Gewässer-Tipps Schlachtensee / Berlin
Mitten in Berlin liegt der sagenumwobene und 41,7 ha große Schlachtensee. Riesige Fische treiben hier vor allem nachts ihr Unwesen. So erzählen die Mitglieder des AV Wels, die den See gepachtet haben, gerne die Geschichte von den zwei 2,5 m langen und über 100 kg schweren Wallern, die Fischer Liptow bei einer Bestandaufnahme in den 90er Jahren gefangen und wieder freigelassen hat.
Zusammen mit Horst „Stachel“ Stachecki war ich im Winter schon einmal auf dem Eis des schlauchförmigen Sees gestanden, um ein paar Barsche aus dem Eisloch zu zupfen. Weil dieses Unterfangen sehr spaßig und auch noch erfolgreich war, wollte ich auf jeden Fall noch einmal im Sommer wiederkommen. Denn, so wurde mir versichert, im Sommer könne man hier sein blaues Wunder erleben. „150 m Schnur nehmen einem die großen Welse hier in ein paar Sekunden von der Rolle.“, so Stachecki, den Bekannte ob seiner Filettierkünste – er braucht für einen Barsch 22 Sekunden – auch „Don Filetto“ rufen. Ende August (2002), war es dann soweit. Der Mann, der sich hier vielleicht am besten auskennt, verabredete sich mit mir zu einer kleinen Einführung in sein Revier, zeigte mir die fängigen Stellen und berichtete von den erfolgreichsten Methoden.
Kein Gewässer ohne Tücken
Der Schlachtensee bietet mit seinen 5,3 km Umfang und durchgängigem Uferweg ein ideales Ausflugsziel für Spaziergänger und Jogger. Im Sommer laden zwei Badestellen (S-Bahnhof Schlachtensee und gegenüber der Alten Fischerhütte) zum Baden im klaren Wasser. Kein Wunder also, dass die Sandbuchten an heißen Tagen gut belegt sind. Deshalb warteten wir das Ende der Sommerferien ab und machten uns bei strahlendem Sonnenschein mit einem Ruderboot auf den 2,5 km langen maximal 10 m tiefen See. „Früher war das Angeln hier noch etwas einfacher. Da gab es ein paar Barschberge, an denen man sich dumm und dämlich fangen konnte. Mein Tagesrekord waren einmal 96 Barsche, 3 Hechte und 3 Aale, die ich zusammen mit meinem Kollegen Blümchen gefangen hab. Wenn wir eine Barschhatz veranstalteten, gingen wir selten unter 50 Fischen heim. Jetzt muss man sich manchmal mit einem guten Dutzend begnügen.“ Das liegt daran, dass sich die Unterwasserlandschaft verändert hat. Inzwischen steht das Wassergras hoch und weit um die ehemaligen Hotspots herum, so dass Kleinfische überall Deckung finden. Die Räuber stehen also nicht mehr so geballt an bestimmten Plätzen wie früher.
Wahnsinns-Waller
Wer in Berlin und Umgebung den ultimativen Wels fangen will, kommt, wenn man den vertrauenswürdigen Mitgliedern des AV Wels Glauben schenkt, am Schlachtensee gar nicht vorbei. Doch der Ansitz ist etwas für Spezialisten. Denn im Wasser sind einige Hindernisse, die den Drill der beiden anfangs erwähnten Mütter aller Berliner Welse zu einem schwierigen Unterfangen machen. Will man diese landen, ist schwerstes Gerät, großes anglerisches Können und auch jede Menge Glück vonnöten. Doch auch die kleineren Exemplare geben tüchtig Gas und tummeln sich in einer ungewöhnlich hohen Dichte im Wasser. Mit Bojenmontagen versuchen es die einen, während andere vom Boot aus angeln und ihre Köfis und Tauwurmbündel an der Wasseroberfläche anbieten. Horst Stachecki ist Verfechter der letzteren Methode und ein Blick in sein privates Fotoalbum verrät: damit fährt er gar nicht schlecht. (Seinen letzten Wels von 1,3 m und 15 kg hat er am 15.8. 2002 auf eine 25 cm-Plötze gefangen.) Allerdings beißen die Waller auch aufgrund des Badebetriebes erst, wenn etwas Ruhe einkehrt. Vor 21 Uhr und nach 9 Uhr morgens braucht man es eigentlich gar nicht versuchen. Die Scharkante vor den Schilfgürteln verspricht die besten Erfolge. Aus dem Tiefen kommen die nachtaktiven Riesen dann und pflücken sich die knapp unter der Wasseroberfläche angebotenen Köder.
