Tipps & Tricks Raus aus dem Dickfischtunnel!
Für manche ist der Urlaub ja schon zu Ende. Andere fahren bald los. Der eine oder andere wird im Urlaub – bzw. gerade im Urlaub – auch die Angel schwingen und dabei versuchen, einen Fisch zu fangen. Mit diesem Artikel hier möchte ich dazu beitragen, dass ihr euch dabei nicht verkrampft und auch wirklich alles mitnehmt, was so ein Angelausflug zu bieten hat. Er erschien schon mal in der Fisch&Fang. Aber es gibt ja nicht nur Fisch&Fang-Leser hier:
Für viele Angler ist der kapitale Fisch, das einzige, was zählt. Für ihn legen sie viele Kilometer zurück. Für ihn quälen sie sich zu Unzeiten aus dem Bett. Für ihn verzichten sie auf Frühstück und Morgentoilette (sprichwörtlich). Mit zusammengekniffenen Pobacken wird dann mit den Jigs um sich geschossen, bis die Gummis reißen. Dabei kann Angeln doch so schön sein. Es gibt haufenweise Aspekte, die mich auch ohne großen Fang als glücklichen Angler nach Hause fahren lassen. Man muss sie nur mitnehmen.
Naturwahrnehmung: Wer sich zu sehr auf den dicken Fisch versteift, nimmt die Umwelt oft gar nicht mehr wahr. Im Big-Fisch-Tunnel lebt es sich ziemlich eindimensional. Da zählt nur der Einschlag. Ob die Sonne scheint oder ob es neblig ist, spielt nur bei der Köderwahl eine Rolle. Man hat ja keine Zeit, die Wetterphänomene und Panoramen auf sich wirken lassen. Viel wichtiger ist der Blick aufs Lot. Schließlich soll’s so schnell wie möglich krachen in der Rute. Da zählt jeder Wurf. Anstatt einer ordentlichen Brotzeit, wird zwischen den Würfen ein Schokorigel eingeschoben. Eine Dose Powerbrause zum Nachspülen und „Feuer frei!“ – die nächsten Stunden ist man energietechnisch im grünen Bereich. Inzwischen gestalte ich meine Pausen anders. Ich schraube die Thermoskanne auf, gieße mir einen Yogi-Tee ein, esse eine Steinecke mit selbst angerührter Schafskäsepaste (Schafskäse, Olivenöl, Oregano, Sambal Olek)…
…und schaue in den Himmel, ans Ufer oder den Kollegen zu.
So viel Zeit muss sein. Auch – und jetzt wird’s ein bisschen esoterisch – Geräuschen wie das Plätschern der Wellen gegen die Bordwand oder die Möwenschreie oder Gerüchen wie dem von Salz in der Luft, das man an der Ostsee mit jedem Atemzug durch die Lunge lässt, sollte man ein bisschen Beachtung schenken. Oder den Enten ums Boot herum.
Das intensiviert definitiv das Angelerlebnis. Dafür muss man aber mal kurz aus dem Tunnel raus und zur Ruhe kommen.
Ausgelebter Material-Fetischismus: Frau kann ja sagen was sie will, aber so ein Angelladen ist einfach eine geniale Erfindung – nicht nur für den Händler. Man geht rein, will ein paar Haken und ein paar Dropshot-Bleie und kommt mit einer kleinen Tüte heraus, in der neben den Zieleinkäufen auch noch ein paar Tungsten-Geschosse, Baitholder, Aroma-Paste und ein paar von diesen neuen Jigköpfen drin sind. Und obendrauf hat man sich noch einen neuer Highend-Wobbler geleistet, von dem man ja schon so viel auf www.barsch-alarm.de gelesen hat. Kaum hat man den Laden hinter sich gelassen, steigt die Betriebstemperatur an. Der Weg zum Wasser wird kürzer als er tatsächlich ist. Das Zeug will ja getestet werden. Reagieren die Fische auf die neusten Errungenschaften? Schlägt der Wobbler wirklich Saltos, wenn man ihn mit einer Rutenbewegung von unten nach oben anzupft? Fliegen die aerodynamisch geformten Weights wirklich bis auf die andere Kanalseite? Helfen diese Haken mit dem kleinen Wirbel wirklich gegen Schnurdrall? Und wie stark kann ein Barsch am Köder ziehen, wenn ein Baitholder den Wurm am Offsethaken hält? Ja, liebe Anglerfrauen. Das sind Dinge, die es zu testen gilt. Und wenn die Tests dann zur Zufriedenheit ausgefallen sind, müssen wir keine Fische mit nach Hause bringen.
