Barsch Ring frei – Vertikalangeln vom Bellyboat
In Holland kreisen extrem viele Raubfischangler mit dem Bassboat über den Zander- und Barschschwärmen, um diese mit chirurgischer Präzision zu befischen. Das „Verticalen“, wie das Vertikalangeln auf holländisch heißt, hat sich bei unseren Nachbarn flächendeckend durchgesetzt. Den meisten Anglern hierzulande fällt der Einstieg schwer, weil sie Angst vor der Investition in ein teures Boot haben. Schließlich sind die klassischen Boote zum Verticalen extrem gut ausgestattet: Ein starker Verbrenner bringt die Kollegen schnell an die verschiedenen Plätze. Dort werden erst einmal die Echos ausgewertet, die das möglichst feine Lot liefert. Sind erst einmal einige Zander ausgemacht, lassen sich die Cracks langsam vom (bzw. von den) oft fußgesteuerten E-Motor(en) über die Fische ziehen.
„Vertikal“ geht auch mit einfachen Mitteln! Mit dem Bellyboat zum Beispiel. Natürlich muss man in Kauf nehmen, dass man in dem Luftkissen weit langsamer als mit dem Ruder- oder Motorboot unterwegs ist. Das führt zu nicht unerheblichen Zeitverzögerungen beim Aufspüren der Fische. Dieses Manko kann man aber umgehen, indem man sich im Vorfeld schon einmal Gedanken über das optimale Bellyboat-Gewässer macht.
Optimale Bellyboat-Gewässer
Bei der Gewässerwahl ist dringend zu beachten, dass man relativ zügig an die Einstände und Futterplätze der Räuber herankommt. Entsprechend suche ich mir gerne übersichtliche Gewässer oder zumindest Zonen aus, an denen die einzelnen Hotspots nahe beieinander liegen. So kann ich mit einem Platzwechsel reagieren, wenn es an einer guten Stelle einmal nicht beißen sollte. Aber nicht nur die Gewässergröße spielt eine Rolle bei der Wahl. Auch die Tiefe ist entscheidend. Erwiesenermaßen hat ein Bellyboat eine wesentlich kleinere Scheuchwirkung als ein beliebiges Angelboot. Doch konnte z.B. unser Freund jackazz beim Zanderangeln in relativ flachen Gewässern immer wieder beobachten, dass sich die Sicheln auf dem Echolot, die unter dem Bellyboat stehende Zander anzeigen, ziemlich schnell in Luft auflösen, wenn man über die Fische paddelt. Deshalb muss man sehr behutsam vorgehen und kann es an zu flachen Stellen eigentlich gleich lassen. Solche Spots kann man ja auch vom Bellyboat aus mal anwerfen. Vertikalangeln auf scheue Zander macht erst ab einer Tiefe von ca. 2 m Sinn. Trübes Wasser spielt uns zumindest beim Zanderzupfen zusätzlich in die Karten.
Verticalen am Unterholz
Jetzt im Sommer macht mir das Vertikalangeln vom Bellyboat am meisten Spaß. In der Badeshort hält man es stundenlang im Wasser aus und währen die Kollegen auf den Booten schwitzen, sind kühle Waden bei Bellyboatlern inklusive. Weil man jetzt aber ganz dicht an die Fische herankommt und sie teilweise auf Sicht befischen kann, steigt die Fieberkurve trotzdem steil nach oben. In der warmen Jahreszeit stehen die Kleinfische geballt in den Kronen ins Wasser gefallener Bäume.
