Fangberichte Finale furioso am Point in Mozambique
Ich habe gerade die Geschichte vom “Snapper” gelesen. Zu der ein oder anderen Stelle hätte ich ja durchaus noch meine Anmerkung, aber ich will nicht unsportlich sein. Schließlich hatte er ja auch nicht die Chance, auf meinen Bericht zu reagieren. Mein Beitrag erzählt im Prinzip von den selben Tagen am Point von Mozambique. Nur aus meinem Blickwinkel.
Im Folgenden stelle ich exklusiv für Barschalarm eine garantiert neue Angelmethode vor, die so einfach wie genial ist. Dafür, dass ihr von dieser Art zu angeln noch nie was gehört habt, würde ich meine Hand sogar in das Maul eines Tigerhais legen. Außerdem gebe ich schonungslose Einblicke in die seelischen Abgründe eines frustrierten Anglers und ihr erfahrt warum man beim Angeln immer einen Satz Kondome dabei haben sollte. Lasst mich zunächst aber doch noch ein Paar Worte über den “Point” verlieren (all jene, welche ihre Vorfreude auf die Stelle mit den Kondomen nicht mehr im Zaum halten können, scrollen bitte runter….).
Den Point, als den speziellen “Hot-Spot” Mozambiques hatten uns die Einheimischen empfohlen, denn das Ende der Landzunge weist dort einige Besonderheit auf, die es in der Gegend wohl so kein zweites Mal gibt, und die den “Point” sogar zu einem der Top-Reviere im südlichen Afrika machen. Wenn man an der Spitze dieser Landzunge steht, kann man direkt vor dem Ufer eine gewaltige Brandung beobachten. Es scheint als würde ein Riss mitten durch das Wasser gehen. An diesem “Riss” bzw. an dieser Strömungskante, spritzen die Wellen zu bestimmten Tageszeiten meterhoch. Das wiederum liegt daran, dass genau am Point in einzigartiger Weise zwei Meeresströmungen aufeinandertreffen. Diese Meeresströmungen waren es wohl auch, die zum Anschwemmen der Landzunge geführt hatten.
Aus der Sicht des Anglers sind diese Meeresströmungen vor allem deshalb interessant, weil in ihnen jede Menge Nährstoffe mitschwimmen. Zahlreiche kleinere Fische treffen sich hier und nutzen das reiche Nahrungsangebot aus, um sich den Bauch vollzuschlagen. Zum Tauchen ist es aufgrund des nährstoffhaltigen Wassers am Point zwar zu trübe, doch kann man auch vom Ufer aus viele unterschiedlich Fische beobachten. Ständig sieht man, wie Kleinfische auf der Flucht vor Räubern auseinanderspritzen. Ab und zu schießt sogar auch mal der ein oder andere fette Brocken durch die Wellenberge (auf der Flucht vor noch Größeren??). Wenn man dieses Spektakel dort sieht, dann bekommt man eine Ahnung von dem, was unter Wasser abgehen muss.
Abgesehen von solch spektakulären Naturbeobachtungen ist der Point aber vor allem deshalb interessant, weil die Kleinfische für gewöhnlich die etwas größeren Fische auf den Plan rufen. Diese wiederum müssen sich dann ihrerseits vor den richtig Großen in Acht nehmen. Die Divise ist: “Fressen und aufpassen, dass man selber nicht gefressen wird.” Jeder von euch, der schon mal in einer größeren Bürogemeinschaft gearbeitet hat, kennt das Spiel ….
Wir als Angler hatten die Kleinstfische in Ufernähe inzwischen so lieb gewonnen, dass wir es nicht länger ertragen konnten, dass sie sich immer vor den fiesen großen Fischen in Acht nehmen mussten. Wir wollten daher unbedingt etwas für den Schutz der possierlichen Kleinstfische tun und bei den großen Fischen mal so richtig aufräumen. Die Einheimischen sagten uns, dass man vom Ufer aus theoretisch jeden Fisch fangen kann den man auch im offenen Meer findet. Die Betonung dieser Aussage lag dabei wohl auf dem “theoretisch”, denn das Ganze stellte sich für uns doch sehr viel schwerer dar, als wir anfangs vermutet hatten (siehe “Snapper“).
