Tipps & Tricks Ein paar Gedanken zum Thema
Im Internet, an „Stammtischen“ und in den Angelläden wird der Lipgrip heftig diskutiert. Ich habe das Ding bis vor kurzem selber gerne verwendet, um kleine Hechte schnell vom Haken zu lösen. Bei einer Angelveranstaltung mit einem Haufen Holländern wurde ich dafür schwer gerügt. Zwar kann sich ein Schusshecht mangels Gewicht den Kiefer nicht spalten, wenn er an der Zange zappelt, aber Infektionen kann‘s geben und es kann sein, dass die zurückgesetzten Fische einen langsamen und qualvollen Tod durch Verpilzung erleiden. Ok. Der Lipgrip ist also draußen.
Das Thema Fairplay endet hier aber noch lange nicht. Die selben Angler, die mich auf die Gefahren beim Einsatz dieses Geräts hingewiesen haben, fischen gerne mit dem mit zwei Mega-Drillingen und einem Einzelhaken bewaffneten Bull Dawg oder im Winter mit toten Köfis auf Hecht – wohl wissend, dass diese Köder gerne überbissen oder geschluckt werden. Beim in den Niederlanden gepflegten 100-Prozent-C&R-Gebot eigentlich ein Unding und in Sachen Mortalitätsrate womöglich auch nicht viel besser als ein Lipgrip. Neben vielen anderen kleinen und großen Eregnissen und Diskussionen war diese schizophrene Denke Ausgangpunkt, sich mal intensiv Gedanken darüber zu machen, ob’s überhaupt sowas wie Fischfairplay geben kann. Im Wesentlichen geht’s dabei um vier Fragekomplexe: 1. Was kann ich tun, um Verletzungen beim Drill zu vermeiden? 2. Wie lande ich Fische am besten? 3. Wie bekomme ich Fische schneller vom Haken? 4. Wie sinnvoll ist 100 Prozent Catch & Realease?
1. Drillverhalten
Geflochtene Schnüre und harte Ruten übertragen die Bisse wie Blitze in den Unterarm und geben Zander- und Hechtanglern nicht nur den richtigen Kick, sondern lassen uns auch viel mehr Bisse erkennen als weiche Ruten und dehnbare Monofile bzw. Fluorocarbon-Schnüre. Da sich die Fische im Drill ja oft schütteln und weder Rute noch die Schnur nachgeben, ist die Ausschlitzgefahr am harten Gerät höher. Gerade bei Barschen, die in der weichen Maulpartie gehakt sind, kommt es oft zu Rissen im Pergament. Schon allein deshalb ist ein Fluorocarbon-Leader zwischen Hauptschnur und Köder bzw. Hauptschnur und Stahlvorfach für mich Pflicht. Weil das Material eine 30 prozentige Bruchlastdehnung hat, puffert es harte Schläge zumindest ein bisschen ab. Beim Zug-Angeln (z.B. beim Spinnern oder Wobbeln), wo es nicht so auf die Bisserkennung an kommt oder wenn eher in der Nahdistanz gefischt wird, angle ich inzwischen wieder viel mit Mono oder FC und habe im Drill einen Mega-Puffer zwischen mir und dem Fisch.
Zum Barschwobbeln sind Mono und FC top geeignet. Manche Monos haben nur wenig mehr als
10 Prozent Dehnung. Da fällt die Umstellung gar nich sooo schwer…
Apropos Puffer: Immer wieder höre ich von Anglern, die ihren großen Hechten beim Drill „nicht einen Meter gegeben haben“. Klar, machen harte Drills Spaß und außerdem sollte man die Kämpfe auch nicht auskosten, da kurze Fights die Überlebenschancen steigern. Wer seinen Fischen aber wirklich gar keine Schnur gibt und knallhart herankurbelt, riskiert schwerwiegende Verletzungen. Wenn der Haken in den Hechtkiemen sitzt, ist eine brutale Drillgangart das sichere Todesurteil des kapitalen Fisches, den man ja eigentlich wertschätzt. Deshalb darf die Bremse im Kampf auch bei der Verwendung von Brutalo-Gerät nicht komplett geschlossen sein.
2. Fischlandung
Der vermeintlich fairen Handlandung habe ich kürzlich einen viel diskutierten Artikel gewidmet, in dem ich zum Fazit komme, dass ein Keschern im Gummikescher schneller geht, Verletzungen auf beiden Seiten vermeidet und das gummierte Netz damit die bessere Wahl als die Hand ist. Besonders wichtig ist war es vielen Diskussionsteilnehmern, zu betonen, dass große Fischen Schaden nehmen können, wenn man sie nur am Kiemendeckel aus dem Wasser hebt und der dann das ganze Gewicht tragen muss. Deshalb MUSS die andere Hand den Fisch stützen. Das gilt auch für Barsche.
Barsche werden entweder gestützt oder vertikal hängend aus dem Wasser gezogen.
Ich muss mich auch selber dafür rügen, dass ich früher viele Barsche mit der Rute in Boot gehoben habe. Auch diese Landemethode ist eine Unart, bei der die Fische abfallen oder ausschlitzen können. Ab einer Länge von 25 Zentimeter sind auch die Barsche so schwer, dass man sie keschern oder aus dem Wasser heben sollte.
