Fangberichte Polder-Rallye durch Holland
Es ist Ende Oktober 2008 und drei furchtlose Spinnfischer sind auf dem Weg in ein sehr flaches Land, das für Käse, Tulpen und schöne Raubfische bekannt ist. Und weil Käse und Tulpen zwar ganz interessant sind, aber eben nicht auf Jerkbaits und Gummifische beißen, ist die Mission klar – möglichst viele Hechte aus den Poldern ziehen. Und so rollt der mit Tackle vollgestopfte Bus durch die Nacht, der holländischen Grenze entgegen. Ach ja – die drei Freaks bestehen aus Daniel genannt Fischi, Danilo(Piketime) und mir – Ralf (auch bekannt unter dem Nick „Bulldawg“). Im Bus macht sich Nervosität breit, als erste Schneeflocken an der Windschutzscheibe kleben bleiben. Aber Fahrer Fischi manövriert die Esox-Verrückten, mit Navigator Danilos Hilfe, sicher an ihr Ziel: Nordholland – De Vlietlanden.
Weil die drei sich ja schon gut auskennen, geht alles ganz schnell. Anmelden, Vispass kaufen, neue Bilder von Jan Eggers bestaunen und zurück zum Bus. In Windeseile wird die Zivielkluft gegen Anglerkleidung getauscht, Rutenfutterale und Köderboxen fliegen nur so durch die Luft, bis jeder sein Gerät startklar hat. Drei Jerkbaitruten kreuzen sich und es wird zum Angriff geblasen. Quietschende Reifen und ein grenzwertiger Fahrstil deuten die Vorfreude auf den ersten Esox unmissverständlich an.
Der erste Graben der ausgepeitscht werden soll wird festgelegt und so hält der Bus 3 Minuten vom Bungalowpark entfernt. Köder werden ausgewählt und kaum stehen die Drei am ersten Graben werden die Köder auch schon wieder gewechselt. Total verkrautet. Aber gut – man hat ja „Spezialköder“ dabei. Und so fliegen Gummijerks und Spinnerbaits in die Krautlücken. Doch nach einigen hundert Metern ohne Kontakt, hallt der bekannte aber grammatikalisch grenzwertige Satz „Da hat’s kei Fisch net“ den Graben entlang. Ruck Zuck geht’s zurück zum Auto und dem nächsten Graben entgegen. Das ist ja das schöne am Polderangeln – wenn’s nicht beißt, einfach den nächsten Graben anfahren.
Also neuer Polder neues Glück. (Wobei das ja nichts mit Glück zu tun hat, sondern mit Jahrelang trainiertem Können – is ja klar). Kaum am nächsten Graben angekommen, vermeldet Fischi den ersten Biss. Ein ca. 60cm langer Hecht hat sich seinen Bucktail unter einer Brücke geschnappt. Nach einem kleinen Posing fürs Album darf der kleine Grüne wieder zurück in sein Gräbelein.
Gerade ist die Kamera wieder verstaut, ruft Fischi den nächsten Biss aus. Diesmal hat sich ein etwas besserer Hecht seinen Gummifisch am System geschnappt. 70cm misst sein Nachschlag. Fischi scheint das Glück – Verzeihung, das Können – gepachtet zu haben. Keine 20 Minuten später drillt er schon wieder. Diesmal hat sich ein 65er an seinem System vergriffen.
3-0-0 für Fischi.
Aber das ganze ist ja kein Wettkampf… NEIIIIIIN!!!! Als an diesem Polder nichts mehr zu holen ist, geht’s zurück zum Bus und wir fahren zum nächsten Graben. Dort angekommen, darf Danilo seinen ersten Holländer für dieses Jahr vermelden. Knapp 70cm Hecht werden breit grinsend vor die Kamera gehalten.
Von seiner Entschneiderung angeregt, beschließt unser Halbitaliener etwas Außergewöhnliches und klinkt die 19cm Castaic Sardine in seinen Wirbel ein. Skeptisch kopfschüttelnd tue ich sein Vorhaben als Spinnerei ab und wende mich wieder dem Wobblerwerfen zu. „Viel zu schwer, hat der schon gemerkt, dass der Polder bloß 60cm tief ist??…“, grübel ich so vor mich hin, als ein Schrei mich aus meinen Gedanken und fast auch aus meinen Gummistiefeln reißt.