Das Kapitel mit den Blinkern hatten wir relativ schnell abgehakt. Während sich der “Snapper” mit seinem “rostigen Angelhaken” und stets wachsendem Erfolg an den mittelprächtigen Fischen der Uferkante zu schaffen machte, wollte ich nach wie vor den ganz Grossen. Die Entscheidung viel mir allerdings alles andere als leicht, denn das konnte bedeuten, dass ich vielleicht die ganze Woche über einer Fata Morgana hinterher rennen würde, ohne am Ende auch nur einen einzigen Fisch gefangen zu haben.
Beim Snapper mit seinen Tintenfischstücken am “rostigen Angelhaken“ ging es Schlag auf Schlag. Wenn wir uns Abends zum Abendbrot trafen, war es besonders schlimm. Der Snapper war froh gelaunt, pfiff ein Liedchen und briet dabei seine Fische. Zwischendurch musste ich mir die abenteuerlichsten “Drillgeschichten” anhören. Die dazugehörigen Fische servierte er anschließend.
Jeden Abend war es dasselbe Spiel. Nur war es jedes Mal ein anderer Fisch, mit einem anderen Namen (den wir aber meist nicht kannten).
Der “Snapper” lies es zwar nicht so raushängen, dass er es war, der mir jeden Abend das Abendbrot sicherte, doch machte es seine Zurückhaltung insoweit nur noch schlimmer. Ich spürte genau, wie vorsichtig er versuchte, das Thema “Tagesausbeute” zu umgehen. Er redete vom Wetter und der herrlichen Landschaft… – nur von der Fangquote redete er nicht. Es kam mir fast so vor, als hätte er Mitleid mit einem armen Irren, der jeden Tag vergeblich versuchte, eine Fata Morgana einzufangen – und den man nun ja nicht darauf ansprechen durfte…. .
Dabei hätten wir doch mal vernünftig darüber reden können… Ist doch nichts dabei…. Dann hätte ich ihm mal deutlich gesagt, was ich davon halte…., wie mir seine Drillstories zum Hals raus hängen… hätte ihm erklärt, dass seine vielen gefangenen bunten Aquariumfische in den Fischkindergarten gehören und nicht in die Pfanne….,, sind sowieso mehr Gräten dran, als alles andere…. Außerdem ist das Angeln mit kleinen “rostigen Angelhaken” totaler Kinderkram…. und das Ganze überhaupt….. ach’ was weiß ich…
Ja, der geneigte Leser vermutet richtig, wenn er nun den Eindruck gewonnen hat, dass ich etwas sauer war.
Der “Snapper” konnte nun aber wahrlich nichts dafür. Es war einfach so verdammt hart sich täglich neu zu motivieren und am Abend regelmäßig enttäuscht zu werden. Schließlich waren wir an einem der “Top Reviere” des südlichen Afrikas. Davon hatte ich seit Kindertagen geträumt. Ich wollte mir diesen Traum vom großen Fisch nun so gern erfüllen. Doch stattdessen… .
Ja, ich geb’ es zu… ein Hai wäre nicht schlecht gewesen…. . Allein schon wegen der Story. Wenn man dann mal Opa ist, das Kaminfeuer prasselt; … die Enkel auf den Knien hocken und fragen: “Opa erzähl’ noch mal eine Geschichte.”… Dann rückt man etwas dichter ans Feuer, und beginnt mit flüsternder Stimme zu erzählen: “Hab’ ich euch schon die Geschichte erzählt,… wie ich einen Hai vor der Küste von Mocambique mit der bloßen Hand gefangen habe?” (Opa’s übertreiben immer!!)
Jede Wette, dass die Enkel dann alles stehen und liegen lassen und mit offenem Mund der Erzählung lauschen.
In den Tagen in Mocambique habe ich daher nichts unversucht gelassen, um die nötige Hauptperson dieser Geschichte an den Haken zu locken. Ich war mir zwar sicher, dass die Burschen da draußen irgendwo schwimmen, doch hatte ich keinen Plan, wie ich ihnen beikommen sollte. Schon nach dem ersten Tag ahnte ich aber, dass die Spinnangel wohl nicht unbedingt das geeignetste Mittel zum Haiangeln ist. Wenn man zu Hause in den heimischen Boddengewässern fischt, und schon den ein oder anderen Hecht rausgeleiert hat, dann läuft man leicht Gefahr, die Relationen zu verlieren. Man denkt dann, dass jeder beliebige Fisch mit der Spinnangel gedrillt werden kann, und dass alles eine Frage der entsprechenden Schnur, der Drillbremse, und der Zeit ist.
Auch wenn es im Nachhinein schwer ist, es zuzugeben, so muss ich doch gestehen, dass ich in der Vergangenheit wohl ein bisschen so gedacht habe.
