Eigenbau Pimp your Rod – über das Ausbalancieren von Angelruten


Seit dem Aufkommen der Kohlefaserruten schon geht der Trend zu immer schlankeren und dadurch leichteren Ruten, die uns Anglern ein ermüdungsfreies Fischen garantieren sollen. Besonders profitieren von den Leichtgewichten die Spinn- und Flugangler, die ja den ganzen Tag mit ihren Gerten werfen. Gerade bei längeren Spinnruten gibt’s allerdings oft ein Problem: Zwar wiegen die Blanks nicht mehr wirklich viel, aber durch den langen Blank und die stabilen Ringe sind viele Ruten kopflastig.

Was sich im Angelladen noch sehr leicht anfühlt, führt in der Praxis dann zu steifen Schultern, lahmen Armen, Sehnenreizungen und bei Hardcoreanglern auch schon mal zu Schleimbeutelentzündungen. In diesem Falle gilt: Mehr (Gewicht) ist weniger (Belastung). Konkret: Mit einigen Gramm extra, die man hinten am Griffteil anbringt, kann man der Belastung entgegenwirken. Doch es gibt noch elegantere Methoden, Ruten sauber auszubalancieren.

Balanceakt

Über all dem hier Geschriebenen steht die Frage: Wie findet man denn eigentlich heraus, ob eine Rute kopflastig ist? Das geht ganz einfach: Nachdem man die Hand um die Rolle hat, ist dort auch der Punkt, an dem man die Ausgewogenheit auf die Probe stellen muss. Zunächst einmal schraubt man also die für die Rute vorgesehene Rolle an. Dann legt man die Rute auf den Zeigefinger einer Hand. Und zwar aufs Ende des vorderen Rollenfußes.

Kippt die Rute nun nach vorne (also mit dem Spitzenring Richtung Boden), so ist die Rute kopflastig.

Kippt sie nach hinten, ist sie auch nicht ausgewogen. Dieses Problem lässt sich mit einer kleineren Rolle lösen, ist aber weit weniger lästig als das Nachvornekippen. Manche Angler bevorzugen sogar eine hecklastige Rute, um ihren Anhieben noch mehr Wumms zu verleihen.

Richtig ausbalanciert ist das Gespann aus Rute und Rolle nur, wenn die Kombi auf dem Zeigefinger parallel zum (ebenen) Boden in der Luft steht.
Schwebezustand herstellen

Wem etwas am ermüdungsfreien Angeln liegt, der sollte also bemüht sein, den Schwebezustand herzustellen. Dazu gibt es mehrere Wege. Die einfachste Lösung, eine kopflastige Rute wieder auszubalancieren, ist, sich eine größere Rolle als nötig anzuschrauben. Das sieht dann aber erstens seltsam aus und zweitens wiegt das Komplettpaket dann wirklich mehr als nötig.

Wie man dem Problem am effektivsten begegnet, habe ich den Berliner Ruten-Doktor Peter Reissig gefragt. Er hat verschiedene Lösungsansätze parat:
Die Instant-Lösung

Die einfachste Lösung ist, die Rute ganz hinten am Griffteil zusätzlich zu  beschweren. Denn je weiter hinten man ein Gewicht an der Rute anbringt, desto weniger Gewicht braucht man. Als Beschwerungsmaterial kommt handelsübliches Wickelblei zum Einsatz, dass man einfach um den Blank wickelt und dann mit Paket- oder Tennisschlägergriffband ummantelt. Alternativ tut es auch Bleidraht.

Diese Lösung ist nicht nur schnell, sondern mit einem Materialaufwand von ca. 2 Euro auch sehr preiswert.
Die Edel(stahl)-Lösung

Viel eleganter ist es, die Abschlusskappe abzuziehen (mit einem Fön erhitzen) und den Innendurchmesser des Blanks zu ermitteln.

