Salmoniden Mit der Hegene auf Maränen: Zum Renkenzupf-Seminar nach Bayern
Beitrag enthält WerbungBayern: Massive Berge. Weiße Spitzen. Ausgedehnte Wälder. Blauer Himmel. Weiße Wolken. Tiefe Seen. Klares Wasser. Und saubere Luft. Die Kernelemente dieses Lebensraums legen sich auf die Seele seiner Einwohner und produzieren eine selbstzufriedene Glückseeligkeit, mit der so mancher Preuße nicht viel anzufangen weiß. Erst recht wenn man mit einem anderen Verein als dem FC sympathisisert. Das bayrische Selbstbewußtsein baut aber nicht nur auf der Natur und dem Fußball auf. Weißbier, Krustenbraten mit Knödeln. Obazda. Brezeln. Oktoberfest und viele andere Errungenschaften brauen sich zu einer ganz eigenen Form von Gemütlichkeit zusammen, auf die die Alpenländler zu Recht stolz sind und die sie auch leben. Fast alle Elemente dieses Lebensgefühls finden sich im Renkenzupfen wieder. Zumindest bis sich die Gemütlichkeit in einem saftigen Anhieb entlädt, um sich allerdings bereits im Drill der Corregone wieder von Neuem aufzubauen.
Deshalb muss man eigentlich nach Bayern, wenn man den wahren Geist des Renkenfischens einfangen will. Ich komme gerade von einem Grundkurs im Zupfen zurück und möchte euch mein neu erlangtes Wissen brühwarm weitergeben. Nicht um euch die Bayern zu erklären, sondern um euch scharf auf eine Angelart zu machen, die meinen neuen Freunden vom Fischereiverein Pilsensee-Wörthsee e.V. nach süchtig macht. Wenn sie im Winter keine Renken zupfen können, werden die Renkoholiker ganz „narrisch“. Für die echten Renkenfischer beginnt die Saison deshalb schon im März, wenn die ersten warmen Sonnenstrahlen rauskommen und das Wasser ganz leicht erwärmen. Wenn dann auch noch die ersten Nymphen steigen und die ersten silbernen Süßwasserelfen an den feinen Hakerln kleben bleiben, ist die Welt der Zupf-Junkies wieder in Ordnung. Dann geht’s bis zur Schonzeit am 15.10. weiter. Im Zeitlupentempo. Aber hochkonzentriert.
Ich hatte mit Roman Wardacki von der Angleroase schon ewig ausgemacht, dass ich mal zum Angeln an den Ammersee oder den Wörthsee komme, um dort eine Schulung verpasst zu bekommen, die meinen anglerischen Horizont erweitert. Dieses Vorhaben wurde auf einer Müritztour mit Roman, Walter, Manni und Dieter nochmal von neuem bekräftigt. Und als feststand, dass ich seinen Kunden am letzten Samstag im Juni diesen Jahres ein bisschen was übers Dropshotten erzählen und über die Funktionsweißen der Insassen meiner Köderoxen erkläre, wurde ein bisschen telefoniert und gefacebookt, bis feststand, dass ich ein bisschen früher anreise und auch einen Tag länger bleibe, um zusammen mit dem Walter – seines Zeichens Präsident des den Wörthsee pachtenden Angelvereins und passionierter Renkenangler mit 20 Jahren Routine im Hegenen-Lupfen – die Feinheiten der Zupferei zu erlernen.
Allerdings hat’s bis zum letzten Freitag nicht sonderlich gut gebissen. Massive Überschwemmungen und der lange Winter haben dafür gesorgt, dass die Natur mindestens 3 bis 4 Wochen hintendran ist. Dazu war’s eigentlich fast immer zu windig zum kontrollierten Bedienen der Hegene. Und geregnet hat’s auch fast immer. So war unser erster Ausflug auch für den Walter eine Fahrt ins Blaue.
Käptn Walter mit Fernsteuerung.
Um 8 Uhr waren wir auf dem beeindrucken klarem Wasser.
Ein erster Blick ins klare Wasser – der Wörthsee hat praktisch Trinkwasserqualität.
Mischwetter. Mal Sonne. Mal Regen. Mehr Grau als Blau und auch nicht wirklich wenig Wind. Aber „zupfbar“. Also raus aus dem Hafen und rauf auf den See.
Echolot an. Ab Richtung tiefes Wasser. „Ah. Da hinten steht der Gerd. Das ist ein richtig guter Renkenfischer. Der steht da nicht umsonst.“ Also Kurs auf Gerds blaues Boot angelegt und mal nachgeschaut, was da so unten steht. Schwarze Balken. „So sehen Renkenschwärme aus. Die ziehen auf einer Höhe durch.“
Das Renkolot zeigt Fische an!
Also neben den Gerd gestellt, den elektrischen Anker bedient und die Hegenen heruntergelassen. Kaum war das Nymphenfünftett am Grund, war auch schon die erste kleine Renke auf dem Weg nach oben.