„Auuuuf die Saaaaardineeeeeee“
Das gibt’s doch nicht. Danilo steht mit krummer Rute da und ein Hecht schlägt das Wasser schaumig. „Oh Gott. Das darf ich mir jetzt die nächsten Jahre – ach, Jahrzehnte – anhören“. Ok, demutvollen Blick aufsetzten, rüber laufen und beim Vermessen zusehen. 74cm und tatsächlich die Sardine im Maul. Böse funkel ich den Hecht an, der mich mit seiner Unwissenheit über die richtigen Polderköder, ganz schön in Verlegenheit bringt – dieser A****-Hecht. „Grmpf…..“ Der Auslöser meiner Kamera muss etwas leiden, als ich den Fang auf Bild banne.
Nicht nur, dass dieser Typ mit viel zu schweren Gummifischen fängt – ich bin bis jetzt als einziger Schneider. Und so geht der Tag ohne Hecht für mich zu Ende und wir fahren zurück zum Bungalowpark. Natürlich muss ich mir noch ein paar blöde Sprüche anhören, bevor ich endlich erschöpft einschlafen darf.
6.30 Uhr – der Handywecker tut seine Arbeit und weckt uns. Nach einem schnellen Frühstück, bestehend aus Toastbrot + Schokoaufstrich, stehen wir schon vor dem ersten Polder des Tages. Natürlich werde ich noch darauf hingewiesen, dass ich jetzt auch mal einen Hecht fangen dürfe. Zähneknirschend pflüge ich meinen Bucktailspinner durch die Brühe. Als ob der Hecht gewusst hätte, dass ich einen kleinen Adrenalinstoß brauche, um auf Touren zu kommen, knallt er mit voller Wucht vor meinen Füßen auf den haarigen Groß-Spinner. Jihaaaa. Das Wasser spritzt, der Hecht schießt in einer Gischt davon und meine Bremse läuft. Nach kurzem heftigen Drill kann ich einen strammen 83er Hecht vor die Kamera halten.
Natürlich weise ich meine Kollegen ganz nebenbei noch daraufhin, dass das ja der bisher größte Fisch der diesjährigen Tour ist. Da ich jetzt Lust aufs Jerken habe, klopfe ich die nächsten Meter mit einem hollandischen Handmade-Jerk ab, bis 20 Minuten später ein Ruck durch meine Rute fährt. Das ist wohl die Wiedergutmachung für gestern, grinse ich in mich hinein und wenig später werden 73cm werden im Fernrohr-Style Präsentiert.
Heute scheint mein Tag zu sein, resümiere ich vor mich hin, als Fischis stark gekrümmte Rute unmissverständlich andeutet, dass der Tour-Best von mir gleich fallen wird. Nach einem halsbrecherischen Landemanöver, bei dem ich auf dem Rücken einen steilen Hang hinunter rutsche, kann ich meine Finger unter den Kiemendeckel eines magersüchtigen 93ers schieben.
Pfff…. Neuer Tourbestinnhaber – Fischi. Danilo wird etwas nervös – 3 schöne Hechte und bei ihm noch kein Biss. Das wird auch nicht besser, als meine Jerke plötzlich wieder krumm ist. Etwas hat sich meinen Suick geschnappt und legt sich mächtig ins Zeug. Die Enttäuschung ist allerdings groß, als ein schleimiger Brassen vor mir auftaucht. „Grrr…wääää….igitt.“ An der Matchrute ja ganz lustig aber beim Jerken eher sub-optimal. Für was auch immer der Brassen die Suick gehalten haben muss – Fakt ist, ein Haken sitzt perfekt im Maulwinkel.
Fischi lässt uns aber nicht viel Zeit, um über diesen seltsamen Fang zu philosophieren und bittet lautstark um Landehilfe. Vor seinen Füssen schlägt ein guter Hecht das Wasser schaumig. Gern assistiere ich bei der Landung und sofort bin ich auch schon wieder Fotograf und verfrachte einen 80er Hecht ins Album.
