Tipps & Tricks Bootspraxis – Crashkurs für Binnen-Kapitäne
Unglaublich, aber wahr! Wer sein Boot mit 5 PS und weniger ausstattet, darf auch in Deutschland ohne Führerschein aufs Wasser (die Ausnahme bilden die inneren Gewässer Berlins, auf denen man auch für Boote mit weniger als 5 PS einen Lappen braucht). Wobei man als Kapitän faktisch mit richtig gefährlichen Geräten hantiert und manch waghalsiges Manöver als soft-terroristischen Akt einzustufen könnte. Aber keine Sorge. Bis jetzt hat dieses Thema noch keine Partei auf der Agenda uns so wird diese Regelung wohl auch einen eventuellen Regierungswechsel überleben.
Aber mal ehrlich: Müsste der Führerschein nicht auch für 5-PSer Pflicht sein? Wer unter den Führerscheinlosen macht sich denn ernsthaft Gedanken darüber, was auf dem Wasser erlaubt und was verboten ist? Wissen da alle über die geltenden Vorfahrtsregeln Bescheid? Wer kennt denn schon die wichtigsten Schallsignale? Auf wenig befahrenen Gewässern stellt diese Unwissenheit kein größeres Problem dar. Irgendwo ist immer Platz zum Ausweichen. Und wenn man mal ein Tuten nicht deuten kann, kann man ja immer noch abwinken. Wer sich aber in Ballungsgebieten aufs Wasser begibt, wird schnell merken, dass es schon ganz gut wäre, wenn man wüsste, wie man beispielsweise einem Segler bzw. einem Motorboot auszuweichen hat oder was es bedeutet, wenn eine Fähre dreimal kurz hupt. Anstatt jetzt eine Petition zum Thema Führerscheinpflicht einzureichen, gibt’s hier mal das Wichtigste zum Verhalten auf den deutschen Binnenschifffahrtsstraßen.
Kennzeichnung
Bevor es mit dem eigenen Boot aufs Wasser geht, gilt es einige Formalitäten zu erfüllen:
1. Ihr müsst auf dem Wasser immer den Nachweis über die Kennung (Bootspapiere) mit Euch führen. Diese erhaltet Ihr gegen Vorlage des Kaufvertrags und unter Angabe der Motornummer und des Bootstyps bei JEDEM Wasser- uns Schifffahrtsamt.
2. Es gibt verschiedene Kennzeichnungsarten für Sportboote: Erstens amtliche Kennzeichen. Zweitens amtlich anerkannte Kennzeichen und drittens für Boote, die nicht kennzeichnungspflichtig sind, auch Kennzeichnung mit seinem Namen und dem Namen und der Anschrift des Eigentümers. Es ist dem Eigner freigestellt, sein Boot „Mr. Twister“, „Super Jerker“ oder „Möwenschiss“ usw. zu benennen. Diese Namen/Devisen gehören nicht zur Kennzeichnung.
3. Ein amtlich anerkanntes Kennzeichen besteht aus der Nummer des Internationalen Bootsscheins, gefolgt vom Kennbuchstaben für die ausstellende Organisation.
4. Die Kennzeichnung muss beiderseits des Bugs oder Hecks angebracht werden. Und zwar in 10 cm hoher Schrift (lateinische Buchstaben, arabische Schrift) mit dunkler Farbe auf hellem Grund und mit heller Farbe auf dunklem Grund.
Die Grundregel schlechthin:
Alle Verkehrsteilnehmer haben Vorsichtsmaßnahmen zur sicheren Führung des Fahrzeugs zu treffen, damit kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird.
Vorbereitung
Bevor Ihr in ein unbekanntes Revier eindringt, müsst Ihr Euch unbedingt über die dort geltenden Vorschriften, Fahrwasserbezeichnungen und Sonderregelungen informieren und Euch das entsprechende Kartenmaterial beschaffen. Das hat auch seinen Grund: Schließlich müsst Ihr über die dort möglichen Abweichungen der Verkehrs-, Führerschein- und Zulassungsvorschriften im Bilde sein und mögliche Fahrverbote für Teile der Wasserfläche oder zu bestimmten Zeiten berücksichtigen können.
Bevor es dann wirklich losgeht, muss unbedingt ein Schiffsführer bestimmt werden, der im Falle eines Falles die Kappe aufhat und die Entscheidungen trifft. Dieser darf das Fahrzeug nicht mehr fahren, sobald er übermüdet oder durch den Konsum von Alkohol, Drogen bzw. Medikamenten neben der Kappe ist.