Montagen-Tüftelei: Bei meinen Team-Kollegen bin ich als der bekannt, der oft im Boot sitzt und irgendetwas vor sich hinknotet. Das liegt nicht nur daran, dass ich die Knoten-Vielfalt eine der schönsten Sachen an unserem Hobby finde. Gute Knoten schaffen Optionen. Wann immer ich jemand einen Knoten binden sehe, den ich nicht im Repertoire habe, passe ich ganz genau auf. Schließlich gibt’s an jedem Rig noch was zu verbessern. Da bin ich mir sicher. Und darauf kommt’s mir auch an. Ich will Abläufe optimieren. Perfekte Montagen fischen.
Vielleicht sogar die Bissausbeute erhöhen oder überhaupt mehr Bisse bekommen. Wenn ich eine neue Montage teste und darauf Fische fange, ist das ein Erfolgserlebnis. Um den ersten Schritt zu machen, brauche ich keinen Kollegen, der mir zeigt, dass ein System funktioniert. Das habe ich meistens schon selber herausgefunden – wobei die RECORD-Taste in der Angel-Hemisphäre meines Hirns natürlich sofort aktiviert wird, wenn mir jemand etwas Neues zeigt.
Methodenvielfalt: Wenn ich wahrnehme, dass jemand sein ganzes Leben lang Gummifische über den Boden zupft, um seinen Zander-PB nach oben zu treiben, kommt fast ein bisschen Mitleid bei mir auf. Klar: Muss ich nicht haben, weil der Mensch das ja freiwillig macht und glücklich mit dem ist, was er da tut. Aber ich selber würde das Gefühl nicht unterdrücken können, dass ich mich so über kurz oder lang in einen Zustand anglerischer Demenz fische. Sobald ich zulange das Selbe mache, schaltet sich ein Warnsystem zu, das mich vor mir selber erschrecken lässt und mich zwingt, etwas anderes zu tun. Also schnell die Jig-Rute aus der Hand gelegt und eine Dropshot-Rute gegriffen. Oder mal ein Stündchen ins Flache fahren und mit der Baitcaster und Twitchbaits hantieren. Natürlich unterbreche ich keine Beißphase. Aber wenn’s mal nicht dauernd zuckt und langweilig wird, ist für mich Zeit für einen Systemwechsel.
Stetige Erweiterung des Spektrums: Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ködern und Systemen kann ein Angeleben unheimlich bereichern. Erfolgserlebnisse bieten nicht nur dicke Fische. Bei vielen Disziplinen muss man nicht mal einen Fisch fangen, um Spaß am Geschehen zu haben. Wer z.B. noch nie mit der Baitcaster geangelt hat, wird das Teil am Anfang verfluchen und sich fragen, warum er sich das angetan hat. (So ging’s mir auch.) Perücken, kurze Wurfweiten, unpräzise Würfe… Aber Übung macht den Meister. Schon nach ein paar Trainingstagen mit der BC verbessern sich die Ergebnisse. Bald entwickelt man ein Gefühl. Und wenn es soweit ist, steht einem ein unglaublich großes Fenster an Trick- und Spezialwürfen offen, an deren mehr oder weniger perfekter Umsetzung man sich noch am Abend auf der Couch erfreuen kann. Herausforderungen ans eigene Geschick schaffen Erfolgserlebnisse. Und Herausforderungen bietet die Angelei mehr als genug. Wer perfekt casten kann, wird z.B. beim Fliegenfischen wieder auf neue „Probleme“ stoßen und Spaß daran entwickeln, wenn die Würfe länger werden und immer mehr Wurftechniken funktionieren. Plötzlich freut man sich über eine Plötze bzw. eine Laube, die die Trockenfliege inhaliert oder über eine Teichforelle, die auf den Streamer scheppert.
