Gewässer-Tipps Fischereimanagement an den Talsperren des Ruhrverbands – Teil 3
Letzte Woche, im zweiten Teil drehte sich alles um den Barsch und die Seeforelle. In diesem Teil werdet Ihr mehr über Karpfen, Wels, Kormoran und Co. erfahren. Viel Spaß beim Lesen!
Clemens Strehl: Die Weißfische zählen ja in den Talsperren zu den Massenfischarten. Doch wie sieht es mit den Karpfen aus? Lohnt die gezielte Karpfenangelei?
Markus Kühlmann: Ich achte in der Talsperrenbewirtschaftung in erster Line auf die fischereibiologischen Gegebenheiten. D.h. ich schaue, was der Lebensraum bietet und überlege mir was passt hier rein, welche Fischart und in welcher Menge kann die Talsperre ernähren. Je nach Gewässer besetzen wir auch Schleie und Karpfen. Allerdings wird die Schleie nur in geringem Umfang besetzt und spielt anglerisch kaum eine Rolle. Für den Karpfen sind vor allem die Vorbecken der Talsperren geeignet. Die Vorbecken sind flacher, wärmer und nährstoffreicher als die eigentlichen Talsperren. Das Olper Vorbecken, das Wameler Vorbecken und die Listertalsperre erhalten einen deutlich erhöhnten Besatz mit zweisömmrigen Karpfen. Dort ist das ausdauernde Karpfenangeln mit Sicherheit erfolgreich. Doch auch die Möhnetalsperre halte ich für ein gutes Karpfengewässer, eben weil sie auch recht flach und warm ist und wir hier viele Zebramuscheln als Nahrungsgrundlage für den Karpfen haben. Hier werden auch starke Besatzmaßnahmen durchgeführt. Im vergangenen Jahr haben wir bei einer Probebefischung im Hauptbecken der Möhnetalsperre einen 36 Pfünder und einen 38 Pfünder gefangen und nach dem vermessen zurück gesetzt. Außerdem ging dort einem Angler ein 44 Pfünder an den Haken. Bei der Henne- und Sorpetalsperre konzentriert sich der Besatz ebenfalls auf die jeweiligen Vorbecken.
Guter Schuppenkarpfen aus einer Ruhrverbandstalsperre
Clemens Strehl: Gibt es Welse in den Talsperren?
Markus Kühlmann: Welse werden nicht besetzt, sind aber seit Jahren schon da. In der Ennepetalsperre habe ich sogar schon nachgewiesen, dass sie sich vermehren. Auch in der Biggetalsperre gibt es bereits Welse, die auch geangelt werden. Hier ist der Fisch illegaler weise besetzt worden. In der Möhnetalsperre fangen wir ebenfalls immer wieder mal ein oder zwei Exemplare pro Jahr. Woher sie stammen, ist uns aber nicht bekannt.
Clemens Strehl: Ist ein Boot bei der Angelei auf den Talsperren unerlässlich oder lohnt es auch vom Ufer aus?