Ich glaubte Danilos Zähne etwas knirschen zu hören… und ich war mir sicher, dass sie knirschen, als Fischi kurz darauf schon wieder Landehilfe anfordert. Wieder darf ich Fotograf spielen und 72cm ablichten. Das Schulterklopfen und die Aufforderung, jetzt auch mal einen Fisch Danilo übrig zu lassen, missachtet Fischi geflissentlich und bittet unverschämter Weise keine Stunde später erneut um einen „Hecht-Aus-Dem-Graben-Heber.“ Wieder darf ich einen strammen 80er fotografieren.
Da die nächste Stunde nichts mehr passiert, wechseln wir wieder die Location. Inzwischen hab ich wieder einen Bucktail montiert und burne ihn durch die braune Brühe, welche unseren neuen Polder kennzeichnet. Aber ich kann nur recht kurz „burnen“ – der Bucktail wird gleich beim 3. Wurf abrupt gestoppt und ein Esox läd zum Tanz. Eine wahre Kampfsau hab ich da am Band. Aber der 75er hat trotz seiner Bärenkräfte keine Chance gegen meine Drillkunst. Es folgt Foto and Release, während Danilos Gesicht wird immer länger wird.
„Komisch – normalerweise fängt er meist besser als ich, wenn wir zusammen unterwegs sind.“ Dass er es doch noch kann, beweist er recht schnell, als er während der Fotosession von mir und Fischi seinen Köder ein paar Mal auswirft. „Du kannst den Foto gleich mal draußen lassen“, zwinkert er mir zu, während er am Drillen ist. Nach der Landung strahlt er über beide Ohren und posiert sehr professionell mit einem 74er Hecht. Danach haben wir erst mal Hunger und kehren mit stolz geschwollener Brust bei einem bekannten Burgerrestaurant ein. „Komisch, mein Burger schmeckt irgendwie nach Fisch, obwohl eine Fleischfrikadelle drauf ist. Vielleicht hätte ich mir doch vorher die Hände waschen sollen??“ Frisch gestärkt und um eine hygiene-technische Erkenntnis reicher, geht es auf zu neuen Heldentaten. Wir steuern einen uns bekannten Graben an. Nachdem wir auf der einen Seite des Polders aber keinen Biss bekommen, wechseln wir einfach auf die andere, um so eine Kreuzung aus einem anderen Winkel befischen zu können. Und siehe da, kaum kommt der Köder aus einer anderen Richtung, darf ich schon beherzt anschlagen. Ein schicker 74er Hecht fand meinen 10er Fatso so interessant, dass er gleich mal dran hängen geblieben ist.
Und die Stelle ist noch lange nicht ausgefischt. Danilo hat sich eins von Fischis Systemen geliehen (die mit dem grünen Gummifisch) und schon ist sein Stecken krumm. Nach einem wilden Tänzchen wandert ein 75er ins Album. Wir beenden diesen erfolgreichen Tag und fahren zufrieden zum Bungalowpark zurück.
6.30 Uhr am nächsten Morgen – mein Handywecker weckt. Gääähn… Erst ein Auge auf, dann das zweite… Letzter Tag. Also flott Morgenhygiene absolvieren, Frühstücken, Kriegsrat halten, losfahren. Nachdem wir die Tage zuvor ganz gut gefangen hatten, versuchen wir heute mal einen ganz neuen Polder. Kaum stehen wir am Wasser, tut Fischi das, was er die letzten Tage schon bis zur Perfektion getrieben hat – er drillt schon wieder. Ein 65cm Esox fand seinen Bucktailspinner wohl sehr anziehend. Er kann’s einfach nicht lassen… Nachdem wir wieder einen Stellungs- Verzeihung – Stellenwechsel vollzogen haben, versuchen wir’s am Rande einer Ferienanlage. Nach einem Fehlbiss erkämpft sich Danilo eine weitere Chance und der Hecht packt nochmal zu. Der Kollege wird allerdings nicht vermessen. Er dürfte aber einen knappen Meter gehabt haben – mutmaßen wir einfach mal. Weiter geht’s den Graben entlang. Während wir den Polder systematisch weiter abfischen und uns dabei über dies und das unterhalten, nutze ich die Zeit etwas mit meinem Crainbait zu spielen. Mal schnell, mal langsam, mal rucken, mal zupfen, mal… BISSSSSSSS!!!!!!!! Warum beißen die eigentlich immer kurz vor den Füßen? Das ist ja lebensgefährlich. Zum Glück habe ich keine Herzprobleme und kann den wilden Entenschnabel nach ein paar Fluchten ermüden. Der 74er Fast-Herzinfarkt-Verursacher wird von mir kurz in Szene gesetzt und dann zurückgesetzt.
