Hecht Farb-Guide im Hechtdschungel
Wer kennt sie nicht, die Situation in der ein neuer Köder her muß, um jeden Preis. Die Größe, Lauftiefe, das Laufprofil, oder die Farbe stimmen heute einfach irgendwie nicht. Während der Naturköderangler sich nun vielleicht für die kleine Sardine, die dunkle Karausche, das Standardrotauge oder eine der noch einigen anderen Varianten entscheiden muß, hat es der Kunstköderangler ungleich schwerer.
Hunderte von Kombinationen stehen zur Verfügung, und sofern man nur einige davon besitzt kann es schon ganz schön schwierig werden, besonders dann wenn es die Umstände, beispielsweise Wetterverhältnisse, erschweren eine halbwegs eindeutige Prognose zu stellen. Wären da nicht die persönlichen Vorlieben oder auch Abneigungen die ein jeder so hat, schließlich angelt das Auge ja mit!
Das Kernproblem
Genau hier liegt das Problem, statt ganz objektiv an die Sache heranzugehen, verläßt man sich immer wieder auf die alten Favoriten und hat so vielleicht schon das eine oder andere Mal sein Glück der falschen Wahl anvertraut.
Meine persönliche Problemfarbe war immer schon rot-weiß, der berühmte Red-Head. Von vielen Anglern als Topfarbe, oder zumindest gängiges Muster geschätzt, führten bei mir die blassen Gesellen mit den roten Häuptern ein Schattendasein, inmitten all ihrer andersfarbigen Verwandten. Daß ich jetzt gleich ein „Wobblerrassist“ bin, möchte ich nicht behaupten, denn schließlich habe ich schon mit den verschiedensten Farben erfolgreich gefischt und mir nur auf gut Glück hin gleich eine ganze Reihe von Rotköpfen zugelegt, ja ich war auch schon dabei, wenn andere Angler damit fingen, doch hatte ich persönlich einfach kein Vertrauen zu den Dingern. Aus Nichtvertrauen folgt natürlich mangelnder Einsatz und wer kaum eingesetzt wird, kann auch keine Fische fangen, aber was will man machen wenn die visuellen Reize der Kunstköder sich schon bei der Auswahl durch den Angler so gravierend bemerkbar machen?!
Lösungsansätze
Jahrelang konnte ich nicht raus aus meiner Haut und verließ mich in Problemsituationen immer wieder auf althergebrachte Muster oder gar gänzlich ungetestete Neueinkäufe, nur eben nicht auf rot-weiß.
Ich fing an das Problem- ja vielleicht sogar die Phobie im Unterbewusstsein zu ergründen und suchte nach persönlichen Assoziationen mit rot-weiß. Gut, zuerst dachte ich an eine ganz miese, aber leider sehr große Tageszeitung, dann folgten matschige Fritten, eine ganze Reihe oft eher mittelmäßiger Fußballclubs und die Tischdecke nach einem Kindergeburtstag; alles keine besonders aufregenden Aspekte, von befleckter Unschuld vielleicht mal abgesehen.
Der erste Teilerfolg
Der Grundstein zur Problembewältigung wurde im Herbst ’98 gelegt. Nach einigen guten Fängen auf Standardfarben und ein paar Glücksgriffen bei widrigen Umständen, hatte sich ein Gefühl der Unfehlbarkeit eingestellt und ich sah mich schon als König Midas der Kunstköder mit Gold beladen übers Wasser laufen. Diesen Plan musste ich aber erst mal bis auf weiteres verschieben, denn ganz abrupt blieben die Fänge aus und das nebelige Nieselregen- Wind-Wetter schlug mächtig aufs Gemüt.
Doch da war ja noch mein Bootspartner (Star aus „Bruschetta Burning 1+2“), ein Tausendsassa in Sachen Raubfischangeln und Glückspilz noch dazu, wie sich herausstellen sollte. Unbekümmert hing er einen Red-Head-Wobbler über Bord und fing prompt den ersten Hecht des Tages. In einer Mischung aus Ratlosigkeit und Wetteifer verließ auch ich mich auf die Farbe, behielt aber die Rute schon gleich in der Hand, um den Köder mangels Vertrauen auch bald wieder wechseln zu können. Überraschenderweise erhielt auch mein Köder eine Quittung für sein freches Auftreten. Der Biss war schon ziemlich wuchtig und für einige Sekunden durfte ich einen Kontrahenten am anderen Ende der Schnur bändigen, der es offenbar in sich hatte. Wie schon gesagt, der Spaß war nach kurzer Zeit vorbei und der Fisch ausgestiegen. Schade, aber so etwas wie ein Anfang.