Markus Kühlmann: Bootsangeln wird immer wichtiger. Dadurch, dass das Wasser in den Talsperren immer sauberer wird, wird es ja wie bereits erwähnt immer klarer. Somit wird der Fisch immer vorsichtiger. Er verändert seine Lebensweise. Das heißt er lässt sich vom Ufer nicht mehr so leicht erbeuten. Der Fisch zieht dann eher zur Dämmerung an die Uferpartien. Deswegen haben wir vor Jahren hier auch das Nachtangeln gestattet, um einfach dieser Veränderung Rechnung zu tragen und den Anglern, speziell den Uferanglern, etwas zu bieten. Deswegen haben wir das Nachtangeln in den Sommermonaten Juni bis September freigegeben. Ansonsten ist es in den Talsperren so, dass man die besten Fangchancen vom Boot hat. Vom Ufer aus werden die Chancen zumindest in den Hauptbecken schlechter. Aus diesem Grund haben wir die Preise für Tageskarten auch in den letzten Jahren nicht angehoben, da Tageskarten vor allem von Uferanglen genutzt werden. Anders sieht es an den Talsperren-Vorbecken aus. Sie sind immer noch gute Uferangel-Reviere und meine Bewirtschaftungskonzepte berücksichtigen dieses um auch in Zukunft dort das Uferangeln attraktiv zu halten. Für Bootsangler bieten wir auf der anderen Seite an den Talsperren immer mehr Möglichkeiten, Boote zu slippen. Außerdem ist der Ruhrverband der erste Verband, der in NRW das Befahren eines seiner Gewässer (Möhnetalperre) mit E-Motoren erlaubt hat. Das gibt es sonst nur in Hessen, z.B. an der Edertalsperre, wobei diese Talsperre nicht den Status einer Trinkwassertalsperre, sondern den einer Bundeswasserstraße hat. Dieser rechtliche Unterschied ist dabei sehr wichtig. Die Erlaubnis für E-Motoren ist an der Möhnetalsperre als Versuch auf 5 Jahre angelegt. Auf Basis der Erfahrungen, die wir dabei sammeln, entscheiden wir ob wir den E-Motor auch auf andern Talsperren freigeben, bzw. die Bezirksregierung Arnsberg bitten, die Gemeingebrauchsverordnung zur Nutzung der Talsperren entsprechend zu ändern. Denn genehmigen muss den E-Motor letztendlich die Behörde. Bisher sind die Erfahrungen an der Möhnetalsperre dabei sehr positiv, unsere Bestimmungen für den Gebrauch von E-Motoren und Batterien werden von den Anglern gewissenhaft eingehalten.
Entspanntes Bootsangeln auf der Talsperre
Clemens Strehl: Gibt es nur Tages- bzw. Jahreskarten für eine Talsperre oder gibt es auch Verbundskarten für mehrere Gewässer?
Markus Kühlmann: Bisher gab es die Karten immer nur für eine Talsperre. Allerdings haben wir bereits vor zwei Jahren für die Biggetalsperre und das Olper Vorbecken eine Erlaubniskarte herausgegeben. Vormals gab es hierfür jeweils einzelne Berechtigungsscheine. Das scheint ganz gut angenommen zu werden. Außerdem haben wir ab 2010 einen sogenannten Kombi-Jahresschein herausgegeben, mit dem man Henne-, Möhne-, Sorpe-, Bigge- und Listertalsperre befischen kann.
Clemens Strehl: Wie stellt sich die Kormoranproblematik an den Talsperren dar?
Markus Kühlmann: Seit der Jahrtausendwende haben wir an der Möhnetalsperre Probleme mit Kormoranen. Bis 2006 hatten wir im Schnitt im Sommer bis zu 1500 Kormorane an der Talsperre. In der Regel ist das eine Wellenbewegung, d.h. die Vögel tauchen in den Sommermonaten auf und verschwinden im Oktober wieder. Der Kormoran frisst alles, was er kriegen kann. Insbesondere die Kleine und Große Maräne, Jungzander und Barsche werden vom Kormoran bevorzugt. Deswegen haben wir die Hegebefischungen der Kleinen Maräne an der Möhnetalsperre eingestellt und lasse sie mehr oder weniger als „Nahrungspuffer“ für die Kormorane. Denn wenn sich der Kormoran erst mal an den Maränen satt fressen kann, sind die anderen Fischarten eher geschont. Seit Ende 2006 haben wir außerdem die Genehmigung die Kormorane mit Lasern zu verscheuchen. So konnten wir in den letzten drei Jahren die Zahl der Kormorane an der Talsperre meist bei ca. 300 Tieren halten. Diese Genehmigung war allerdings nicht leicht durchzusetzen, da gab es viele bürokratische Hürden und der Naturschutz/Vogelschutz war natürlich vehement dagegen. Schön zu sehen ist dabei, dass die Reduktion der Kormorane bereits nach einem Jahr deutlich positive Auswirkungen auf den Fischbestand der Möhnetalsperre hatte und seit dem die jungen Jahrgänge wieder stark vertreten sind.