Hechte all around
„Wer im Frühsommer und Herbst blinkernd um den See spaziert und dabei keinen Hecht erwischt, ist ein schlechter Angler.“, bedeutete mir Vereins-Präsident Georg Topka. Und Stachecki setzte gleich noch einen drauf: „Bei einer nächtlichen Tour habe ich einmal am Ufer ins Wasser geleuchtet. Und was glotzt mir da in den Lichtkegel? Ein Hecht, so was haste noch nicht gesehen. Der war mindestens 1,4 m lang und einen Ranzen hatte der dran – fetter als der Bauch von meinem Kollegen Kalle. Ich schätz‘, der hat knapp 30 kg gewogen!“ Nun ja. Angler neigen ja ein wenig dazu, zu übertreiben. Wenn man aber das Leuchten in den Augen des Angelveteranen und seine Fangfotos gesehen hat, weiß man, dass da nicht viel dazugedichtet wurde. Auf Hechte fischt man hier am besten mit toten Köfis an der Posenangel oder mit großen Blinkern und Wobblern. Neben den steilen Kanten und ins Wasser gefallenen Baumstämmen, stellt auch die durch eine Boje gekennzeichnete tiefste Stelle (10 m) einen Hotspot dar. „Da kam mal ein Taucher hoch, der auch Angler ist, und war ganz blass um die Nase. Der hat gesagt, dass er da einen Hecht gesehen hat, der ihm wirklich Angst eingejagt hat. Der war auch mindestens 1,4 m groß.“
Guter Zanderbesatz – schwerer Fang
Jedes Jahr werden kiloweise Zander in den Schlachtensee eingebracht, doch gefangen werden sie nur von den Experten. Und diese weigern sich hartnäckig, Fremde und auch Vereinsmitglieder über Fanggründe und die besten Montagen aufzuklären. Neulingen muss also schon der Zufall helfen, wenn gleich ein Kammschupper an die Angel gehen soll. Doch, und da ist sich Stachecki ganz sicher, hier sind richtig große Zanderschulen unterwegs. Und weil so wenig gefangen und seit Jahren so gut besetzt wird, gibt’s hier auch richtig gute Klopper, „wo die Filets schon nicht mehr unzerlegt in die Pfanne passen“. Er selbst fängt seine Zander über sandigem Grund in den im Herbst verwaisten Badebuchten oder an den zahlreichen im Wasser liegenden Bäumen.
Viele Aale und Barsche in allen Preisklassen
Gerade diese umgestürzten Bäume, das Wurzelwerk, die vielen Krautbereiche und der reichliche Besatz machen den Schlachtensee zu einem hervorragenden Aalgewässer. Die Schlangen wachsen hier ganz hervorragend ab, so dass unterarmdicke Exemplare keine Ausnahme bilden. Die ganz fetten Raubaale beißen auf Köfis, die man an den genannten Einständen auslegt. Kleinere Raubaale und die Spitzköpfe nehmen lieber Tauwürmer. Auf die gehen auch die Barsche gut. Aber auch kleine Köfis, die man an der Pose oder mit Zupfsystemen in Bewegung hält, bringen gute und viele Fische. Stachecki schwört auf kleine Barsche, die er an der Laufpose im Sommer in ca. 2 m bzw. im Winter kurz über dem Grund anbietet und in die er mit kurzen Rutenrucken wieder etwas Leben einhaucht. Natürlich kann man sein Glück auch mit allen möglichen Kunstködern versuchen. Auf unserer Tour bissen die Gestreiften gut auf rot-weiße Wobbler und Mini-Attraktoren in chartreuse-glitter. Der Tagesfang von 56 Barschen in Größen zwischen 10 und 30 cm war für Stachecki nicht wirklich gut. Er hätte schon gedacht, dass da ein paar Größere rauskommen. Doch wie gesagt: die Zeiten der regelmäßigen Massenfänge großer Fische sind aufgrund des verstärkten Bewuchses unter Wasser selten geworden. Dennoch lohnt sich ein Versuch auf die vielen Schlachtenseebarsche immer. Zumal im Beisein des Experten schon ein 55er gefangen wurde.
