News Himmel und Hölle – an Peenestrom und Bodden im August 2007
Bisher haben wir uns so durchgeschniepelt im Jahr 2007.Viele kleine
Barsche, viele kleine Zander in und um Berlin, von einigen guten
Exemplaren mal abgesehen.Der eine oder andere Hecht war gewissermaßen –
Beifang!
Der Mensch, er strebt nach Höherem, der Angler allemal nach Größerem.
Als sich dann endlich eine relativ konstante Wetterlage abzeichnete,
nach Wochen des Auf und Ab, kalt, warm, kalt, Regen, trocken, Regen,
wollten wir nochmal größeren Kalibern auf die Schuppen rücken. Von
Berlin aus in knapp 3 Stunden erreichbar, für 2 Tage akzeptabel, sollte
es denn der Peenestrom sein. Ein Telefonat mit Stephan Hackbarths
Guiding Unternehmen – und die Tour war gebucht. Mit großen Erwartungen
ging’s los – und Himmel und Hölle erwarteten uns in der Tat…
Wolgast empfing uns zwei Barsch- und Zanderenthusiasten am Sonntagnachmittag mit mediterranem Charme. Fast 30 Grad, knallende Sonne. Man flanierte im Museumshafen, saß in der Eisdiele oder beim kalten Getränk. Wir mischten uns in den Trubel, allerdings mit leichter Jig- und Dropshot Rute ausgerüstet. Zwei recht nette Barsche ließen sich überreden, bevor auch wir den Temperaturen Tribut zollten und uns zum Essen und Bierchen niederließen. Es galt Kräfte zu sparen für die Ausfahrt am nächsten Tag.
Pünktlich um 8.00 Uhr am Hafen erwartete uns Guide Lars von Angeln Exklusiv. Alles im Boot verstaut, Lagebesprechung : Der Peenestrom „stand“. Kein nennenswerter Ein- oder Ausstrom. Erfolg auf Zander? Möglich, aber problematisch, da sich die Fische bei dieser Situation eher im Strom verteilen, schwer zu finden und zu befischen sind. Entscheidung : Es geht auf den Bodden, Hechte ärgern. Zwar nicht unser Zielfisch aber eine gute Alternative.
Unsere Ausrüstung war geeignet, Spinnruten bis 80 gr., 17er Fireline, große Gummifische in gängigen Farben.
Der erste Ankerplatz im Zielgebiet brachte einen Hecht von gut einem Meter durch einen anderen Gast – auf Gummifisch in Creme-Glitter. Beim nächsten Zielpunkt erfolgten einige Bisse und ein weiterer Hecht wurde gelandet – auf Gummifisch in Rot-Glitter. Wir blieben Schneider und unsere Köderboxen enthielten alles – nur nichts in Rot- oder Creme Glitter! Der nächste Hecht zeigte sich mit heftigen Sprüngen – wieder nicht an unseren Ruten. Ein dicker Nachläufer schoss hinter einem Gummifisch her – hinter unserem jedenfalls nicht. Ich dachte an telepathische Verbindungen aller Hechte untereinander: Hechte aller Länder vereinigt euch! Meidet die Berliner! Wir sind nur Beifang!
Es wurde etwas wellig, meinem Angelfreund wurde übel. Die Hechte machten Mittagspause, wir schlossen uns an.
Bis dahin hatten wir in Größe und Farbe so ziemlich alles durchprobiert, was in den Köderkisten herumwabbelte. Also blieb nur der Berge versetzende Glaube an die ursprünglichen Empfehlungen für die trüben Wasser: SHOCKGRÜN!
Um 13.30 Uhr warf ich – schon etwas ermattet – meinen 15 cm Kopyto-Shad in SHOCKGRÜN mit roter Schaufel und schwarzem Rücken am 20 gr. Kopf weit in die Fluten des Boddens hinaus. Beim vierten oder fünften aggressiven Anjiggen gab’s kräftigen Widerstand. Ein kurzes trockenes „Wumms“. Endlich! Der Zweifler in mir assoziierte: Hänger!, der Optimist: Ein Biss! Anhieb, voll durchgezogen…es bewegte sich …Nichts. Die Rute krumm, stand ich weiter in mich hinein fragend, was das denn nun sei.
