Tipps & Tricks Baitcaster-Theorie: Die entscheidenden Parameter beim Werfen
Warum man nicht mit jeder Baitcaster jedes Ködergewicht werfen kann? Mit welcher Baitcaster kann ich dann meine bevorzugten Ködergewichte werfen? Diese Fragen stellen Neueinsteiger hier mit am häufigsten. Während nach oben hin meist nur Grenzen durch die Robustheit der Rolle gesetzt sind, sieht es mit den leichtesten noch werfbaren Ködergewichten anders aus. Da es jetzt schon einen Sticky mit einer Auflistung der Rollen (und ihrem Einsatzbereich) gibt, jetzt hier noch die Theorie dahinter.
Bestimmende Größen sind hier (wenn man alle Bremsen offen hat) die Art und Qualität der Achsenlager (Reibung) und das Gewicht der Spule samt Schnurfüllung (Trägheit). Auch die verwendete Schnur, Luftwiderstand des Köders in Relation zu seinem Gewicht sowie die Rute spielen eine Rolle.
a. Die Lager
Die Achse der Spule ist auf beiden Seiten von Kugelagern (Spulenlager) gefasst. Diese sind die für die Wurfperformance entscheidenden Lager.
Spulenachsenlager mit geringen Toleranzen (ABEC-Klasseneinteilung) und hoher Qualität haben eine geringe Reibung. Es ist somit weniger Kraft nötig, die darin gefasste Spule in Rotation zu versetzen und sie verharrt auch länger in Bewegung.
Spule und Lager müssen als Einheit betrachtet werden. Beides zusammen entscheidet über Wurfweiten und verwendbares Ködergewicht. Die Lager über die Reibung, die Spule über ihre träge Masse.
Zusatzwissen: Dabei ist zu beachten, dass auch das Fett/Öl in den Lagern (je nach Viskosität mehr oder weniger) Widerstand erzeugt. Es besitzt eine innere Reibung und muss zusätzlich von den Kugeln verdrängt werden. Ölfreie/fettfreie Lager können daher „schneller“ aber lauter gegenüber den baugleichen gefetteten Lagern sein. Das Fett/Öl dient hier mehr der Verschleißminderung und dem Korossionsschutz. Es kann außerdem genutzt werden, um die Lager gezielt etwas „langsamer“ zu machen. Ein Öl mit sehr niedriger Viskosität hingegen, kann aber durchaus insgesamt eine Reibungsverminderung bedeuten. Die Lager sind dann mit Öl schneller. Hier ist der reibungsmindernde Effekt des Ölfilms zwischen den Kugeln und Laufbahn höher, als die Reibung/Verdrängungwiderstand im Öl selbst.
Hochwertige Lager sind mit ein Grund, warum Baitcaster für leichte Köder etwas teurer ausfallen.
b. Die Spule
Physikalisch betrachtet besitzt die Spule aufgrund ihres Gewichtes (inklusive Schnur) eine gewisse Trägheit, die überwunden werden muss, um sie zu einer Drehbewegung zu veranlassen. Die Trägheit ist die Eigenschaft von Körpern, in ihrem Bewegungszustand zu verharren, solange keine äußere Kraft auf sie einwirkt. Je größer die träge Masse eines Körpers (Spule) also ist, umso weniger beeinflusst eine auf ihn einwirkende Kraft seine Bewegung.
Das bedeutet: Hohes Spulengewicht erfordert größere Kraft für eine ausreichend starke Drehbewegung. Diese Kraft kann nur aus dem durch den Wurfschwung in Bewegung gesetzten Köder kommen. Je leichter der Köder, umso geringer die mögliche Kraft. (Denn Kraft ergibts sich aus der Masse des Köders multipliziert mit seiner Beschleunigung.)
Der Grund für die absolute Ködergewichtsuntergrenze: Tastet man sich mit den Ködergewichten nach unten, ist irgendwann ein Punkt erreicht, wo der Köder zu leicht ist. Die ganze Kraft aus seiner Beschleunigung wird verbraucht, um die Trägheit der Spule zu überwinden. Für den Flug selbst bleibt keine Energie. Der Köder plumst vor einem ins Wasser, während die Spule evt. noch beginnt zu rotieren.
Für leichte Köder werden also leichte Spulen nötig, die fertigungs/materialbedingt wiederum den Preis der Baitcaster erhöhen.
c. Gewicht/Luftwiderstand-Verhältnis des Köders
8 Gramm sind nicht gleich 8 Gramm beim Werfen. Zwar wird die Spule in Rotation versetzt und der Köder beginnt zu fliegen, aber was danach geschieht, ist gänzlich verschieden: Köder mit geringem Luftwiderstand (Blei) werden nur wenig gebremst im Flug. Sie garantieren einen sich relativ gleichmäßig verlangsamenden Flug, der leichter zu kontrollieren ist, ohne dass sich die Spule überschlägt. (Überschlagen bedeutet, dass die Spule schneller Schnur abspult, als der Köder im Flug weiterziehen kann. Auch backlash oder bird´s nest genannt.)
Versucht man diesen Wurf mit einem unförmigen Wobbler (hoher Luftwiderstand) gleichen Gewichts, wird dieser seine Fluggeschwindigeit schneller reduzieren als das Blei. Es wird wesentlich schwieriger, die Spulendrehzahl (über die Wurfbremsen der Rolle oder den Daumen) der Fluggeschwindigkeit des Köders anzupassen.
Hochwertige Rollen für leichte Köder, die ohnehin wesentlich besser bei geringen Ködergewichten „starten“, vereinfachen dies. Muss ich erst Schwung holen wie verrückt, damit der Köder überhaupt fliegt, werde ich kaum Kontrolle über das Spulenverhalten haben.
d. die Rute
Die Bedeutung der Rute wird oft vernachlässigt. Sie fällt hier stärker ins Gewicht als bei Stationärrollen. Eine Rute, deren Wurfgewicht an die Köder die ich werfen will angepasst ist, überträgt die Bewegungsenergie des Köders effizienter auf die Spule und verstärkt sie.
Sie lädt sich auf wie ein Flitzbogen und nach Freigabe der Spule durch den Daumen, wird die im Blank gespeicherte Energie frei und ermöglicht weitere Würfe als zu stark gewählte Ruten. Daher haben Profis oft sehr viele Kombos, wobei jede einen sehr engen Wurfgewichtsbereich abdeckt. Neben dem Wurfgewicht spielt auch die Aktion der Rute mit hinein. Sehr schnelle/steife Ruten mit Spitzenaktion laden sich oft schlechter auf, vermitteln aber (z.B. beim Jiggen) mehr Ködergefühl. Hier gilt es einen Kompromiss zu finden.
Leider muss man oft selbst herausfinden, welche Rute sich bei welchen Gewichten gut auflädt. Die Herstellerangaben sind in der Regel sehr wage und können nur eine ungefähre Ahnung geben.
Am Ende noch ein Hinweis. In der Regel laufen gerade bei leichteren Baitcastern die Schnurführungen beim Wurf nicht mit. Dies ist durchaus sinnvoll. Durch die in der Mechanik vorhandene Reibung, würde dem Köder noch mehr Bewegungsenergie verloren gehen und die Wurfweite würde entsprechend geringer. Bei schwereren Baitcastern gibt es Modelle, bei denen die Schnurführung mitläuft. Da hierbei relativ hohe Ködergewichte genutzt werden, erzielt man trotzdem ausreichende Wurfweiten.