Dann nimmt man sich ein Stück Edelstahlrohr und sägt dies auf die richtige Länge mit dem richtigen Gewicht zurecht. Das benötigte Gewicht ermittelt man vorher, indem man verschieden schwere Bleistücke provisorisch mit Tesafilm am Griffende befestigt, bis die Rute perfekt ausbalanciert ist. Dann wird das Edelstahlstück mit Klebeband ummantelt, bis es genau so dick ist, dass es in den Blank passt und nicht mehr rutscht und dann mit Zweikomponentenkleber eingeklebt.

Am Ende des Prozesses wird das Griffende wieder mit der Abschlusskappe versiegelt.

Edelstahl ist übrigens besser als Blei, da es nicht korrodiert. Das realsisiert der Ruten-Doktor für ca. 15 Euro.
Die Abschluss-Lösung

Noch einen Hauch edler ist es, wenn man die Abschlusskappe einfach austauscht. Normalerweise sind diese aus Aluminium. Edelstahl wiegt einige Gramm mehr.

Und genau diese Differenz macht den entscheidenden Unterschied. Wenn Euer Rutendoktor gute Connections zu einem Drechsler hat, wird er in der Lage sein, Euch für ca. 25 Euro eine solche Kappe anfertigen zu lassen und auf die Rute zu setzen.

Das waren jetzt alles drei Lösungsansätze, die unser Rutendoktor zwar durchgehen lässt, die ihm aber nicht wirklich als Ideallösung vorschweben. Denn alle drei Methoden der Gleichgewichtsherstellung haben eins gemeinsam: Der Blank wird zusätzlich mit Gewicht beladen. Resultat: Aus dem eigentlich sehr leichten Rütchen wird ein etwas schwereres. Doch gibt es eine Methode, die die Rute auch ohne zusätzlichen Ballast ausbalanciert:

Die Nobel-Lösung

Dieser Lösungsansatz basiert darauf, die Rolle einfach etwas weiter Richtung Führungsring zu verschieben. Dazu muss man die Rute zwar auseinander nehmen, hat dann aber ein wirklich perfektes Ergebnis in der Hand. Bei einigen Ruten ist der Rollenhalter so angebracht, dass man die Halterung von vorne zuschraubt.

Wenn man den Führungsring und den Kork abmacht, kann man diese Rollenhalter einfach umdrehen bzw. einen anderen Halter anschrauben. So verlagert man den Schwerpunkt einige Zentimeter weiter nach vorne und fördert ein ausgewogenes Angeln.

Kostenpunkt: ca. 30 Euro

Wenn der Rutenhalter, wie bei den meisten Ruten, so sitzt, dass man von hinten nach vorne schraubt, empfiehlt der Ruten-Doc, den Rutenhalter ebenfalls abzubauen, um dann das Griffteil mit einem zusätzlichen Korkstück um einige Zentimeter zu verlängern. So schiebt man den Rutenhalter ein Stück in Richtung Führungsring und der längere Griff tariert das ursprüngliche Übergewicht am Kopf der Rute aus. Mit einem Preis von ca. 35 Euro sicher keine Billiglösung, aber gerade den Intensivanglern unter uns sollte das ermüdungs- und schmerzfreie dieses kleine Investment wert sein.

Wenn Ihr selber Lust auf eine sauber austarierte Rute habt, Euch die Operation aber nicht so recht zutraut, hilft Euch der Berliner Ruten-Doktor Peter Reissig. Ihr erreicht ihn unter 30/76769499 oder 0179/1376558 bzw. über Rods World (Alboinstr. 22, 12103 Berlin). Übrigens taroert der Peter nicht nur Ruten aus, sondern fertigt Euch auch Unikate und repariert so ziemlich alles, was Ihr ihm in seine Praxis bringt.

C
... die einfachste Lösung wäre, wenn sich die Hersteller endlich alle dazu durchringen würden, nur Rollenhalter mit 2! Schrauben zu verbauen bzw Gewichtsscheiben mit schraubbaren Endstücken Standard würden
N
schöner text... die geschichte kenn ich irgendwoher :D

bekomm ich bei allen ruten die endkappe mitm fön ab?
P
Ja catch & release genauso ist es... (hab ich nicht irgendwo schon soche Ruten gesehen?)