Der Glücksgriff
Herbst ’99, gleiche Stelle, gleiche Welle. Fast alles war so wie im Vorjahr, bis auf das vergleichsweise freundliche Wetter. Ansonsten war es eher ernüchternd, denn was immer wir taten und anboten wurde mit Ignoranz gestraft. Der Tag war kurz vor dem Ende und eine Wende musste her, um ihn noch zu retten.
Als ich die Köderbox öffnete, war mir klar, dass der nächste Köderwechsel aus Zeitgründen der letzte dieses Tages sein würde und so entschloss ich mich etwas absolut Verrücktes zu tun; ich griff zum Rotköpfchen (auch Kaiserstühler, alter Ire und Osram – in Anlehnung an Jupp Heynckes – genannt). Meine Hand zitterte. Wer ist schon so blöde und sucht sich zwischen all den schönen Weißfischimitaten, den liebreizenden Barschen, den grazilen und täuschend echten Forellen, sowie den zeitweise doch eher direkten und koketten Firetigern gerade den schnöden Red Head raus? Das ist, als dürfe man sich zwischen Jennifer Lopez und Mariah Carey entscheiden und gäbe dennoch Claudia Nolte den Vorzug (Anm.: Der Vergleich lässt sich ebenso gut mit Sahnetorte und Matzen, oder großem Bordeaux und Spülwasser darstellen). Absolut nicht nachvollziehbar, aber was soll’s, die Würfel waren gefallen und ich klinkte das Scheusal in den Karabiner ein, um es dann einige Meter ablaufen zu lassen. Schon beim zwischenzeitlichen Abstoppen mit dem Daumen verspürte ich ein vehementes Rucken, das soll doch wohl nicht…..? Doch, es war ein Hecht und mit 11pf bei 82cm Länge ein recht stattliches Exemplar! Kein Zufall ?
Noch etwas geschockt von soviel stürmischer Verehrung für ein von mir so schmählich behandeltes Produkt, griffelte ich nochmals in der Köderbox herum und gab meinem konsternierten Angelpartner ebenfalls einen rot-weißen Wobbler. Tja, was soll ich sagen, nicht einmal fünf Minuten später und das vermeintliche Wunder wiederholte sich. Der Hecht war nur unwesentlich kleiner und somit ein schöner Abschluss für den Tag, denn es wurde auch schon dunkel. Das Erstaunen wich einer tiefen inneren Freude und Genugtuung, für diese mutige Entscheidung belohnt worden zu sein. Der Bann war gebrochen und eine Vertrauensbasis geschaffen.
Vermutungen
Offenbar passte der Read Head genau in die, für diesem Tag ausgeschriebene Favoritenrolle. Einen schmalen Nischenbereich, der eine ganz bestimmte Farbkombination erforderte, denn ansonsten unterschieden sich die Erfolgsköder durch nichts von all den „Versagern“.
Warum jetzt gerade rot-weiß so gut ist weiß ich auch nicht. Die Geschichte von dem verpilzten Fischchen mit den noch knallroten Kiemen, kommt mir genauso stupide vor wie die Version mit dem Vanilleis und der Erdbeersauce. Wahrscheinlich ist es doch eher einfach nur die immense Signalwirkung, die durch den starken Kontrast entsteht und deshalb auch immer wieder Einzug in den Alltag hält sei es durch Werbung, oder sonstiges.
In einer Zeit der Reizüberflutung ist rot-weiß so etwas wie ein Klassiker, ein Evergreen, der einen Platz in der Köderkiste ebenso verdient wie all die anderen Schönheiten.
Der gute Vorsatz
Die meisten Angler wissen dies schon längst, doch für mich kam die Erleuchtung recht spät und ich weiß jetzt, daß man auch in diesem Bereich des Lebens gut beraten ist, vermeintlichen Außenseitern mal eine Chance zu geben.
Ich weiß von anderen Anglern, denen es genauso, oder ähnlich wie mir erging. Vielleicht wäre ein anderer Standpunkt zu dieser Angelegenheit mal ganz lesenswert?!