Walter landet einen der ersten Fische.
Und auch dem Gerd seine Rute bog sich.
Beim Gerd läufts gewöhnlich auch sehr gut!
Und dann wieder der Walter. Und dann der Gerd. Und dann beide. Und bei mir? Nix zu sehen. Nix zu spüren. Kruzifix noch einmal. Genau wie befürchtet, hatte ich zunächst Schwierigkeiten mit Köderführung und Bisserkennung. Nach einer halben Stunde hatte ich mich dann aber so langsam eingegroovt und die ersten beiden Renken auf dem langen Weg nach oben verloren. Aber immerhin: Am ersten Tag waren’s zwei Renken, die ich landen konnte und noch 5 verwandelte Bisse. Der Walter hatte mindestens 10 Fische und kaum Aussteiger. Aber ich war heiß und schon ein bisschen drin. Klar machte dieser Einstieg Lust auf mehr und führte zu den obligatorischen Schlafstörungen. Einfach zu viele Impressionen und Verbesserungsansätze für eine vernünftige Nachtruhe…
Meine erste Renke ever!
Die erste Maßige: 37 cm.
Und weil das Wetter immer besser wurde, konnten wir noch zwei Tage bei Idealbedingungen angeln und viele Fische fangen. Alle beide. Der Walter immer ein paar mehr.
Bloß nicht zu doll forcieren. Sonst isse weg.
Alles gut gegangen. Das freut…
Nicht immer leicht zu fotografieren, die bayrischen Silberblitze.
Boote in Reihe. Der eigene Kescher voll. Das spornt die anderen an.
Wurschtel, Wurschtel. Wo 5 Haken im Spiel sind, wird’s manchmal kniffelig mit der Montagenbefreiung.
Namensvetter Johannes mit seiner ersten Renke. Ein toller Einstieg!
Die Renke zeigt Flanke.
Der Renken-Porsche: Manni’s Faltboot mit Torqeedo. Das geht ab!
Jawoll! Die kann sich sehen lassen.
Ein Gummikescher ist Pflicht. Sonst gibt’s too much Tüddel.
Das macht Laune. Auch wenn die Sonne ausnahmsweise mal nicht vom Bayernhimmel strahlt.
Kleine Renken werden extern abgehakt.
Klassisch mit der Achsrolle.
Ebenfalls klassisch: Mittagspause mit Weißbier…
…und Wiener Schnitzel mit Pommes. Was ein Leben!
Noch ein Klassiker:*Bayrischer Himmel in Weiß und Blau.
Klassisches Bild beim Renkenzupfen: Vollversammlung auf dem Spot und keinen stört’s!
Renke klassisch angerichtet: Leicht eingemehlt, gesalzen, gepfeffert und in reichlich Butter herausgebraten.
Dazu ein Tegernseer Hell, Zitrone und zweierlei Salate. Das schmeckt WELTKLASSE!
Meine größten Fische waren knapp über 40 cm lang. In den drei Tagen habe ich aber stolze drei Ü50-Renken-Riegel fotografieren können:
Die erste kam am Einführungstag beim Angel-Spezi Fleischmann und hatte 55 cm.
Die zweite fing der Hartl. 53 Zentimeter.
Und am letzten Tag hat der Walter auch noch seinen eigenen Wörthsee-Renken-Rekord aufgestellt. Und weil diese 57er Renke quergeschossen ist, bevor ich meine Angel herausnehmen konnte, habe ich sogar mitgedrillt.
Was ein prächtiger Fisch, oder?
Das Ganze hat natürlich unheimlich Spaß gemacht. Ich kann’s jedem nur empfehlen, sich mindestens einmal im Leben mit dieser superfeinen Angelei auf extrem kampfstarke und schmackhafte Fische (die Renke ist ein Essfisch, da ist man sich einig) zu befassen. Wobei es für die meisten von euch nicht bei einem Mal bleiben wird. Der Renkoholismus packt einen spätestens nach den ersten erfolgreichen Anhieben. Damit’s kein langer Weg zum ersten Erfolgserlebnis wird, kommen hier noch ein paar Tipps:
Die Renken-Hegene
Es gibt unterschiedliche Hegenen. Welche mit kurzen Abständen zwischen den Nymphen und welche mit längeren. Die kurzen sind Frühjahrshegenen, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn sich die Fische am Grund konzentrieren. Die langen sind Suchhegenen, die am besten sind, wenn die Fische nicht so dicht stehen und sich mal über dem Boden zeigen oder in der Schwebe stehen. Wichtig sind kurze Springer, mit denen man die zaghaften Bisse besser erkennt. Die Spinger sind aus 18er Mono, die etwas steifer ist als die 16er Hegenen-Hauptschnur.
Das Zupf-Geschirr
Abgefahrenerweise fischt man mit Gewichten von 2 bis maximal 5 Gramm in Tiefen von 12 bis 25 Metern.
