Waller & Exoten Dead Sticking auf Karpfen
Nicht nur im Westen Österreichs wird man etwas schief angeschaut, wenn man mit anderen darüber spricht, Karpfen gezielt mit Kunstködern fangen zu wollen. Aber gerade das hat mich noch mehr angestachelt, es auch wirklich zu versuchen. Dead Sticking auf Karpfen wurde zu einer fixen Idee von mir. Hin und wieder hat man beim Drop-Shot Angeln oder beim Ultra Light Texas Rig Angeln eine Rotfeder oder ähnliches Friedgefisch als Beifang. Das ist beinahe jedem bekannt, und wird auch nicht abgestritten.
Nicht nur meine gelegentlichen Beifänge waren der Vater dieses Gedankens. Auch Victor Eras von „Ich geh‘ angeln“ trägt einen großen Teil der Schuld und der Anteil von Johannes Dietel ist auch nicht zu verachten. Danke an euch beide an dieser Stelle! Außerdem wurde ich auch auf dem Barsch-Alarm- Forum noch ein bisschen angestachelt. Dead Sticking auf Karpfen hat zwar keiner von denen versucht, aber sie alle waren mit Kunstködern erfolgreich auf Friedfische unterwegs.
Ich spielte schon einige Zeit mit dem Gedanken an einen Karpfen auf einen Kunstköder am Ultra Light Tackle. Nachdem ich jetzt schon ein paar Leuten von der Idee erzählt hatte und nach ihrer – sehr unterschiedlichen Meinung – erkundigte, konnte ich keinen Rückzieher mehr machen. Dead Sticking auf Karpfen, es gibt kein Zurück mehr! Nachdem ich eine viel versprechende Stelle ausgekundschaftet hatte, habe ich mich an einem sonnigen Nachmittag auf den Weg gemacht. Ich hoffte auf Karpfen, die sich dort im Frühjahr im seichten Wasser in der Sonne wärmen.
Im Gepäck waren einige fünf Gramm Standup Jigs, die reins Ring Craws, zwei Dosen Mais, mein Fotoapparat, die Shimano Scimitar AX 210UL mit der Quantum Centex Micro FD 310LL. Ach ja, ein Kescher für den erhofften Karpfen musste natürlich auch mit. Handlandungen bei Karpfen sind nicht so mein Ding. Am Wasser angekommen habe ich zuerst eine Dose Mais in den flachen Gewässerabschnitt geworfen und dann meinen Gummikrebs am Standup Jig mitten zwischen den Maiskörnern präsentiert. Für die Ring Craw habe ich mich wegen dem starken Aroma und den auftreibenden Scheren entschieden. Durch den Geruch und die immer in Kampfposition stehenden Scheren können die Karpfen den Krebs leicht finden, auch wenn er sich so gut wie nicht bewegt.
Dead Sticking auf Karpfen, auf was hatte ich mich da eingelassen? Langsam machen sich die ersten Zweifel breit! Ich stellte mich auch eine lange Sitzpause ein. Fünf Minuten… laaaangweilig… kurz am Krebs zuckeln. Noch eine Minute. Den Krebs um zwei, drei Zentimeter versetzten. Die erste Brasse schwimmt vorbei. Kurz darauf kommt ein Hecht vorbei. Auch eine Wasserratte schwimmt völlig unbeeindruckt in der Gegend herum. Da, ein Döbel im Wasser. Hey, da hinten ist etwas! Nach etwa zehn Minuten begannen am meinem Futterplatz immer wieder verdächtige Blasen und Pflanzenteile an die Oberfläche zu steigen. Jetzt durfte ich nur keinen der Karpfen erschrecken. Hoffentlich schwimmt keiner zu arg in die quer über den Platz gelegte Schnur.
Plötzlich setzte sich die Schnur, nach etwa einer Viertelstunde, langsam aber bestimmt in Bewegung. Ich setzte einen sanften Anhieb und spürte sofort massiven Widerstand. Der Fisch schwamm gegen die Strömung. Er war nicht aufzuhalten mit der passend zu meiner Rute, Schnur und Rolle eingestellten Bremse. Doch dann wurde er langsamer. Ich konnte ein paar Meter gutmachen. Jetzt schwamm der Karpfen unter einem Ölabscheider an der Oberfläche durch, ich konnte das Schaben der Schnur an einer scharfen Kante spüren und konnte nur noch die lose Schnur einkurbeln.
Die Stimmung war gedrückt. Nach dem Krawall an dem kleinen Kanal würde wohl nichts mehr gehen. Halt, da waren doch schon wieder ein paar Jungs am gründeln. Eine neue Ring Craw anknüpfen und ab damit auf den Futterplatz. Noch eine halbe Dose Mais dazu und gut ist! Die Spannung steigt… würde ich noch einen Biss bekommen?
Es dauerte nicht lange bis sich die Schnur wieder langsam zu bewegen begann. Anhieb, Widerstand und ab ging die Post! Hui, der war auf jeden Fall ein gutes Stück größer als der, den ich verloren hatte. Da war noch mehr Power dahinter. Ich versenkte sofort die Rutenspitze im Wasser, um die Schnur von der Oberfläche nach unten zu drücken, damit der Karpfen sie nicht wieder an der Oberfläche durchscheuern konnte.
Nach einem starken Run gegen die Strömung legte er eine Pause ein und ich konnte langsam Schnur gewinnen. Plötzlich machte er was ich wollte und kam ohne große Gegenwehr auf mich zu und – Halt! Stopp! Hier geblieben! – war er auch schon an mir vorbei und düste in Richtung der Flussmündung. 25 Meter Schnur waren von der Rolle, bis er sich wieder eine Pause gönnte. Das Kräftemessen dauerte etwa zehn Minuten, bis ich zum ersten Mal sah, wie der bullige Rücken des Karpfens die Wasseroberfläche durchbrach.
Jetzt war mir richtig heiß. So einen breiten Karpfen habe ich noch nie in Natura gesehen. Jetzt durfte ich auf keinen Fall die Nerven verlieren und noch weniger dieses Monster am anderen Ende der Schnur. Nur weg vom Holz. Bitte nicht wieder zum Ölabscheider. Nein, nicht festsetzen. Immer wieder waren bange Momente zu durchleben, aber er kam kontinuierlich näher.
Noch ein paar Runden vor meinen Füßen und beim zweiten Versuch konnte ich die fette Karpfendame keschern.
Fotos machen beim Drillen geht ja noch, aber Selfies mit so einem schweren Fisch sind unmöglich! Schnell ein paar Schnappschüsse,…
… das Maßband und die Wage sagten 78 Zentimeter bei etwa 12 Kilo Gewicht. Da habe ich mein Personal Best für Karpfen doch tatsächlich um vier Zentimeter noch oben verschoben. Außerdem habe ich damit das erste meiner Angelziele für 2016 erreicht. Ich wollte einen Friedfisch mit mehr als 30 Zentimetern auf Kunstköder fangen. Mit dem Karpfen habe ich die 30er Marke wohl knapp überschritten.
Am Ende des Tages war ich super zufrieden – was ein prächtiger Fisch! Es war auch schön zu sehen, wie viel so eine Ultra Light Rute aushalten kann, wenn man gefühlvoll damit umgeht und nicht auf Biegen und Brechen drillt. So etwas schafft Vertrauen. Man darf nur sich selbst und den Karpfen nicht zu sehr stressen. Langsam und mit Geduld kommt man auch bei so einem Monster, selbst mit leichtem Gerät, ans Ziel. Das Dead Sticking auf Karpfen war ein Erfolg und wird bestimmt wiederholt!