Verkehrsregeln
Damit die Landratten unter Euch nachvollziehen können, in welche Richtung sie ihr Steuer einzuschlagen haben, erst mal was Grundsätzliches: Steuerbord ist die rechte Seite Eures Bootes, Backbord die linke. Vorne ist der Bug. Hinten das Heck. Und das hat alles nichts mit Lee und Luv zu tun. Denn Lee ist die windabgewandte Bootsseite, Luv die windzugewandte.
1. Überholverbote gelten nicht für Kleinfahrzeuge, verpflichten aber zu erhöhter Aufmerksamkeit
2. Ausweichmanöver müssen rechtzeitig, klar erkennbar und entschlossen durchgeführt werden.
3. Beim Passieren von Kanus, Ruder- oder Paddelbooten immer rechtzeitig die fahrt vermindern. Ausweichen. Sog und Wellenschlag vermeiden.
4. Man darf nur überholen, wenn genügend Raum vorhanden ist. Dann genügend Abstand halten, schädlichen Sog und Wellenschlag vermeiden. Als Überholer ist man immer ausweichpflichtig.
5. Ein Überholmanöver muss zügig durchgeführt werden, ohne die beteiligten Fahrzeuge zu behindern, Verkehrslage und entsprechende Schallsignale beachten! Ausreichenden Abstand halten.
6. Motorboote weichen einander aus, indem jedes Fahrzeug nach Steuerbord gelenkt wird.
7. Wenn sich zwei Motorboote auf kreuzenden Kursen nähern, ist das Boot ausweichpflichtig, welches das andere an seiner Steuerbordseite hat (also quasi so was wie „rechts vor links“). Beim Begegnen mit Fahrzeugen in einem engen Fahrwasser muss man einen klaren Kurs zeigen, größtmöglichen Passierabstand halten und nötigenfalls die Fahrt vermindern.
8. Wenn sich Euer Motorboot mit einem Segelboot auf Kollisionskurs befindet, seid Ihr erstens mal grundsätzlich ausweichpflichtig. Und das müsst Ihr IMMER nach Steuerbord machen. Den Segler am Heck umfahren und nie den Bug kreuzen!
9. Geschwindigkeit immer an die Verkehrslage, den Fahrwasser-, Witterungs- und Sichtverhältnissen anpassen.
10. Ein Fahrzeug mit einem roten Wimpel hat immer Vorrang!
Umgang mit der Natur
Das gibt’s zunächst mal die „10 goldenen Regeln für Wassersportler“, an die gerade wir Angler uns halten sollten, weil wir noch viel enger mit der natur verflochten sind, als die anderen Wassersportler. Darüber hinaus sollte man:
1. Schilf- und Röhrichtzonen meiden, weil diese Uferzonen vielfach Rast- und Brutplätze für schutzbedürftige Vögel sind. Außerdem verbieten oft regionale Vorschriften das Eindringen in die Zonen und fordern die Einhaltung von Mindestabständen.
2. seichte Gewässer in dicht bewachsenen Uferzonen meiden, weil diese seichten Gewässer vielfach Fischlaichgebiete sind, in denen auch schutzbedürftige Pflanzen vorkommen. Auch hier verbieten oft regionale Vorschriften das Eindringen in die Zonen und fordern die Einhaltung von Mindestabständen.
Schleusen
An Schleusen kommt es oft zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen. Und wenn man nicht Bescheid weiß, kann man sich schon mal einen Anpfiff wegholen. Also beachtet bitte:
1. Beim Schleusen haben Schiffe der gewerblichen Schifffahrt immer Vorrang.
An Schleusen müsst Ihr die Lichtsignale und Schilder im Auge haben. Und zwar:
1. Erst in die Schleuse einfahren, wenn ihr ein oder zwei (nebeneinander leuchtende) grüne Lichter seht.
2. Zwei rote Lichter nebeneinander wollen Euch sagen: „Keine Einfahrt, Schleuse geschlossen.“
3. Zwei rote Lichter übereinander bedeuten: „Keine Einfahrt, Schleuse außer Betreib.“
4. Eine weiß-rote Tafel mit einem schwarzen Querbalken gebietet: „Vor dieser Tafel anhalten, bis die Weiterfahrt freigegeben wird.“
Verhalten in Notsituationen
Man wünscht es niemand, aber es kann ja mal zu einem Unfall oder zu einer gefährlichen Situation kommen. In letzterem Falle gilt:
1. Der Schiffsführer hat bei einem Unfall mit drohender Gefahr für die Sicherheit der an Bord befindlichen Personen alle Maßnahmen zu ergreifen, die die Umstände zur Abwendung der Gefahr erfordern.