Die Frage wurde durch das, was am Leinenende sich befand, eindeutig beantwortet Es zog unwiderstehlich davon! (Gedanke 1: Ein verirrter Dorsch!) Zumindest versuchte es davon zu ziehen, die Scheißbremse war zu und verweigerte beharrlich ihren Dienst. Als sie endlich freigab, ging’s erstmal an die 30 Meter weit raus. Ich gewann einige Meter Schnur, „es“ kam hoch und sprang, schraubte sich schüttelnd fast vollständig aus dem Wasser. Ein Hecht, ein gewaltiger Hecht! Ein Schädel wie ein Krokodil. Erneuter Fluchtversuch gegen die wieder versagende Bremse, verzweifeltes Am-Bremsknopf-Fummeln (Gedanke 2: Zuhause sofort neue Rolle kaufen!). Er will hinten ums Boot rum, ich versuche ihn in die andere Richtung zu dirigieren. Das klappt mühsam. Dann ging’s wieder ab nach draußen. Er steht, er schüttelt, (Gedanke 3 : BITTE JETZT NICHT MEHR AUSSTEIGEN!) er taucht auf. Zeigt sich ca. 50 Meter vom Boot entfernt an der Wasseroberfläche, in voller Länge. Maul auf, die Rücken- und Schwanzflosse aus dem Wasser ragend. Atemberaubend groß und schön. Ich kann ihn – inzwischen auf der Bugplattform kniend – in einem weiten Viertelkreis Richtung Heck manövrieren. Mein Blut ist inzwischen vollständig durch Adrenalin ersetzt, bei der Tour de France wäre ich durch jede Dopingkontrolle gefallen. Bremse soweit offen wie vertretbar, falls er nochmal loszieht. Macht er nicht, ein kräftiges Schütteln und Schlagen, dann kann Lars ihn sicher keschern, ich falle auf den Hintern und schreie irgendetwas. Wie lange der Drill gedauert hat? Keine Ahnung! Gefühlte endlose Stunden…unvergesslich!
Dann liegt er – also eigentlich SIE – ausgestreckt vor mir. SIE ist ziemlich fertig, ich bin ziemlich fertig. Unentschieden. Das Bandmaß entrollt sich locker über die magische Ein-Meter-Marke hinaus und streckt sich weiter und weiter und weiter…
Zwei durch jahrelange Büroarbeit gestählte Beamtenarme versuchen einen gut 16 Kilo, verteilt auf 128 cm Körperlänge, schweren Hecht so hochzuhalten, dass wir beide digital-fotographisch erfasst werden können. Bei begrenztem Platz auf schwankendem Boot ein durchaus humorvolles Unterfangen, zumindest für die anderen Mitangler.
Der größte Hecht meiner bisherigen „Anglerkarriere“, der zweitlängste Fisch, den ich bisher überhaupt landen konnte.
Mein Angelfreund ging leer aus an diesem Tag. Ihm war aber auch nicht mehr ganz so übel. Gefreut haben wir uns beide über den größten Hecht meines bisherigen Anglerlebens. Hölle und Himmel. Und nachher mit Hacki und den Mitfischern haben wir den Hecht im Hafen standesgemäß begossen.
Fazit : Nicht aufgeben! Auch wenn erstmal nichts geht. Das Geld fürs Guiding ist kein Kauf einer Fanggarantie. Es ist aber gut investiert, wenn man das Gewässer nicht kennt und sich voll auf das Fischen konzentrieren will. Die Jungs von Angeln Exklusiv wissen sehr gut Bescheid und helfen immer weiter.
Der Peenestrom und die Boddengewässer sind riesige Wasserflächen mit großen Fischen. Sie liegen auf dem Planeten Erde und nicht im Himmel. Aber manchmal liegen sie dem sehr nah…
PS.: Wie bei der Oskarverleihung bedankt man sich bei Diesem und Jenem. Ich bedanke mich vor allem auch bei dieser alten Hechtlady, die Geschmack fand an meinem Plastikfisch mit Bleikopf, nach all den leckeren Heringen und was sie sonst noch alles gefressen hat. Ich hab ihr wohl etwas Angst gemacht, wir sind halt beide Räuber. Sie hat mir was mitgegeben, was ich wohl nie vergessen werde. Danke dafür.