Fangberichte Eine Frage der Ehre
Wenn der Dori und ich in Spanien mit unseren Reisegruppen unterwegs sind, können wir uns die Jungs und Mädels ganz genau anschauen, die sich in unser Camp eingebucht haben. Umgekehrt erfahren unsere Gäste, was es bedeutet, Teamangler eines japanischen Familienunternehmens zu sein. Kaum jemand ahnt, dass man mit dem Eintritt in die Shimano-Familie nicht nur die Ehre hat, das schönste Angelgerät zu testen. Die Medaille hat nämlich zwei Seiten. Als Shimano-Teamangler repräsentiert man die Firma 24 Stunden an 7 Tagen. Jede Woche. 12 Monate im Jahr. Am Wasser und auch im normalen Leben. Aufgeben oder auch nur Zweifeln, Blanken… alles genauso verboten wie unehrenhaftes Auftreten in der Öffentlichkeit. Wir bekleiden eines der härtesten Ämter in der Angel-Industrie und stehen von morgens bis abends unter dem selbstauferlegten Druck, alles für die Firma zu geben und keine Schwäche zu zeigen.
Im Camp haben wir die Gelegenheit, Angler auf Shimano-Tauglichkeit zu testen. In diesem Jahr hat es Markus aka balu1988 erwischt. Es hat ganz harmlos angefangen mit einem Kappen-Tausch. Nix gegen andere Firmen. Aber nach 2 Tagen, an denen wir krampfhaft die Augen zugedrückt haben, konnten wir uns das mit durchschnittlichen Fängen verbundene Trauerspiel nicht mehr ansehen und haben Markus eine Gewinnerkappe verpasst. Dass schon mit der ersten Ausfahrt unter blauer Kappe auch auf Markus die Shimano-Werte-Schablone angelegt wird, hat er nicht geahnt. Doch wir haben ganz genau hingeschaut und mussten dem „Lehrbua“ am Abend ein vernichtendes Zeugnis ausstellen.
- Gleichgewicht bei der Bootsfahrt nicht korrekt verlagert
- Mehrfach den E-Motor nach dem Gebrauch nicht gesichert
- Schlecht abgeankert
- Schuld auf andere geschoben („Du hast doch gesagt, ich soll hier ankern.“)
- Unmännliches Angeln im Holz mit Cheburaschka und verstecktem Haken
- Zaghaftes Anschlagen
- 0 von 1 Bissen verwandelt
- Nicht erkannt, wann der letzte Wurf am Spot abgebrochen werden muss
- Den Dienstälteren die Hänger nicht angekündigt
- Mehrfach hartnäckig eine eigene Meinung vertreten
- Nudelsalat-Aufnahme verweigert usw.
Wir haben uns in dieser Nacht lange beraten, wie wir weiter mit dem Lehrling vorgehen sollen. Rückstufung zum Praktikant? Komplett aufgeben? Oder eine Zweitchance einräumen. Final haben wir uns für Letzteres entschieden. Schließlich ist der Markus ein Netter und er war wirklich stets bemüht. Mehrfach hat er betont, dass ihm der Druck eigentlich zu krass ist und dass er die Kappe am Abend wieder abgeben will. Doch aufgegeben hat er nicht und sich von gleich zwei Lehrmeistern sehr viel Kritik geduldig angehört. Und manchmal hat er sogar gelacht, wenn wir ihm seine Verfehlungen direkt aufgezeigt haben. Außerdem hat er beim vierten Mal sogar die Expander um den E-Motor gelegt – auf ein bloßes Kopfschütteln hin. Und so haben wir das rohe Eisen weiter geschmiedet im blauen Feuer. Wir haben in zweimal mit Dori den Fluss runtergeschickt zum Waller-Raften…
… und ich habe ihn zweimal mitgenommen zum Zanderzupfen.
Nicht dass da jetzt alles Gold wäre, was glänzt. Wir haben aber beschlossen, die Lehre zu verlängern und so werden wir Markus nächstes Jahr wieder aufnehmen in der Angler-Schmiede. Die Auflage war allerdings, dass er sich diesmal zwei Wochen stellt anstatt nur sieben Tagen. Selbst mit Verlängerung ist der Markus eine echte Herausforderung für uns. Der stellen wir uns aber wirklich gern. Er ist einer von der superguten Sorte. Ein besonderer Mensch wie wir ihn in dieser Form noch nicht getroffen haben.
Deshalb auch diese kleine nicht ganz ernst gemeinte Geschichte zu seinen Ehren hier.