3. Löseprozess
Sind die Fische im Boot, gilt es, sie möglichst schnell vom Haken zu befreien. Dazu ist gutes Handwerkszeug wichtig. Der Barschangler braucht kleine Zangen, die schlank genug sind, um ins kleine Maul zu kommen. Zander- und vor allem Hechtangler benötigen Zangen mit einem langen Griff, um tief inhalierte Köder schnell entfernen zu können.
Ein schnelles Lösen wird auch durch Abrüstungsmaßnahmen begünstigt. Dass ich viele meiner Hardbaits zum Barscheln auf Einzelhaken umgerüstet habe, betone ich u.a. deshalb immer wieder, um euch zu motivieren, diesen Schritt mitzugehen und auf Fische zu verzichten, die sich den Köder nur anschauen und durch den ausschlagenden Köder beim Antwitchen vom scharfen Enddrilling mitgenommen werden.
Im nächsten Schritt sind dann wohl die Widerhaken fällig.
Dieses Tuning haben auch schon alle meine Mefo-Blinker hinter sich. Da es aber auch recht große Einzelhaken mit dem großen Öhr gibt, kann man sich auch als Hechtangler Gedanken machen, ob man seine Wobbler, Blinker, Spinner und Jerks nicht ebenfalls abrüstet, um den Hechten aber langwierige Operationen zu ersparen und sie so richtig guten Gewissens releasen zu können, wenn man sie nicht verwerten „kann“. Ich fische übrigens auch im Meer gerne Einzelhaken an Pilkern. Zum Abrüsten großer Modelle eigenen sich sogenannte Assist-Hooks, die an einer Schlaufe hängen und die einfach eingefädelt werden können.
Klar gibt’s so mal einen Fehlbiss mehr. Aber meistens kann man das ja verkraften.
Viele Angler verzichten auch beim Gummifischangeln auf den Stinger-Hook. Ich halte das für eine noble Geste und wäre gerne selber schon soweit, dass ich konsequent ohne Zusatzdrilling jigge. Im Moment bin ich gerade dabei, mir anzugewöhnen, auch größere Köder zuerst ohne Stinger ins Rennen zu schicken und erst nach ein paar Fehlbissen umzustellen. Das mache ich in dem Bewusstsein, dass mir dadurch die Festhalter und Schwanzbeißer flöten gehen. Mit weichen, schlanken und aromatisierten Faltgummis versuche ich, die Fische aggressiver zupacken zu lassen und die Bissausbeute zu erhöhen. Außerdem angle ich in der Hoffnung, dass ich mehr Bisse bekomme, wenn kein Stinger das Köderspiel stört.
Der rechte Gummifisch geht so natürlich nicht ins Wasser.
Natürlich ist auch das Thema Widerhaken ein Aspekt, den der fischfaire Angler auf der Agenda haben sollte. Im Abhakprozess macht das zeit- und fummeltechnisch einen riesigen Unterschied. Wenn man beim Drillen Acht gibt und die Spannung konstant aufrecht hält, macht der kleine Haken am Haken aber kaum einen Unterschied in der Landungsbilanz. Da das Ankneifen das anglerische Geschick herausfordert, könnte diese Maßnahme einen zusätzlichen Kick für ambitionierte Angler bedeuten. Vor allem an Wobblern kann man sich die Widerhaken meines Erachtens sprichwörtlich klemmen.
Geht ganz easy: Einfach eine Zange nehmen und weg mit den Widerhaken.
Das beschleunigt den Abhakprozess ungemein.
4. Zurücksetzen
Eigentlich ist es am besten, diesen heißen Themenkomplex auszuklammern. Der polarisiert stark und macht uns auch noch angreifbar. Aber so ganz kommt man da halt leider nicht drum herum, wenn’s ums Thema „Fairplay“ geht. Fernab von allen Grundsatzdiskussionen sollte man sich darüber bewusst sein, dass Haken zum Angeln dazugehören. Und Haken verursachen nun einmal Verletzungen. Da Fisch gesund ist und es allemal besser ist, einen Fisch, der bis zum Fang in Freiheit gelebt hat, zu entnehmen, als ins Wurstbrötchen zu beißen, dessen Rohstoff zweifelhafter Herkunft ist, halte ich es für angemessen, augenscheinlich verletzte Fische zu entnehmen und einer sinnvollen Verwertung zukommen zu lassen. Oder anderes herum: Wer verletzte Fische wieder schwimmen lässt, sollte die Moralkeule mit absoluter Bedachtheit schwingen oder gleich in die Asservatenkammer legen.
Es wäre toll, wenn Beiträge wie dieser hier eine Art Diskussionsgrundlage für einen Spinnangler-Codex darstellen könnten, den wir in den nächsten Jahren gemeinsam weiter ausarbeiten. Ich bin selber noch weit davon entfernt, mich als Vorbild hinstellen zu wollen. Aber ich mache mir halt so meine Gedanken. Wenn euch noch was einfällt, könnt ihr ja einen Kommentar ins Forum schreiben. Ich habe dazu einen Thread angelegt („Fischfairplay“ / Spinnangler-Codex), der hofftlich lange auf der Agenda bleibt.