Um bei den ganzen Hechten nicht durcheinander zu kommen, kommen wir auf die glorreiche Idee, unsere Fänge per Sprachaufnahme eines Handys zu dokumentieren. (Danilo sollte es später noch bereuen, sich freiwillig gemeldet zu haben.) Wir beschließen nochmals zum Stadtpark zu fahren, da wir dort am ersten Tag gut gefangen hatten. Da auch Jan Eggers dieselbe Idee hatte, fühlen wir uns in der Platzwahl bestätigt. Nach einem kurzen Plausch auf dem Parkplatz setzen wir unsere Jagd fort. Am Graben angekommen fliegen die Bucktailspinner, Wobbler und Gummifische den Hechten wieder um die Ohren. Nach einem Fehlbiss bei mir, ist Danilo dran und kann den Esox mit einem Bucktail haken – der Fisch geht sogar kurz über die Bremse und zeigt sich auch sonst recht kämpferisch. Aber keine Chance – Danilo kann einen knapp 80cm langen Hecht per Kiemengriff an Land wuchten.
Handy raus und Daten aufgenommen – feine Sache. Danach bekommen wir nur noch ein paar Fehlbisse und schon sitzen wir wieder im Auto. Es geht zum letzten Graben unserer Hollandtour – und der sollte es nochmal richtig in sich haben. Wieder ist es Dani, der als erster drillt. Wieder hat ein Hecht den Bucktail genommen und wieder ist es kein Schlechter. Nach kurzem aber rasanten Drill, kann Danilo genau 80cm in sein Handy vermelden.
Was soll ich sagen? Keine 20 Minuten später ist Fischis Rute wieder krumm und im Polder tobt natürlich ein guter Hecht. Danilo und ich sehen uns ungläubig an, bevor ich den Fisch kopfschüttelnd an Land hebe. Ich zücke die Kamera, Danilo sein Handy und 85cm werden in Bild und Ton verewigt.
Danilo scheint wirklich die Krätze an den Fingern zu haben, denn der nächste Hecht steigt bei mir ein. Der große Crainbait hat einen Abnehmer gefunden und nachdem er sich ausgetobt hat (der Hecht natürlich), vermeldet Danilo glatte 80cm in sein Handy.
Natürlich sind wir alle drei sehr gute Freunde und gönnen jedem seinen Fisch, aber mir kommt es so vor, als ob Danilos Handy heute noch etwas leiden muss. Und wer ist dran schuld?? Wer drillt schon wieder einen guten Hecht? Fischi natürlich! Wieder hat sich ein Hecht sein System geschnappt und Danilo steht etwas gelangweilt mit seinem Handy im Anschlag da, und sieht mir bei der Landung zu. Es ist ihm ja fast schon peinlich, aber eben nur fast… 81cm werden etwas zähneknirschend von Danilo ins Handy geflüstert.
Als wir so zusammen stehen und die Lage besprechen, schnippt Fischi sein System an einer eigentlich schon abgefischten Stelle in den Graben. Na ratet doch einfach mal!! Auch der letzte Fisch der Tour, wird von Fischi verhaftet. Unglaublich der Kerl. Ich schieße die Fotos, während Danilo „74cm“ ins sein Handy knurrt. Ich kann mich täuschen, aber ich meine später seine Zahnabdrücke in der Außenschale gesehen zu haben.
Da es schon dunkel wird, und wir schon ziemlich erschöpft sind, beschließen wir, zum Bungalowpark zurück zu fahren. Abends geht’s noch nach Amsterdam, wo wir das Abenteuer „Holland 2008“ bei einem kühlen Bierchen ausklingen lassen. Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Heimweg und wissen aber ganz sicher:“Nächstes Jahr kommen wir wieder und übernächstes auch und über übernächstes…“