2. Bei unmittelbar drohender Gefahr müssen die Schiffsführer alle Maßnahmen ergreifen, die die Umstände gebieten, auch wenn sie dadurch gezwungen sind, von den geltenden Bestimmungen abzuweichen.
Wenn Ihr ein einen Unfall verwickelt seid oder auch nur Zeuge werdet, dann haltet Ihr Euch am besten an folgende Vorgaben:
1. Wenn Ihr Zeuge eines Unfalls werdet, müsst Ihr Hilfe leisten! Es sei denn, es ist zu gefährlich, sich anzunähern. Dann müsst Ihr aber zumindest Hilfe herbeirufen. Wenn Ihr mit jemand anderem kollidiert, müsst Ihr zuerst Hilfe leisten. Dann muss das Fahrzeug aber schnellstens aus dem Fahrwasser. Dann werden alle wichtigen Daten aufgenommen (beteiligte Personen, Boote). Dann ggf. die Wasserschutzpolizei verständigen.
Motorbrand
Wenn der Motor brennt, müsst Ihr sofort die Brennstoffzufuhr unterbrechen (Benzinschlauch abziehen), das Getriebe auskuppeln, Vollgas geben, um Leitungen und Vergaser leer zu fahren, Motor bzw. Vergaser abdecken, um den Brand zu ersticken. Mit dem Feuerlöscher geht Ihr dann so nah es geht an den Brandherd und gebt ihm den Rest.
Anker- und Liegeverbote
Leider darf man an vielen Stellen nicht ankern, um mal ein paar Würfe zu riskieren. Oft sind das die besten Angelstellen. Aber wenn man sich diese Stellen einmal anschaut und ein bissel nachdenkt, macht das Ankerverbot dort schon Sinn. Als da wären:
1. Schifffahrts- und Schleusenkanäle (Das Ankern in Kanälen ist verboten, weil man mit dem Anker das Kanalbett beschädigen oder die Schifffahrt behindern könnte.)
2. unter Brücken und Hochspannungsleitungen
3. in Fahrwasserengen und Hafeneinfahrten
4. an Abzweigungen oder Einmündungen von Nebenwasserstraßen
5. in der Fahrlinie von Fähren
6. im Kurs, den Fahrzeuge beim An- oder Ablegen an Landebrücken benutzen
7. auf Wendestellen
8. in Wasserski- und Wassermotorradstrecken
Wenn Ihr nachts ankert oder Euch festmacht, müsst Ihr unbedingt ein weißes Rundumlicht setzen und dieses auf der Seite des Bootes anbringen, die zum Fahrwasser weist. Wenn Euer Anker die Schiffhart gefährden könnte, müsst Ihr sogar ein zweites weißes Licht zünden.
Anlaufen von Häfen
Wenn Ihr einen Hafen anlauft, müsst Ihr einiges beachten, damit Ihr da vor Anker gehen könnt bzw. auch um unnötigen Ärger im Vorfeld zu vermeiden:
1. Hafenpolizeiverordnung
2. Sog und Wellenschlag vermeiden
3. Geschwindigkeitsbegrenzungen
4. eventuell erforderliche Genehmigung einholen
Geschwindigkeitsbegrenzungen
Diese sind fast immer ausgeschildert. Und zwar ist die Zahl in der Tafel gleichbedeutend mit der Maximalgeschwindigkeit in Stundenkilometern gegenüber dem Ufer. An folgenden Stellen müsst Ihr Sog und Wellenschlag vermeiden, also keine Heckwelle produzieren und die Geschwindigkeit drosseln:
1. vor Hafeneinmündungen und in Häfen
2. an Lande- und Löschplätzen
3. an den üblichen Liegestellen
4. an Fährstellen
5. auf gekennzeichneten Strecken
6. im Schleusenbereich
7. an Badestellen
Sicherheitstipps
Nie zu nah an ein großes Boot ran fahren. Da lauft Ihr Gefahr, angesogen zu werden und zu kollidieren. Oder aber von der Heckwelle erfasst zu werden und zu kentern. Oder aber in den toten Winkel zu geraten, was nie wirklich gut kommt (kennt Ihr ja vom Autofahren).
An Badestellen müsst Ihr auf die Badenden aufpassen, die sich auch mal über ihr Terrain (gekennzeichnet durch gelbe Bojen oder Tonnen) herauswagen. Sog und Wellenschlag ist zu vermeiden (auf Deutsch: Keine Heckwelle produzieren! Geschwindigkeit drosseln!)
