Fangberichte Feuchte Begegnung von Uwe Pinnau
Hinter dem obigen Titel eine amouröse Anekdote oder Liebesbeichte zu vermuten, wäre ausgesprochen töricht und übertrieben, aber sehr anregend war das zu schildernde Aufeinandertreffen dennoch. Begonnen hat es mit der Nachfrage von Freunden, ob ich nicht Lust hätte, zum Saisonstart mit nach Holland zu kommen. Natürlich willigte ich ein, ohne zu wissen was der Tag wohl bringen würde; an ein unvergessliches, fundamentales und richtungsweisendes Erlebnis war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken.
Als wir ankamen, schien das Wetter ganz gut zu sein, allerdings mehr zum Sonnenbaden denn zum Angeln. Kein Wölkchen trübte den Blick gen Himmel und das Wasser lag da wie ein silberner Teller, so windstill war es. Guter Dinge fuhren wir hinaus und ließen die Köder zu Wasser. Die erste Stunde war schnell rum und es hatte sich noch nichts getan, auch das Wetter blieb unverändert, d.h. ungünstig.
Um die womöglich Schnur- und Vorfachscheuen Fische zu überlisten, schlug ich vor, es in schattigeren oder trüberen Gewässerbereichen zu versuchen. Auf der Suche nach derartigen Konditionen, passierten wir eine Flachwasserzone, in die das klare Wetter ungetrübte Einblicke ermöglichte. Beiläufig bemerkte ich einige Barsche, die am Grund entlangpatroullierten. Ich machte kehrt, um meiner zweitliebsten Fischart nachzustellen. Leider waren die Barsche schnell in dem Unterwasserurwald aus Kraut verschwunden. Wir zogen suchend noch eine Bahn als mir etwas Merkwürdiges auffiel. Um mich zu vergewissern fuhr ich abermals dort lang.
„Sieh mal da!“, sagte ich zu meinem Bootspartner, „Nur ein Stück Holz“ entgegnete er. „Holz mit einer Schwanzflosse? Nie im Leben!“. Es war unglaublich, eine wirklich große Hechtdame lag einfach auf dem Grund in 1,2 m Tiefe und relaxte ein wenig, vielleicht eine Art Verdauungsschläfchen, jedenfalls sah es so aus. Wir drifteten einige Meter weiter und begannen unsere Köder in die Richtung werfen, wo wir den Hecht zu finden glaubten. Schon beim ersten Einholen, folgte die kapitale Dame. Ein Riesenfisch im klaren Wasser direkt hinter meinem Köder, nur eine Rutenlänge Distanz zu mir. Ich war total atemlos, der Schweiß lief mir die Nase runter und ich war total mit Adrenalin abgefüllt. Einen Messerstich in den Oberschenkel hätte ich wahrscheinlich gar nicht bemerkt.
Nur ich und dieser elende Bastard, Auge in Auge. Der Hecht folgte dem Köder eine Ewigkeit lang. Sekunden die mir wie Stunden vorkamen und das, obwohl ich alles Mögliche versuchte, den Köder nie aus dem Wasser nehmend. Ich beschleunigte, verlangsamte, links-rechts Rucke, langsam und schnell, figure eight……nine, ten….., nichts passierte. Köderwechsel ! Der Löffel wurde ignoriert, der bleikopfbewehrte Gummifisch fing nur das Kraut am Boden während der Hecht sich langsam entfernte. Wir versuchten zu folgen und fanden den Fisch ca. 30 Meter entfernt, in bereits bekannter Pose, am Boden liegend. Abermals gelang es uns nicht einen Biss zu provozieren, bevor die schöne Lady sich entschloss in tieferes Wasser zu entschwinden, um sich unserer gierigen Männerblicke zu entziehen und den Nachmittag in Muße zu verbringen, nachdem sie mich beinah in den Wahnsinn getrieben hatte. Eine unglaubliche Erfahrung, in deren Verlauf ich um Jahre gealtert bin. Schon oft habe ich die Fanggeschichten von Muskyanglern gelesen, in denen es immer wieder um die gleiche traurige Geschichte ging: Ein großer Fisch folgt dem Köder, schaut Dich an, macht Dir Hoffnung und verabschiedet sich unverrichteter Dinge wieder. Nun war dasselbe mir passiert, aber nicht in Nordamerika, sondern vor der eigenen Haustür und mit einem Hecht. Natürlich hatte auch ich schon oft Nachläufer von allen möglichen Raubfischen, aber sowas ist mir noch nie passiert. Dass gerade ein Kapitaler mich derartig prüfen musste, spricht für die Erfahrung, die Altfische zunehmend vorsichtiger werden lässt.
Letztendlich war ich ein bisschen betrübt, aber andererseits auch sehr dankbar, diese Erfahrung gemacht haben zu dürfen, beim nächsten Aufeinandertreffen werde ich hoffentlich das richtige Rezept gefunden haben, um die Dame zu verführen, vielleicht einen bereitliegenden Naturköder, den sie eigentlich nicht ignorieren sollte, sonst wäre sie nicht so groß geworden.
Um den Tag noch irgendwie zu retten und mich ein wenig zu zerstreuen, angelten wir danach* weiter und als wäre es noch nicht genug, folgte ein 90 cm-Hecht meinem Köder, schwamm eine Runde hinterher, verharrte unter dem Boot, folgte nochmals und entschwand auf Nimmerwiedersehen. Fast zuviel für meine strapazierten Nerven, doch was sollte ich tun?
Weiterangeln natürlich, denn es musste ja auch noch normale Hechte geben! Zwei davon um die 80 cm fingen wir dann auch noch und waren ganz zufrieden. Noch Tage und vor allem Nächte später, verfolgten mich die Eindrücke dieses Angeltages und ließen mich zu der Überlegung kommen, ob es nicht vielleicht besser wäre, das nächste Mal ohne Polbrille zu angeln, denn was ich nicht weiß…….!
Eines weiß ich ganz sicher; ich werde diesen außergewöhnlichen Angeltag nie vergessen !
Sicherlich hat der eine oder andere von Euch schon ähnliche Erfahrungen gemacht und bislang für sich behalten, oder als unwichtig eingeschätzt. Schreibt über Eure Erfahrungen im ANDVARI, wir alle können davon lernen und gemeinsam vielleicht so manchem „Geheimnis“ auf die Spur kommen !
uwe
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