Sind die ashuras nicht so aufgebaut?
C
... so ist es ... sind aber meines wissens die einzigen ruten bis dato ...
S
sehr interessante lösungsansätze!

wäre es nicht sinnvoll, die rute hecklastig auszutarieren um das ködergewicht zu
berücksichtigen?
X
Hallo Leute,

ihr must euch das mal ansehn !!!!

www.cjw-hengels.nl

Mfg, Marco
W
Ja der Rutendoktor versteht sein Handwerk vom Feinsten!
C
... da bekommt der ausdruck "aktionskurve" gleich eine ganz andere bedeutung ... :wink:
D
*g*
bis dato ....

Aber mal ab von den Doppelschraubern: Eine Rute mit einem einfachen Rollenhalter (möglichst mir gekütztem Gewinde, was bei den meisten Rollenfüßen, bei 1000er bis 4000er Rollen def. möglich ist), ist definitiv leichter. Zwar muss die Rolle zum Rutengewicht, bzw. die Rute zum Rollengewicht exakt passen, aber dann hat man beim gleichen Blank immer eine leichtere Kombi ... *gg* Nur mal so zur Überlegung ...

Grüße, DD
D
*ggg*

Rute schon mal am Wasser gecheckt?

DD
L
nö :mrgreen:
W
:roll: :lol:
W
und selbst :p
W
Ich steh ja auf Griffe mit Schieberollenhalter - hat den selben Effekt. Allerdings: das ist mir alles zu theoretisch, ich will doch bloß angeln. Daher finde ich die Schieberollenhalter auch nur deshalb gut, weil man da die Rolle ganz nach oben schieben kann -> langer Hebel...
D
In Gedanken schon richtig gut gedrillt *gg*

8O
D
Hi,

ich bin eigentlich kein Freund von zusätzlichem Gewicht an der Rute auch wenn dies zu einer besseren Balance führen sollte. Nicht nur das Gewicht der Rute erhöht sich, sondern auch ihre Trägheit nimmt zu. Den Rollenhalter zu versetzen ist in meinen Augen auch keine Lösung, da mir die meisten Griffe unter dem Rollenhalter sowieso zu lang sind. Da lebe ich lieber mit etwas Kopflastigkeit.

Petri, Dietmar
T
Hallo,
das ist mal ein Super Bericht.

Ich habe noch einen alten Winkelpicker von Balzer den ich mal vor über 10 Jahren für viel Geld gekauft habe.

Jetzt fällt bei mir auch der Groschen warum ich bei der Rute den Rollenhalter über das ganze Griffteil (ca. 40-50 cm ) verschieben kann.

Da wird die Rolle nicht verschraubt,sonderen nur in die Halterung geklemmt.

Das hält Super und ist wohl seiner Zeit vorraus gewesen?

Gruß Dirk :eek:
M
Ich persönlich würde nie meine Rute extra beschweren wennn die Rute Kopflastig ist liegt sie wenigstens schön am Elbogen an
das Gewicht Sorgt nur Darür das man Schneller ermüdet
R
@ maier:
definitiv nicht. bei einer ausballancierten rute ermüdet das handgelenk nicht so schnell, auch wenn die rute vielleicht 50g mehr wiegt.
C
Ich hab es auch mal versucht eine Rute so zu pimpen, es hat mir nicht gefallen und ich habe schnell wieder die Rute in den alten Stand zurück versetzt.
D
Genial, und 6 Jahre später schafft der Artikel es in die aktuelle Ausgabe von Fisch und Fang.
Was mich stutzig macht: Müsste sich der optimale Balancepunkt nicht am vorderen Rutengriff befinden, statt unmittelbar am Rollenfuß?
Was mich stutzig macht: Müsste sich der optimale Balancepunkt nicht am vorderen Rutengriff befinden, statt unmittelbar am Rollenfuß?
Ich denke das wird auch davon abhängen ob du die Rolle zwischen kleinem und Ringfinger, Ringfinger und Mittelfinger oder Mittelfinger und Zeigefinger hast, oder?
B