Wenn ihr auch noch so denkt, dann schmeißt diese Vorstellung schleunigst über Bord. Was für die heimischen Boddengewässer gilt, hat für den indischen Ozean genauso viel Gültigkeit wie die StVO auf einer Formel – eins Strecke.
Weil ich im Verlauf der Woche auch einige Male mit ansehen musste, wie ausdauernd der “Snapper” mit seinen mittelprächtigen Aquariumfischen rang, und die von mir anvisierten Fisch ungefähr 10 Mal so groß sein sollten, schminkte ich mir den Einsatz der Spinnangel ab. Als Alternative bot sich mir eigentlich nur meine schwere Pilkrute an. Die hatte ich zusammen mit einer Multirolle für das Schleppfischen eingepackt.
So eine Mulitrolle hat aber einen entscheidenden Nachteil. Jeder der schon mal versucht hat, mit so einem Teil zu werfen, weiß wovon ich spreche. Wenn man den Freilauf eingestellt hat und jetzt versucht mit der Multi zu spinnen, dann hat man unter Umständen den herrlichsten Schnursalat auf der Rolle. Man kann natürlich versuchen, die Spule beim Wurf rechtzeitig mit dem Daumen zu stoppen…. aber so richtig funktioniert das meiner Meinung auch nicht. Mit der Spinnangel war das Werfen gut, aber das Drillen im Ernstfalle aussichtslos und mit der Pilkrute und der Multi verhielt es sich genau andersrum.
Was also ist der Ausweg aus dem Dilemma? Jeder, der an dieser kniffligen Frage noch ein bisschen rätseln möchte, sollte jetzt aufhören zu lesen.
Ich habe mir eine Woche lang den Kopf zerbrochen und bin nicht drauf gekommen. Am letzten Morgen jedoch, stieß ich auf die Lösung. Ich gebe zu, dass ich nicht selber drauf gekommen bin, sondern durch einen alten bärtigen Südafrikaner drauf gestoßen wurde. Den traf ich, wie er mit einer fetten Multirolle und einem besenstielartigen Pilkstock am Strand stand.
“Hey”, sagte ich
“H… H…. Hey”, sagte er.
Ich fragte: “Sag’ bloß du willst mit dem Knüppel jetzt werfen?”
Er: “N….Ne…Nein! D…D…Das geht j…j…ja so schlecht”.
Ich wollte ihn schon fragen: “Sag’ mal stotterst du?”, aber dann hätte ich wahrscheinlich seine Multirolle zwischen meinen Zähnen gehabt und so fragte ich den Stotterer höfflich: “U….U…Und wie machst du es dann?”
Böse vorwurfsvolle Blicke durchbohrten mich, dabei wollte ich ihn doch gar nicht veräppeln. Aber manchmal verfällt man ganz automatisch ins Stottern, wenn man mit einem Stotterer redet.
“A…A…Also” sagte er (das Stottern lasse ich der Einfachheit halber weg, er blieb jedoch konsequent dabei). “ Ich fische mit OP-Handschuhen – und du?”
“Nicht schlecht”, dachte ich, “Jetzt fängt der Typ an Dich zu verarschen… – Aber nicht mit mir Bürschchen. Dich lass’ ich auflaufen.” Ich blieb also ganz gelassen und antwortete: “Also ich fische mit “rostigen Angelhaken”.
Er: “Aha interessant – und funktioniert’s….?”
Ich, (bereit sein Friedensangebot anzunehmen): “Nö nicht so richtig, und bei Deinen OP-Handschuhen?”
Er: “Nun ja, heute habe ich noch nichts, aber letzte Woche hatte ich einen 49 kg Kingfish”
Ich: “W….W….WAAAAASSSS? ”
Er (mit bösem Blick): “J….J…Ja, genau an dieser Stelle hier”
Ich: “Vom Ufer aus?”
Er: “Vom U… U…Ufer aus!!!!”
Ich: “Und die gehen auf OP-Handschuhe?”
Er: “Jupp, so fischen wir nur bei uns zu Hause in Südafrika nur”
Draufhin öffnete er wie zum Beweis seine Angelkiste. Mich traf der Schlag. Ihr müsst mir glauben, wenn ich euch jetzt vom Inhalt dieser Kiste erzähle. Alles was ich darin sah war eine Familienpackung OP-Handschuhe, jede Menge “rostige Angelhaken” und ein Beutel stinkender Makrelen. Ich konnte nicht glaube, dass das alles sein sollte, um einen 49 kg Kingfish zu fangen.
