander sind gerade richtig juckig. Du weißt schon: Vollmond!“
Das hatte ich auch schon bemerkt. Denn wenn der Mond voll vom Firmament powert, komm ich kaum zur Ruhe. Das Aufstehen am nächsten Tag viel deshalb auch um 4 nicht schwer. Wenig später war ich auf der Piste von Berlin nach Wolgast. Und Thorsten hatte nicht zuviel versprochen. Dieser Tag zählt zu einem meiner genialsten Angelerlebnisse schlechthin. Nicht dass wir besonders große Fische gefangen hätten. Das ist ja auch ein wenig Glücksache. Aber als wir die Fische vor der Rute hatten, war die Bissfrequenz einfach umwerfend. In der heißen Phase (zwischen 15 Uhr und 18 Uhr) hat es derart gescheppert, dass ich aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen bin. Fast jeder Wurf ein Biss. Zwar haben mir Thorsten und sein Kollege Christian dann ganz schön einen vorgeangelt, aber dazu sind sie ja auch Lokalmatadore. Ich weiß nicht mehr genau, wie viele Fische wir letztendlich landen konnten, es waren jedenfalls so viele, dass mir das Zählen zu müßig wurde. Außerdem sind in solchen Beißphasen ja nicht nur die Fische außer Rand und Band… Bevor wir jedoch so richtig loslegen konnten, stand erst einmal das Aufspüren der Fische und die optimale Köderwahl an. Deshalb gibt’s jetzt noch ein wenig Zandertheorie für Peene-Interessierte:
Suchen oder warten?
Da unsere Freunde mit der Stachelflosse schlecht sichtige Gefilde eindeutig bevorzugen und auch nicht gerade auf warmes Wasser stehen, findet man sie tagsüber meist in Vertiefungen. Strukturen wie Löcher in den Fahrrinnen, die meist einen harten Untergrund aufweisen oder Steinpackungen in Wassertiefen von über vier Metern sind klassische Aufenthaltsorte. Hier werden sich die Fische sicher irgendwann einmal am Tage einfinden. Will man mit ihnen in Kontakt kommen, bieten sich zwei verschiedene Strategien an. Besonders wenn das Revier eine Menge potentieller Aufenthaltsorte bietet. Zum einen könnte man sich an einen Hotspot stellen und darauf warten, dass ein Schwarm vorbeikommt. Der Vorteil dieser Methode ist, dass man auf jeden Fall am Platz ist, wenn die Zander eintreffen. Wenn sie diesen Platz allerdings auslassen, bleibt man allerdings Schneider.
Die andere Variante ist, den Fisch aktiv aufzustöbern, indem man einen Hotspot nach dem anderen abfährt und einige Minuten mit mehreren Ködern fächerförmig abfischt. Wenn Zander da sind, beißen sie normalerweise auch, so dass man nach einigen Würfen den Platz wechseln kann. Die aktive Suche an mehreren fischträchtigen Stellen verspricht mehrere Treffer, birgt aber auch gleichzeitig das Risiko, dass man immer zur falschen Zeit die eigentlich richtige Stelle abklopft. Schon Minuten nachdem man einen Platz verlassen hat, können sich die Fische dort einfinden. Auch hier ist der Erfolg also nicht wirklich garantiert. Bei uns hat es so aber ganz gut geklappt. Und auch die meisten erfahrenen Angler, mit denen ich über diese beiden Vorgehensweisen gesprochen habe, gehen lieber aktiv auf die Suche.
Top-Köder Gummifisch
Der beste Köder für die tiefstehenden Peenezander ist der Gummifisch. Die meisten Bisse provozieren relativ aggressiv über den Boden springende Shads. Die Köderführung richtet sich auch nach der Strömung. Wenn man den Köder gegen die Fließrichtung führt, braucht er etwas länger um hinabzutaumeln. Das macht es dem Zander leicht, die vermeintliche Beute zu verfolgen. Je nach Strömungsstärke genügen ein bis zwei blitzschnell ausgeführte Kurbelumdrehungen, um den Köder abzuheben. Dann wartet man, bis das Fischimitat am Grund aufprallt und lässt ihn kurz liegen. Dann wieder das gleiche Muster. Ab und zu sollte man variieren und den Gummifisch entweder schneller oder langsamer führen. Hat man einmal einen Biss, wiederholt man das gleiche Schema und kann einigermaßen sicher sein, dass noch ein Kollege zupackt.
Auch das Gewicht des Bleikopfes richtet sich nach dem Wasserdruck und selbstverständlich auch nach der Gewässertiefe. Im Peenestrom dürfen es bei starkem Ein- oder Ausstrom schon mal mindestens 30 Gramm sein. Da Zander trübe Gewässer bevorzugen, machen sich auffällige Köderfarben besonders gut. Lemmon, Knallgelb, Rotorange, Pink oder andere Schocker erregen da unten allerhöchste Aufmerksamkeit. Und wenn diese Farben nicht ziehen, bringt es oft ein Realo-Shad im Fischdesign. Meistens lohnt es sich, einen Zusatzdrilling hinter dem Einfachhaken anzubringen, damit man auch die spitz beißenden „Schwanzdiebe“ zu fassen bekommt. Der Drilling kann an manchen Tagen absolut fangentscheidend sein.
Je stärker die Strömung, desto williger nehmen die Zander den Köder und desto unwichtiger der Zusatzdrilling. Sobald die Strömung aber nachlässt, ist der Zusatzdrilling integraler Bestandteil der Montage. Denn es ist schon ärgerlich, wenn man zwar Bisse bekommt, aber außer abgerissenen Schaufelschwänzen oder Bissspuren am Köder keine nennenswerte Erfolge erzielt.*
Fazit: Zusammen mit Ostwind ist der Vollmond ja einer der Gründe, weshalb viele Angler vom Wasser fortbleiben. Zumindest tagsüber sollten Sie Vollmondphasen aber vielleicht doch mal zu einem Ausflug ans Gewässer nutzen.
Wenn Sie alles richtig machen, wird sich die Exkursion sicher lohnen. Für alle Raubfischfreunde. Denn die kleinen Fische sind in Vollmondnächten ja wie gesagt nicht nur vor Zandern sicher. Und was im Juni am Peenestrom funktioniert, klappt vielleicht schon jetzt auch bei Ihnen zu Hause.
Viel Erfolg!