Oft halten sich die Räuber exakt eine Etage tiefer auf. Was für den Wurfangler zur teuren Köderfalle wird, ist das perfekte Jagdrevier für den vertikalangelnden Bellyboatbesitzer! Wer leise und langsam mit dem Bellyboat an die Bäume heranfährt und seinen Köder durchs Astwerk nach unten manövriert, kann zu jeder Tageszeit mit Bissen rechnen. Nur nicht zuviel paddeln! Am besten ist es, sich ganz dicht am Holz zu halten und beim Fischen mit einer Hand am Baum zu „verankern“. In klaren Gewässern kann man die Barsche oft sehen. Wenn man sich einigermaßen ruhig verhält, bleiben sie auch unter dem Bellyboat, wenn man über ihnen steht. Mit dem Ruderboot würde man diese Fische garantiert verscheuchen. Um möglichst viele Bäume am Tag nach Barschen abzuchecken, nehme ich mein Belly auch manchmal mit in den Angelkahn, fahre die einzelnen Bäume zügig ab und steige dann aufs Beiboot um. Wenn man sich am Astwerk entlang zu den Barschen durchhangelt, benötigt man nicht einmal Taucherflossen.
Verticalen „klassisch“
Zum Herbst hin verziehen sich die Hechte, Zander und Barsche in tiefere und ruhigere Regionen, z.B. in Baggerseen mit Flussanbindung. Jetzt wird’s ein bisschen schwerer, die Objekte der anglerischen Begierde aufzuspüren. Die typischen Hotspots sind Barschberge, Scharkanten, Löcher, Steinpackungen oder Muschelbänke. Außerdem liegen den Fischen harte Böden besser. Diese Strukturen wollen erst einmal gefunden und dann abgefischt werden. Dazu ist ein Echolot unverzichtbar! Nur mit diesem Hilfsmittel kann man einigermaßen zügig interessante Gewässerbereiche ausfindig machen und gleichzeitig die Bodenbeschaffenheit (via Greyline) analysieren.
Außerdem ist es viel effektiver, jetzt im Verband loszuziehen. Erfolgversprechende Kanten werden einfach von mehreren Kollegen an verschiedenen Stellen angetestet. Sobald einer aus dem Team fündig wurde, können sich die anderen um ihn herum konzentrieren und solange am Fangvergnügen teilhaben, bis die Fische den Braten gerochen haben und sich verziehen. Dann heißt es wieder ausschwärmen und von Neuem suchen.
Bellyboat-Tuning
In Ermangelung fester Bordwände stellt das Anbringen des Echolots am Bellyboat ein kleines Problem dar. Es geht erstens darum, den Geber so anzubringen, dass er immer nach unten zeigt und außerdem nicht ständig die Taucherflossen erfasst; zweitens muss das Lot auf der Armlehne justiert werden und drittens muss die Stromversorgung gewährleistet sein:
Der Geber wird einfach auch ein rechteckiges Brett (Maße 10 x 20 cm x 2 cm) geschraubt. Ziel ist es, dieses Brett nun zentral hinten oder unter einer Seitenlehne am Belly zu befestigen. Dazu bohrt man in jedes Eck des Brettes bohrt einen kleinen Schlitz, durch den man ein Stück Band fädeln kann. Dieses Band wird einfach einmal auf jeder Seite um das Boot geschlungen. Nun wickelt man das Band einmal um den Schlauch des Bellyboates und zurrt es dann fest.
Das gleiche Prinzip liegt auch der Anbringung des Lotes zugrunde. Nur dass das Brett auf dem die Echolothalterung angebracht wird oben auf einer der Lehnen sitzt. Alternativ gibt’s von Scotty auch eine bereits fertig konfektionierte Halterung. Die meisten Bellys haben relativ geräumige Seitentaschen. In die passt entweder der Akku oder aber ein Batterieteil, das man mit dem Echolot verbinden kann.