Der stotternde Südafrikaner griff sich einen OP-Handschuh und erklärte mir u… u… umständlich, dass er an die Dinger sehr leicht rankäme, weil er Arzt sei und eine eigene Praxis habe.
“Aha – Und nun?”, fragte ich ihn.
“Nun, ja”, stotterte er weiter, “der Wind bläst zu dieser Jahreszeit immer vom Land her. Ich puste also jetzt den OP-Handschuh auf und benutze ihn als eine Art Segel, um den Köder weit rauszubekommen.”
“D….D…Das ist alles?” stotterte ich.
“J…ja, d…das ist alles.” entgegnete er mir mit bösem Blick.
Das ganze klang für mich mehr nach einem abgedreht Plan der Olsenbande und nicht nach einer seriösen Angelmethode. Bis zu diesem Tag hatte ich nicht mal gewusst, dass man OP-Handschuhe aufblasen kann. Aber man konnte. Denn der Arzt aus Südafrika nahm sich mit routinierter Bewegung ein Exemplar aus seiner Kiste und blies es ganz selbstverständlich zur Größe eines Luftballons auf. Vergeblich suchte ich in seinem Blick einen Hinweis darauf zu finden, dass es sich vielleicht doch um einen Scherz handelte. Versteckte Kamera?
Aber alles war real. Kaum war der OP-Handschuh im Wasser, drückte ihn der Südwind mitsamt der stinkenden Makrele auch schon aufs offene Meer hinaus. Der südafrikanische Arzt stoppte den Ballon jedoch schon nach etwa 10 Metern und lies die Montage dort in der Strömung schwimmen.
Ich beschloss, dass der Südafrikaner mit seiner Art zu angeln auf alle Fälle auch eine gute Story für den Kamin und die Enkel abgibt. Ich wollte die OP-Handschuhmethode daher unbedingt selbst ausprobieren, hatte jedoch weder OP-Handschuhe noch Makrele. Angesichts des Umstands, dass ich das Ganze vorher noch für einen Scherz gehalten hatte, konnte ich mir nichts Peinlicheres vorstellen, als den Arzt um ein Paar OP-Handschuhe anzuhauen. Ich war mir bewusst, dass ich mit einer solchen Frage, meine komplette Ratlosigkeit offenbaren würde… Aber es half nichts.
“Was solls“ dachte ich. Schließlich war ich ja auch ratlos und hier am Ende der Welt kannte mich ja sowieso keiner…. “H… H… Hätten sie vielleicht, äääähh – ich meine nur wenn’s k… k… keine Umstände macht…. eventuell ein kleines OP – Handschüchen für mich?” fragte ich ihn schüchtern.
Ohne seinen eigenen schwimmenden Handschuh auch nur für eine Sekunde aus dem Blick zu verlieren, griff er mürrisch hinter sich in seine Kiste und überreichte mir eine Packung.
“Äääääh, Danke,…. und vielleicht auch ein kleines stinkendes Makrelchen?” fuhr ich fort, und wäre am liebsten vor Scham in den Strandsand versunken. Erneut griff er hinter sich, und drückte mir eine von seinen stinkenden Fischen in die Hand.
“Letzte Frage…” sagte ich, “Wie merke ich, dass einer dran ist?”
Er: “O…O… Ooooh, dass wirst du schon sehen….!”
Jetzt konnte es losgehen! Vor Freude und Dankbarkeit ging ich gleich ein Stückchen weiter nördlich die Landzunge rauf, damit ich dem Arzt nicht in die Quere kam.
Ich setzte die Makrele vorsichtig ab, und gab ordentlich Schnur. Ich hatte vor, sie weit draußen in der Strömung schwimmen zu lassen. Das war gar kein Problem, denn dank des OP-Handschuhs war die Makrele mit einer soliden Schleppgeschwindigkeit unterwegs. Es rührte sich zwar stundenlang gar nichts, doch war mir das egal. Ich war so begeistert über die neue Angelmethode, dass ich den Ballon immer wieder reinholte und neu hinaustreiben ließ.
Dann jedoch passierte es. Nur ein kurzer trockener Knall. Das Geräusch erinnert mich an eine in weiter Ferne zugeschlagene Autotür. Angestrengt suchte ich auf dem Blau des Meeres nach den Zipfeln, des OP-Handschuhs. “Scheisse”, dachte ich, “wo ist das Ding jetzt hin”.
