Fangberichte Das Monster der Unterhavel – Wird man es je wiedersehen?
Während einer längeren Angelabstinenz stellte ich dann doch fest, dass das Angeln bei mir stark in den Genen verankert ist. Vom Angelverein her an das Stippen gewöhnt, packte mich nun die Begeisterung für das Raubfischangeln. Durchs regelmäßige Lesen von „Blinker“ und „Rute & Rolle“ hatte ich eine ungefähre Vorstellung wie man an Zander & Co gelangen konnte.
Also verlor ich keine Zeit und kaufte mir im Angelladen am S-Bahnhof Friedenau eine kleine Auswahl an Gummis. 10 cm lange Super Soft Plastic Baits von Mann’s hatten es mir angetan. Jetzt blieb nur noch die Frage des Gewässers übrig. Von vielen Ausflügen an die Pfaueninsel war mir zumindest eine interessante Stelle bekannt. Dick eingepackt um der Kälte trotzen zu können zogen mein Vater und ich los. Den Wald hinter uns gelassen, an einigen Wildschweingehegen vorbei, erreichten wir endlich unser Ziel.
Zu unserem Entsetzen stellten wir fest, dass eine dicke Eisschicht das Wasser bedeckte. Doch wir fanden eine kleine offene Stelle an einem Steg in der windstillen Bucht. Die Sonne schien, die Enten watschelten umher und Fischreiher guckten gelangweilt aufs Eis.
Alles passte. Kaum die Angeln zusammengesteckt, pfefferten wir auch schon unsere Köder ins Wasser. Ein Wurf, zwei Würfe und zack – beim dritten hatte etwas gebissen. Ich meinte nur noch: Ei Jan, Jan, ich hab einen dran. Meine Aufregung, gesteigert durch das aggressive Flüchten des Fisches, sorgte für einen rasenden Puls. Bis auf wenige Meter rangeholt, konnte ich das Biest endlich sichten. Es war ein Barsch, und was für einer. Aus dem Wasser geholt wurde die Größe erst richtig deutlich. Ein Hammer-Barsch, 40 cm lang, so dick dass ihm die Augen fast aus dem Kopf quollen, vollgefressen bis zum geht nicht mehr, fast aufgedunsen. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Doch es kam noch heftiger.
Ein Wurf später. Mist Jan, ich glaub, ich habe einen Hänger! Das gibt es doch nicht, da hängt schon wieder einer dran. Und so kam es wie es kommen musste. Wieder so einen Brummer. Aber wirklich vollgefressen, wie man sie aus den Winterbarschberichten kennt. Von der Schönheit der Fische angetan, ließ ich sie wieder frei. Leider hatte ich damals noch keine Digital-Camera. Zufrieden zogen wir nach zwei Stunden ab. In der Hoffnung neben den Barschen auch andere kapitale Fische zu fangen, kehrte ich im Laufe der Zeit immer wieder an die Pfaueninsel zurück. Es sollte anders kommen. Es lief einfach nicht mehr. Mit jedem Mal wurde die Enttäuschung größer. Ich kam zu verschiedenen Tageszeiten, versuchte es mit Fliegen und mit kleinen Köderfischen. Mein Ködersortiment nahm ungeahnte Größen an. Große, kleine, grüne, gelbe, blaue Gummis. Alles war dabei. Ich kam an Tagen, da war kein anderer Angler außer mir am Gewässer. Bei Schnee, bei Sturm. Doch keine Bisse mehr. Ich wurde zum Stammkunden bei Rod“s World. Man erklärte mich zuhause für verrückt. Die Tage vergingen und ich begriff, dass das mit den Barschen verdammtes Glück ist. Gelegentlich fing ich sie auf kleinen Turbo-Tail-Twistern. Manchmal ein paar mehr, ab und zu auch einen größeren. Jedoch keine Zander und Hechte. Nach ausführlichen Unterhaltungen mit anderen Anglern war alles klar. Der Fischer hatte seine Finger im Spiel. Große Fische: Mangelware.