Vertikal-Technik
Die Grundtechnik ist dieselbe wie beim Verticalen vom Boot aus, und diese ist eigentlich recht simpel: Der Köder wird senkrecht zum Boden heruntergelassen. Die Rute liegt parallel zur Wasseroberfläche in der Hand. Mit leichten Rucken aus dem Handgelenk (die Rutenspitze zuckt zwischen 5 und 20 cm nach oben) haucht man dem Köder Leben ein, während man über die Fische hinwegdriftet. Sobald man etwas Ungewöhnliches spürt, wird angeschlagen. Häufen sich die Fehlbisse, so kann es daran liegen, dass sich die Fische beim Angriff immer wieder selbst den Köder vorm Maul wegstoßen, indem sie in die Schnur kommen. Ist dies der Fall, sollte man versuchen, nicht ganz senkrecht nach unten zu fischen, sondern etwas diagonaler zu angeln. Anstatt sich mächtig ins Zeug zu legen, um die Driftgeschwindigkeit hochzufahren, wählt man lieber einen leichteren Bleikopf. So haben die Zander genauso viel Zeit wie normal, den Köder anzuvisieren. Außerdem fällt ihnen das Inhalieren des Köders umso leichter, je weniger der Bleikopf wiegt.
Rute, Rolle & Köder
Natürlich kommen erst recht im Bellyboat nur spezielle, am besten einteilige Vertikalruten mit einem kurzen Griff, einem straffen Blank und vielen Ringen zum Einsatz (z.B. die Mitchell Jig Head). Diese Ruten sind dann nicht nur sehr sensibel, sondern lassen sich auch im Bellyboat, wo man ja nicht wirklich viel Bewegungsradius hat und auch noch recht tief sitzt, entspannt „handeln“. Besonders wichtig ist ein kurzer Korkgriff (maximal bis zum Ellenbogen), mit dem man nicht dauernd irgendwo hängen bleibt. Ideal, wenn eine Ablagefläche für den Daumen und den Ellenbogen im Kork angebracht ist, so dass man eine bequeme Position findet und sich den ganzen Tag voll auf die Bisse konzentrieren kann, die besonders im Winter weit weniger deftig ausfallen, als man das gern hätte.
Mit einer Stationärrolle fischt es sich entspannter, weil die Rute angenehmer in der Hand liegt, wenn der Schwerpunkt unter dem Blank die Rolle sprichwörtlich in die Hand drückt. Doch die Multi hat den Vorteil, dass man quasi per Knopfdruck immer wieder bequem Schnur nachgeben kann, wenn man bemerkt, dass der Köder keinen Grundkontakt mehr hat.
Wer einen Bestand an Gummifischen sein Eigen weiß, muss, was die Köder angeht, zunächst einmal gar nicht so viel umstellen. Zwar haben sich die Gummifische ohne Schaufelschwanz (Man’s, Lunker City, Spro oder Berkley) nicht umsonst einen hervorragenden Ruf als Vertikalköder erarbeitet und gehören auch unbedingt ins Gepäck eines fortgeschrittenen Vertikalanglers. An manchen Tagen funktionieren herkömmliche Gummis aber sogar besser. Bleikopftechnisch kann man als Jigger sogar ein wenig abrüsten, denn eigentlich reichen Gewichte von 14, 17 und 21 Gramm komplett aus, um in Stillgewässern und mäßig strömenden Flüssen erfolgreich zu sein. Wer im Astwerk angelt, kommt mit Gewichten bis maximal 7 Gramm aus.
Extra-Tipp: Als kleines Hilfsmittel hat sich eine H-Boje bewährt. Diese wird abgeworfen, sobald ein Zander am Gummi sitzt. So findet man die Stelle wieder, auch wenn das Boot durch Fisch, Strömung und Wind während des Drills ein wenig versetzt wird. Schließlich sitzt man sehr knapp über dem Wasser und hat nicht ganz denselben Überblick wie zum Beispiel vom Boot aus.
Meine Geräte-Box:
Rute: Mitchell Jig Head, Berkley Vertic
Rolle: Mitchell 308 X, ABU Ambassadeur 4601C3
Schnur: 10er oder 12er Fireline, feinste Dyneema, wenn’s tief runtergeht.
Top-Bellyboote kommen z.B. von Orvis und Jenzi (beides Ponton-Bellys, auf denen man überhöht sitzt) oder von Ron Thompson (V-förmig) bzw. der Creek Company (Original U-Boat).
PS: Dieser Artikel erschien so ähnlich in der Fisch&Fang 8/2005