Meine Knie wurden weich, denn ich ahnte und hoffte zugleich, dass dieser Knall das lang ersehnte Signal war. Ich traute mich kaum, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Sollte tatsächlich ein Fisch…? Vorsichtig und mit zitternden Händen, kuppelte ich die Bremse der Multi ein. Sollte ich einholen…? Oder doch besser abwarten….?
Ssssssssss…. Die Schnur flog in einem kurzen Sprint von der Rolle. Dann wieder Stille. Dann wieder: Ssssssssssss…. Für mich gab’ es jetzt keinen Zweifel mehr, dass da am andere ein Fisch war.
“FIIIIIIIIISSSSCH” rief ich über den Strand. Von fern her antwortete eine vertraute Stimme: “I—i—ich komme…!”
Solange konnte ich allerdings nicht warten. Wie angestochen kurbelte ich mit meiner Multi, um dem Gegner schon mal ein bisschen Schnur abzunehmen. Panik stieg in mir hoch. Meine Multi schien ausgerechnet in diesem Moment ihren Geist aufzugeben. Ich blickte auf die Rolle und bemerkte, dass ich zwar kurbelte, die Rolle sich jedoch keinen Zentimeter in die richtige Richtung bewegte. Anstatt des vertrauten Schnurrens des Getriebes vernahm ich immer nur das: Ssssssss….Sssssss…., der Drillbremse.
Meter um Meter ratterte von der Spule. Die ersten kurzen Läufe hatte mein Gegenüber wohl nur genutzt, um sich warm zu machen, denn jetzt begann er erst richtig.Ssssssssssssssssssssssssssss-sssssssssss-sssssss-ssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssss-ssssssssssss-ssssssssssssssssssssss-sssssssssss. Ein nicht enden wollender Lauf in atemberaubender Geschwindigkeit begann.
Auf meiner Rolle befanden sich 300 Meter geflochtene Schnur, mit einer Tragkraft von 20 Kilo. Wenige Tage zuvor hatte ich zur Sicherheit jedoch noch einmal 100 Meter Geflochtene (20 Kilo) raufgezogen, um für den Fall der Fälle noch etwas in der Hinterhand zu haben. Jetzt hätte ich mich dafür ohrfeigen können, denn die neue und alte Schnur hatte ich damals mit einem Knoten miteinander verbunden, über dessen Tragkraft ich mir nun alles andere als sicher war. Ich wollte daher um jeden Preis vermeiden, dass der Knoten jetzt mit von der Rolle gezogen wird. Vorsichtig legte ich daher meinen Daumen auf die Rolle, um den noch immer andauernden Lauf etwas zu stoppen.
“N… N… Nimm Deine verfluchten F… F… Finger von der Rolle”, hörte ich es hinter mir schreien. Ich hatte den Südafrikaner zunächst recht friedlich eingeschätzt und hätte ihm so einen lauten Ton gar nicht zugetraut. Nun hatte er mich mit seinem Gebrüll richtig erschrocken. Statt den Fisch mit dem Daumen abzubremsen, begann ich nun mit der linken Hand an der Drillbremse rumzuschrauben.
“N… N… Nimm Deine verfluchten F… Finger von der Dillbremse” schrie die Stimme hinter mir erneut. Wieder zuckte ich zusammen.
“D… D… Du hast jede Menge Schnur auf Deiner Rolle. Du kannst ihn doch ziehen lassen Junge!!” schrie er aufgeregt.
“Aber…aber… aber, so verstehen sie doch… der Knoten…. d…d… das Risiko…!!” stotterte ich.
“U… u… und hör’ auf mich zu verarschen” schrie er.
Es schien mir ratsam ihn jetzt bloß nicht weiter zu provozieren. Deshalb schwieg ich. Das Problem mit dem Knoten hatte sich unter dessen von ganz von alleine gelöst, denn dieser war vor wenigen Augeblicken in beeindruckendem Tempo durch die Rutenringe geschossen. Noch hielt er. Doch wie lange noch?
Ich fluchte ein wenig auf Deutsch vor mich hin. Der Fisch nahm unter dessen Meter um Meter von der Rolle. Langsam wich die Hektik allerdings einer gewissen Routine. Die andauernden Fluchten des Fisches waren berechenbar geworden und ließen mir Zeit mich zu sammeln. Ich drehte mich um und demonstrierte dem Südafrikaner, dass ich mit meiner Rolle keinen Meter kurbeln konnte. Er hatte ein Einsehen und gestattete mir, dass die Drillbremse etwas fester gezogen wird.