Ausrüstung
Die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände sind Wurfleinen, Feuerlöscher (Löschmittelmenge mindestens 2 kg!), rote Flagge (im Kreis schwenken, wenn Ihr Hilfe herbeiholen wollt), Taschenlampe, Kappmesser, Bootshaken, Festmacheleinen, Werkzeug, Schleppleine, mindestens ein Anker, Werkzeug, zwei Paddel, Rettungswesten (ohnmachtsicher / mindestens DIN EN 393), Verbandskasten, Schöpfeimer und der Rettungsring.
Schallsignale
Zunächst einmal muss man unterscheiden zwischen kurzen und langen Tönen. Ein kurzer ist ca. eine Sekunde lang, ein langer vier.
1. ein kurzer Ton: Kurswechsel nach Steuerbord
2. zwei kurze Töne: Kurswechsel nach Backbord
3. drei kurze Töne: Maschine fährt rückwärts
4. vier kurze Töne: Fahrzeug ist manövrierunfähig
5. fünf kurze Töne: Überholen unmöglich
6. mehrere kurze Töne schnell hintereinender: Gefahr einen Zusammenstoßes
7. ein langer Ton: Achtung!
8. ein langer und ein kurzer: Wenden über Steuerbord
9. ein Langer und zwei kurze: Wenden über Backbord
10. zwei lange und ein kurzer: Überholen an der Steuerbordseite des Vorausfahrenden
11. zwei lange und zwei kurze: Überholen an der Backbordseite des Vorausfahrenden
12. mehrere lange Töne in Intervallen: Fahrzeug braucht Hilfe
13. eine Reihe von Tönen, abwechselnd kurz-lang-kurz-lang: Bleib-weg-Signal. Gefahr durch gefährliche Güter, sofort den Gefahrenbereich verlassen. Feuer- und Zündfunken vermeiden (Explosions- und Katastrophengefahr)
Technisches
Manchmal passieren kleine Missgeschicke. Zwei davon sind recht einfach zu erkennen und denn auch zu beheben:
1. Wenn Eurer Motor nach dem Anmachen läuft und absäuft, sobald Ihr einen Gang einlegt, hat sich irgendetwas in der Schraube verfangen. Motor ausmachen, das Tau, die Plastiktüte oder was auch immer die Fahrt behindert entfernen. Neu starten und ab dafür!
2. Wenn Euer kleiner Außenborder mit eingebautem Tank während der Fahrt immer wieder stehen bleibt, könnte entweder die Belüftungsschraube im Tankdeckel nicht geöffnet sein oder es liegt an der unsauberen Benzinleitung.
Bei anderen Pannen hilft meist ein Blick in die Betriebsanleitung (immer mitführen). Hier findet Ihr eine tabellarische Auflistung der möglichen Störungen.
Verkehrszeichen
Einige Verkehrszeichen erklären sich von selbst, bei anderen liegt die Bedeutung nicht so offensichtlich auf der Hand:
Empfohlene Durchfahrt in beide Richtungen:
Empfohlene Durchfahrt ohne Gegenverkehr:
Durchfahrt für alle Fahrzeuge gesperrt bzw. Wasserfläche gesperrt für alle Fahrzeuge:
Gesperrte Wasserfläche; jedoch für Kleinfahrzeuge ohne Maschinenantrieb befahrbar:
Brückenöffnung nur zwischen diesen Tafeln durchfahren:
Sog und Wellenschlag vermeiden (Tafel am Tag, Lichter bei Nacht):
Überholen verboten (gilt nicht für Kleinfahrzeuge verpflichtet aber zu erhöhter Aufmerksamkeit):
Die Zahl gibt den Abstand von Metern an, in dem man sich vom Tafelzeichen entfernt halten soll:
Besondere Vorsicht walten lassen:
Die in Stundenkilometern angegebene Geschwindigkeit gegenüber dem Ufer darf nicht überschritten werden:
Begegnen und Überholen verboten (gilt nicht für Kleinfahrzeuge verpflichtet aber zu erhöhter Aufmerksamkeit):
Wendeverbot:
Empfohlener Wendeplatz, gleichzeitig Stillliegen für alle Fahrzeuge verboten:
Ende eines Gebots oder Verbots bzw. einer Einschränkung der Fahrtrichtung:
Ankerverbot (50 m oder- und unterhalb des Schildes auf der Seite der Wasserstraße, auf der das Schild angebracht ist):
Festmacheverbot auf der Seite der Wasserstraße, auf der das Schild angebracht ist:
Liegeverbot auf der Seite der Wasserstraße, auf der die Tafel steht:
Verbot der Einfahrt in einen Hafen oder eine Nebenwasserstraße:
Vorgeschriebene Fahrtrichtung:
Vor dieser Tafel anhalten, bis die Weiterfahrt freigegeben wird:
So. Und jetzt viel Spaß auf dem Wasser!