Nun schwor ich mir: Geh so lange an die Pfaueninsel bist du einen vernünftigen Fisch fängst und dann nie wieder. Ich wollte es mir unbedingt beweisen. Nach zwei Jahren sollten meine Geduld und mein erbarmungsloser Wille doch endlichendlich belohnt werden. Oder wieder nicht? Ideales Barschwetter trieb mich erneut raus. Es war bewölkt, eiskalt und der Wind pfiff schweinemäßig. Minimal ausgerüstet, machte ich mich auf den Weg. Kein Kescher, nur Rute und Rolle. Am Wasser angekommen fing ich an, wie ein Besessener die Kannten abzuangeln. Wurf für Wurf, nun wurde ich eins mit meiner Angel. Die langsam abfrierenden Hände rissen mich gelegentlich aus meinem tranceartigen Zustand. Angler kamen und Stunden vergingen.
Mit meinem Latein schon fast am Ende, zog ich den kleinsten Twister, den ich hatte, auf meinen Haken. Einen 1.5 cm langen Turbo Tail ( glittergrün ). Den hatte mir ein Angler mal geschenkt, als es gerade nicht so richtig lief. Lust und Laune waren in Begriff sich zu verabschieden, da konnte ich mich noch mal zu einem Wurf motivieren. Um die Kanten abangeln zu können riskierte ich einen Wurf am Poller vorbei. Der einzige Schwachpunkt war mein Vorfach (0.20 Millimeter) ansonsten hatte ich Fireline drauf. Langsam zog ich die Schnur ein. Nach drei Metern auf einmal ein Widerstand. Tatsache, es hatte endlich einer gebissen und was für einer. Er zog mir gleich 20 Meter von der Rolle, in Richtung Fähranleger. Die Bremse fing an zu surren. Bei den vielen Pollern wurde mir ganz bange um den Fisch. Meine Hände fingen an zu zittern. Im Unterbewusstsein hatte ich das dünne Vorfach, war es mir nicht möglich richtig Druck auszuüben. Sekunden kamen mir nun vor wie Stunden. Nach 20 min hatte ich ihn endlich am ersten Poller. Doch was war das! Auf einmal ging gar nichts mehr. Ach du große Scheiße. Hänger. Irgendwie hatte sich der Fisch festgesetzt. Ich zog von der Seite, von unten, mit ruckartigem Zupfen. Endlich hatte ich den langersehnten Fisch an der Angel und nichts ging mehr.
Da ich ihn auf keinen Fall verlieren wollte machte ich die Spule auf und stellte die Angel hin. Mir kam die Idee den Angler auf der anderen Seite nach einem Kescher zu fragen. Fehlanzeige. Über eine Stunde versuchte ich mit gelegentlichen Rucken den Fisch wieder frei zu bekommen. Keine Lust mehr auf das Spielchen, wickelte ich die Schnur ein paar Mal um meine Hand und setzte zum finalen Abriss an, da begann das Havel-Monster sich wieder in Bewegung zu setzen. Spürbar geschwächt hatte es nun nichts mehr entgegenzusetzen. Meine Spule füllte sich wieder.
Das Unmögliche sollte wahr werden. Mittlerweile stand der Zanderspezi mit einem geöffneten Kescher neben mir. Mit starren Augen warteten wir auf den ersten Blickkontakt. Uns trennten vielleicht 3 Meter. Mit letzter Energie versuchte der Fisch zurück in die Freiheit zu gelangen. Diesmal hielt ich voll gegen. Das war es. Futsch. Die abgerissene Schnur wehte im Wind. Der Knoten hatte sich aufgelöst. Mit den Gedanken beim Fisch angelte ich noch ein Weilchen weiter, doch Spaß wollte nicht mehr aufkommen. Wenn ich die Aktion meiner Angel beurteilen müsste, dann würde ich den Fisch auf fast einen Meter schätzen. Da er bis jetzt noch nicht gefangen wurde, bin ich weiterhin verdammt, dort angeln zu gehen. Eines Tages werde ich wahrscheinlich zur Touristen-Attraktion gehören.