Allerdings traute er mir die Ausführung dieser sensiblen Tätigkeit nicht selber zu. Stattdessen beugte er sich mit wichtiger Miene selbst zu dem Rädchen runter und drehte es vorsichtig etwas weiter. (Fehlte nur noch, dass er die OP-Handschuhe für diesen Eingriff übergezogen hätte).
In meinen Augen hatte sich nicht viel verändert. Der Fisch schwamm weiter in Richtung Südindien und ich hatte noch kaum einen Meter gutgemacht. Nach einer Weile jedoch wurden die Fluchten immer langsamer und seltener. Stattdessen gelang es mir, Meter um Meter zurück zu gewinnen. Als es mir schließlich sogar gelang, den Knoten wieder einzufangen, nutzte ich einen unbeobachteten Moment und drehte die Drillbremse heimlich etwas fester.
Jetzt bewegte sich der Drill in Siebenmeilenstiefeln seinem Ende entgegen. Innerhalb weniger Augenblicke hatte ich den Fisch in Sichtweite. “Ein Hai!” schrie ich – “Ein gottverdammter Hai…. Enkelkinder, versammelt euch um das Kaminfeuer,… es ist ein Hai… das gibt eine Geschichte!!! – Augenblick verweile doch, du bist so schön…..”
“N… n… nun” stotterte der Südafrikaner “E… e… es ist mitunter sehr schwer, einen Hai von einem “Prodigal Son” zu unterscheiden”
Von einem ….Was? “Was orakelte der Südafrikaner denn nun schon wieder?”, dachte ich. Dass das ein Hai ist, konnte doch ein Blinder sehen. Das was da vor meinen Füssen seine Runden drehte sah’ von vorne bis hinten nach Hai aus. Breite, flache Haischnauze, tiefsitzende Haiaugen, zackige Hairückenflosse und auch sonst, ganz und gar Hai.
Ich fand, dass es angesichts des dichter kommenden Besuchs ratsam wäre, mit den Füssen aus dem Wasser zu kommen. Zwar sagen sie in den Tierfilmen immer, dass Haie im Prinzip komplett ungefährlich sind, doch was heißt schon “Im Prinzip”. Und wer weiß das schon genau.
Nachdem ich mich in Sicherheit gebracht hatte, nutzte ich eine geeignete Welle und zog den völlig ausgepowerten Fisch an Land. Das was da lag, war jedoch in der Tat kein Hai.
“D—d—das ist ein “Prodigal Son” kommentierte der Südafrikaner meine Überraschung.
Ich war beeindruckt, dass der Südafrikaner diesen Fisch, von dessen Existenz ich noch nicht einmal gehört hatte, bereits 10 Meter vor dem Ufer identifiziert hatte. “Prodigal Son” ist im Englischen die Bezeichnung für den “verlorenen Sohn” in der Bibel.
“Na dann willkommen zu Hause” sagte ich.
Wie man den “Prodigal Son” im Deutschen nennt, weiß ich leider nicht. Ich habe schon im Vorfeld dieses Berichtes im Internet über ihn recherchiert, doch nichts gefunden. Ich schreibe den “Verlorenen Sohn” daher hiermit steckbrieflich zur Fahndung aus. Alles was ich über ihn weiß ist, dass er 11 Kilo wog und in seinem Herzen offenbar eine echte Kämpfernatur ist. Laut dem südafrikanischen Stotterer, lebt dieser Fisch sein ganzes Leben mit einem einzigen Partner zusammen. Geht einer von beiden an den Haken, dann kann man sicher sein, dass kurz darauf der zweite beißt. Hier ist schon mal ein Photo von dem einen.
Soweit ich weiß schwimmt der andere noch da unten. Also wenn ihr mal in der Gegend seid, dann vergesst die OP-Handschuhe nicht.
Ach ja, entschuldigt. Für alle, die diesen Artikel nur deshalb bis zu Ende gelesen haben, weil sie die Sache mit den Kondomen erfahren wollten, kommt jetzt die Belohnung: Statt OP- Handschuhen kann man auch Kondome aufblasen (sagt der Stotterer). Also wenn euch eure Frau mal fragt, warum ihr mit einem 10er Pack Kondome zum Angeln fahrt, dann habt ihr mit diesem Artikel die passende Erklärung.
Tiger