Spaß am Biss: Darüber, dass ich mich über all die Jahre der Intensivangelei immer noch über jeden Fisch freuen kann, bin ich besonders glücklich. Ich finde sie alle schön. Von der anatomisch genial angelegten und auch immer toll gezeichneten Hechtfritte bis zum Mikrobarsch mit feuerroten Flossen. Oder besonders viele Streifen. Man muss sich die Fische nur genauer ansehen, um das zu registrieren, anstatt sie verächtlich über die Reling plumpsen zu lassen. Worum es mir beim Angeln aber hauptsächlich geht, ist der Biss. Von denen will ich am liebsten viele haben. Da ich oft neue Köder und Methoden ausprobiere, ist jeder Biss eine Art Bestätigung irgendwelcher Testreihen. Natürlich freue ich mich über große Fische noch mehr. Die knattern ja dann doch noch anders rein. Im Zweifelsfall habe ich aber lieber mehr Bisse am Tag als einen fetten. Vermutlich macht mir deshalb das leichte Spinnfischen besonders viel Spaß.
„Ganzheitliche“ Angelausflüge: Natürlich angle ich auch oft bis zur letzten Minute. Angeln an sich macht mir ja Spaß. Ich liebe schon allein das Gesamtpaket eines Auswurfes, bei dem sich die Kohlefaser auflädt und die Rute mit einem Peitschengeräusch an meinem Ohr vorbei schießt, dann die Schnur durch die Ringe pfeift und final der Köder auf dem Wasser auftrifft. So richtig rund wird so ein Wochenende am Strelasund oder an der Ostsee aber erst, wenn ich mit meinen Kumpels mittags eine Hafenpizza zu mir genommen habe oder wenn wir mal am Fish’n‘Chips-Dampfer auf ein heißes Backfischbrötchen angedoggt haben. Und so hat jedes Angelrevier seine kulinarischen Highlights und sonstige Specials. Zum Strealsund gehört z.B. auch ein Frühstück im Hol‘ Über, der Hafenkneipe in Altefähr. Mein Frühstücksritual sind 3 Spiegeleier ohne Speck, Brötchen mit Marmelade und eine Tasse Hage-Bodden-Tee. Das weiß inzwischen auch Harriett, die Besitzerin, die sich natürlich auch freut, wenn wir abends nochmal bei ihr einfallen und den Angeltag bei einem Bierchen und einem flammenden Fischergeist ausklingen lassen. Klar ist: Während wir da frühstücken, verpassen wir den legendären „Morgenbiss“. Und auch nachts kann man Fische fangen. Das machen dann eben andere Angler. Für uns ist aber garantiert auch noch was im Sund.
Teamerlebnis: Ich gehe auch nur mit mir allein angeln. Wenn niemand Zeit hat, kann ich mich super beschäftigen mit meinen Ködern. Das Spinnfischen hat außerdem eine meditative Komponente. Der Köder und ich. Da kann man sich super reinvertiefen, wenn man seine Ruhe haben will. Meines Erachtens besser als beim Ansitzangeln. Die schönsten Erlebnisse sind aber immer die mit meinen Kumpels. Was wäre mein Rekord-Zander aus dem Peenestrom, wenn da nicht David beim Drill mitgefiebert hätte. Oder wenn der Hacki vom Nachbarboot nicht zum Abklatschen vorbei gekommen wäre. Wie schön war’s als David einen Tag später einen 1,22er Hecht gefangen hat, über den ich mich fast genauso gefreut habe wie über meinen 97er Zander.
Solche Erinnerungen verbinden und sind mir mehr wert, als wenn der Zander noch 10 cm länger gewesen wäre, ich ihn aber allein gefangen hätte.
Also, ihr Kanalbarschjäger, Streetfighter, Vereinssee-Rocker und Angel-Wüsten-Nomaden – macht euch locker und lasst euch nicht unter Druck setzen von den dicken Dingern, die andere alle Nase lang in die Linse pressen und dann auf Facebook hochladen. Holt euch die Kicks über den Spaß an der Sache. Die dicken Fische kommen irgendwann schon von allein. Und wenn nicht, gibt’s genug andere Kicks, die unser Hobby für uns parat hält!