Clemens Strehl: Haben Sie an den anderen Talsperren ähnliche Probleme mit Kormoranen?
Markus Kühlmann: Nein. Das Problem ist in den anderen Talsperren nicht so ausgeprägt. Das hat mit dem Schichtungs-, Temperatur- und Sauerstoffverhalten der Möhnetalsperre zu tun. In der Möhnetalsperre bildet sich im Gegensatz zu den anderen Talsperren im Sommer eine ausgeprägte Sprungschicht, unterhalb der das Wasser sauerstofffrei ist. Dadurch steht der Fisch ab Mitte/Ende Juli dicht unter der Wasseroberfläche in einer Wassersäule von 10 Metern. Deswegen kann der Kormoran zu dieser Zeit an der Möhne so erfolgreich und energetisch günstig fischen. In den anderen Talsperren ist auch unterhalb der Sprungschicht noch Sauerstoff, so dass der Fisch sich dort besser verteilen kann und nicht so konzentriert vorkommt. Das macht dem Kormoran mehr Arbeit satt zu werden. Deswegen halten sich die Kormorane in Hochsommer bevorzugt an der Möhne auf. Erst wenn sich das Wasser während der Herbstzirkulation wieder durchmischt wird und der Fisch sich über die ganze Wassersäule verteilt, sucht der Kormoran ab Mitte Oktober freiwillig andere Gewässer auf.
Clemens Strehl: Stichwort PFT. Ist der Genuss gefangener Fische aus der Möhnetalsperre unbedenklich?
Markus Kühlmann: Im Mai 2006 haben wir erfahren, dass hier in der Möhne ein Stoff bzw. eine Stoffgruppe chemischer Verbindungen im Wasser ist, der sich PFT (perfluorierte Tenside) nennt. PFT steht im Verdacht, krebserregend zu sein, was allerdings wissenschaftlich nicht bewiesen ist. Der Stoff wurde ca. 40 km oberhalb der Talsperre bei Brilon illegal in Düngemittel auf Feldern ausgebracht und gelangte von dort durch das Grundwasser in den Möhnefluss und in die Talsperre. Nach dem Bekanntwerden dieses Skandals fanden umfangreiche Untersuchungen der Bezirksregierung, des Landes NRW, Ruhrverbandes und des Bundesamtes für Risikobewertung statt, nach denen im Herbst 2006 eine Verzehrempfehlung für Möhne, Möhnesee und Ruhr ausgesprochen worden ist. Danach kann man ohne Bedenken 900 g Fischfilet im Monat aus der Möhntalsperre essen, ohne den empfohlenen Grenzwert zur Aufnahme von PFT zu erreichen. Diesen empfohlenen Verzehrmengen liegt ein extrem hoher Sicherheitsfaktor zu Grunde, so dass man mit der Empfehlung wirklich auf der sichern Seite ist. Und 900 g Fischfilet pro Monat sind schon eine ganze Menge. Ich glaube kaum jemand hat bisher monatlich soviel Möhnefisch konsumiert. Man braucht also seine Essgewohnheiten nicht einschränken und verändern und kann die geangelten Möhnefische auch nach wie vor genießen. Ich persönlich esse nach wie vor Fisch aus der Möhne, weil ich weiß wie sicher die Verzehrempfehlung ist und wie sie zustande gekommen ist. Darüber hinaus werden regelmäßig neue Fischproben von den Ämtern untersucht und momentan läuft eine umfangreiche Untersuchungsstudie dazu. Aber das Umweltministerium hat richtiger Weise entschieden, die Verzehrempfehlung erst zurück zu nehmen, wenn wirklich in keinem Fisch mehr Spuren von PFT zu finden sind. Im Talsperrenwasser liegen die PFT-Konzentrationen bereits seit dem Frühjahr 2008 unter dem für Trinkwasser festgelegten Grenzwert von 100 Nanogramm (Nanogramm = milliardstel Gramm) pro Liter. In einigen Fischen wurde aber immer noch etwas PFT nachgewiesen. Es baut sich also recht langsam im Körper der Fische ab.