Am besten eigenen sich schlanke Bleie mit wenig Wasserwiderstand.
Um dieses Gewicht zu spüren braucht man feine Ruten. Um die Bisse eventuell zu sehen, muss die Spitze sehr fein sein. Deshalb ist das letzte Rutenstück aus hauchdünner Glasfaser. Meine 1,8 m lange Rute (Mitchell Mag Pro Corregone) war die kürzeste auf dem See.
Meine Mitchell: Extrem leicht. Kurz und relativ hart. Also eher was für schwere Gewichte und kurze Hegenen.
Die Experten fischen längere Gerten. 2,7 m ist eine gute Länge.
Walters Spezialanfertigungen sind 2,7 m lang und minimal steifer als viele andere Ruten. Die Spitze ist
aber ebenfalls schön weich, so dass sie sich beim Anheben deutlich biegt und die Bisse sauber anzeigt.
Aber es gibt auch Renkenzupfer, die sich 4 m lange Ruten bauen lassen, damit sie ohne Absetzen längere Wege gehen können, wenn sie die Renken in der Wassersäule finden müssen. Die guten Ruten gehen schön mit, haben also eine parabolische Aktion, sind aber nicht schwabbelig. Die Schnur ist eine dünne Geflochtene. Wir hatten beide 6er Nanofil auf unseren kleinen Rollen.
Zupf-Haltung
Die Rute wird entweder im Penholder-Griff gehalten, wie man es von manchen Vertikalanglern kennt. Oder aber im Schwerpunkt auf den Zeigefinger abgelegt.
Penholder-Griff.
Hier liegt die Rute ganz locker auf dem Zeigefinger im Schwerpunkt.
Köderführung
Stehen die Renken am Grund, lässt man das Blei ab und lupft die Hegene innerhalb von 5 Sekunden gleichmäßig um 15 Zentimeter. Dabei sollte die Rute ganz ruhig in der Hand liegen. Ggf. kann man auch mal ganz langsam einen Zentimeter zurückgehen und die Rute dann wieder um ein paar Zentimeter anheben, so dass ein Sägezahnmuster entsteht. In keinstem Fall wird aber ruckartig agiert. Man will schließlich eine langsam gen Oberfläche steigende Nymphe imitieren. Stehen die Renken höher, kurbelt man die Hegene kurz unter ihr Tiefenniveau und lässt sie dann durch den Schwarm steigen. Hier ist es natürlich gut, wenn man weiß, wie viel Schnur die Rolle pro Umdrehung einzieht, so dass man sich die Anzahl der Kurbelumdrehungen errechnen kann, bis die Hegene die heiße Zone erreicht.
Bisserkennung
Nur „Selbstmöderrenken“ beißen mit einem deutlichen Zupfer. Häufiger sind feinste Hebebisse oder ein kaum spürbares „Schwererwerden“ der Montage. Und wenn man diese feinsten Anzeichen einen Bisses nicht sofort pariert, hat die Renke den Köder auch schon wieder ausgespuckt. Bis man das raushat, braucht man ein paar Bisse. Wenn man die Anzeichen eines Bisses aber drauf hat, fühlt man sich ziemlich schnell angekommen im Kreis der Cracks und darf mit dem guten Gefühl vom Wasser, dass man zur Feinmotoriker-Fraktion zählt.
Drill
Wer die Renken zu hart drillt, wird nicht viele Fische zu Gesicht bekommen. Das Mal ist sehr weich und die Fluchten sind teilweise richtig rasant und am ehesten vergleich mit dem Verhalten von Forellen. Deshalb ist nicht nur Geduld gefragt beim Pumpen. Sondern auch eine feine Bremseinstellung. Die „Ratsche“ muss schon beim Anhieb aufheulen. Um spontane Richtungswechsel zu parieren, ist außerdem ein weiches Handgelenk gefragt, in dem die Rute ein bisschen Spiel hat.
Immer locker bleiben! Gerade wenn’s richtig an der Rute zieht!
Ich wünsche viel Erfolg bei den ersten Gehversuchen. Ich selber werde mein Glück auf jeden Fall in Brandenburg versuchen. Hier gibt’s ja auch ein paar Seen mit guten Maränenbeständen. Die werden ei uns halt leider nicht so groß wie in Bayern. Und unsere Berge sind auch flacher. Aber Spaß machen wird mir das mit Sicherheit trotzdem.
Zum Abschluss noch herzliche Grüße an meine neuen Spezeln. Servus Hartl, Gustl, Gerd, Mike, Roman, Manni und alle anderen, die mir den bayrischen Rekenfischerlifestyle so nahe gebracht haben, dass sich dieser kleine Artikel ganz von allein geschrieben hat. Ein besonders Dankeschön geht natürlich an meinen Gastgeber und Lehrmeister Walter! Ich komme wieder – so schnell wie möglich!