Clemens Strehl: Ist PFT auch an anderen Talsperren ein Thema?
Markus Kühlmann: Nein. PFT ist nur an der Möhnetalsperre ein Thema. Wir haben auch die anderen Talsperren auf PFT untersucht. Da ist aber weder in den Zuflüssen, noch in den Talsperren etwas festgestellt worden.
Clemens Strehl: Abschließend würde mich interessieren, welchen Stellenwert die Sportfischerei im Allgemeinen für den Ruhrverband hat?
Markus Kühlmann: Die Sportfischerei hat für den Ruhrverband einen sehr hohen Stellenwert. Angeln hat einen sehr hohen sozioökonomischen und gesellschaftlichen Stellenwert und es ist eine schonende und sinnvolle Nutzung natürlicher Ressourcen. Ich sehe den Angler hier zudem als Kunden und versuche, auch entsprechenden Service zu bieten. Durch unser professionelles Fischereimanagement liefern wir durch gute Fischbestände die Grundlage und zudem attraktive und faire Angelbedingungen. Die Preise für die Erlaubnisscheine sind im Vergleich zu anderen Seen und Talsperren niedrig. Sie dürfen bei uns Nachtangeln, Driftfischen, Schleppangeln und wie bereits erwähnt seit neustem auch (auf der Möhnetalsperre) den E-Motor benutzen. Das ist an vielen anderen Gewässern nicht so. Allerdings bin ich auch gezwungen, bestimmte Restriktionen zu treffen, da zum fischereilichen Management ebenfalls der Schutz der Fischbestände sowie die Eingliederung der Angelfischerei in das Gesamtgefüge Talsperrennutzung gehört, und zudem Talsperren ganz vielfältigen Nutzungen unterliegen. Das ist zum einen der Talsperrenbetrieb. Hier steht die Energiegewinnung mit Wasserkraft und die Nutzung als Wasserreservoir im Vordergrund. Dafür gibt es technische Vorgaben, die eingehalten werden müssen. Das führt z.B. zu den schwankenden Wasserständen, die für die Laichbedingungen bestimmter Fischarten eben nicht optimal sind. Zusätzlich gibt es eine vielfältige Freizeitnutzung. Da wären die Fahrgastschiffe, Tauchplätze, Segler, Badegäste usw. sowie der Naturschutz. Die Talsperren haben also eine Vielzahl von Anspruchsgruppen. Eine davon ist die der Sportfischer. Sie sind für den Ruhrverband eine wichtige Einnahmequelle. Aus diesem Grunde versuchen wir, unseren Service für Angler stetig zu verbessern und in bestimmte Maßnahmen wie den Bau von Bootszufahrten zu investieren. In Zukunft wird es z.B. ein neues Internetportal für Sportfischer geben. Hier wird es allerlei aktuelle Infos zu den Talsperren und der Fischerei geben. Im Allgemeinen sind wir hier an einer guten Zusammenarbeit mit den Sportfischern sehr interessiert, weil wir bspw. über deren Fangstatistiken noch besser unsere Bewirtschaftungs- und Besatzmaßnahmen planen können. Aus diesem Grund hoffen wir in Zukunft auch auf bessere Rücklaufquoten bei den ausgegebenen Fangstatiken für Jahreskartenbesitzer.
Abendstimmung beim Ansitzangeln an der Möhnetalsperre
Clemens Strehl: Herr Kühlmann, vielen Dank für dieses wirklich ausführliche Interview und die interessanten Einblicke in Ihre Arbeit.
Markus Kühlmann: Nichts zu danken.
Das war Teil 3 der Serie über den Ruhrverband, seine Talsperren und Fische. Nächste Woche schließt die Serie mit dem vierten und letzten Teil. Dort werde ich euch alle Talsperren des Ruhrverbands kurz vorstellen.