Auch für Friedfischspezis ein Paradies
Nicht nur die Raubfischangler kommen an diesem fischreichen Gewässer voll auf ihre Kosten. Klodeckel beißen nachts sehr gut auf Tauwurm und Rotwurmbündel. Sogar beim Eisangeln gehen dicke Brassen auf zwei Maden am kleinen Haken. Auch Rotaugen und Rotfedern erwischt man das ganze Jahr, wenn man sie gezielt befischt. Im Sommer ist ein kleines Brotkrüstchen an der freien Leine ein wirklich guter Köder. Aber aufgepasst: der dicken Karpfen wegen darf das Material nicht zu fein beschaffen sein. Schuppis und Wildkarpfen wachsen nämlich zu stattlichen Größen ab. Vereinsmitglieder haben schon Schulen von 30 Fischen in Gewichten von 15 bis 30 Pfund zu Gesicht bekommen. Wer also einmal einen Wildkarpfen fangen möchte, ist mit etwas Glück genau richtig an diesem See, der scheinbar alles möglich macht. Fehlt eigentlich nur, dass kapitale Seeforellen oder Schwarzbarsche durchs Wasser streifen. Aber soweit ist es – zumindest bis jetzt – noch nicht einmal am Schlachtensee. Stachel hätte es mir auf mit Sicherheit erzählt…
Methoden
Spinnfischen vorwiegend auf Barsch und Hecht. Ansitzangeln auf Barsch, Hecht, Zander und Wels.
Gerät
Zum Barsch- und Zanderansitz: leichte Posenrute (Wg. 10 – 40 g); mittlere Stationärrolle mit 25er Mono
Zum Hecht- und Walleransitz: kräftige Karpfen- oder Big-Fish-Ruten, große Stationär-Rolle oder Multi mit 25er bis 30er Geflochtener
Zum Spinnfischen auf Barsch: leichte Spinnrute (Wg. 5 – 30 Gramm), kleine Stationärrolle mit 20er Mono
Zum Spinnfischen auf Hecht und Zander: steife Spinnrute (Wg. 30 – 60 g); mittlere Stationärrolle mit 16er Geflochtener
Köder
Wenn das Wasser im Sommer etwas angetrübt ist, fangen beim Spinnfischen schlanke Wobbler in rot/weiß oder kleine glitternde Gummifische. Je kälter und klarer das Wasser wird, desto mehr Erfolg bringen Naturfarben (Barschdekor). Zum Ansitzangeln tote Plötzen (für Waller) und Barsche (Hecht, Zander, Barsch).
Extra-Tipp
Im Sommer entweder die Schlechtwettertage nutzen oder aber vor 9 Uhr morgens bzw. nach 20.30 Uhr auf den See gehen. Sonst kommt es zu Interessenskonflikten mit Tauchern oder Badegästen. Das hilft aber eigentlich auch nix mehr, seitdem hier ein Biergarten hingepflanzt wurde. Also im Herbst angehen. Da macht der See dann richtig Spaß.
Bestimmungen
Geangelt werden darf von 1 Stunde vor Sonnenaufgang bis 23 Uhr (Vereinsmitglieder die ganze Nacht) mit zwei Handangeln oder einer Flug- bzw. Spinnangel. Je Angel ist nur ein Köder zulässig. In der Zeit vom 1.1. bis zum 30.4. ist die Verwendung von Köderfischen oder Kunstködern untersagt. Bootsangeln mit Ruderbooten ist erlaubt, Schleppfischen verboten. Der Gebrauch von Echoloten ist erlaubt. Kein Fanglimit.
Erlaubnis
Tageskarte 10 Euro; Monatskarte 30 Euro und Jahreskarte 60 Euro
Vereinsmitgliedschaft
Der AV Wels nimmt wieder Mitglieder auf. Einmalige Aufnahmegebühr: 180 Euro; Jahresbeitrag: 140 Euro
Boote
Nur am Bootshaus direkt am See (hier stehen 50 Ruderboote bereit). Preis: 7 Euro pro Stunde. Tag 25 Euro.
Ausgabestellen
Angelhaus Koss – Tegelerstr. 36-37 – Berlin-Wedding – Tel.: (030) 454 21 35
Fisherman’s Partner – Mariendorfer Damm 159 – 12107 Berlin – Tel. (030) 707 83 733
Bootsverleih Schlachtensee – Am Marinesteig 5 – Zehlendorf – Tel.: (30) 803 73 04
Anfahrt
Aus Richtung Hamburg:
Richtung Berlin Zentrum bis zum Messegelände. Am Messegelände rechts einordnen und Ri. A 115 (Magdeburg/Leipzig/Potsdam) abfahren. Nach ca. 15 min. die Avus am Zehlendorfer Kreuz in Ri. Steglitz verlassen.
Aus Richtung Hannover, München, Leipzig etc.:
Ri. Berlin Zentrum die A 115 folgen und dann am Zehlendorfer Kreuz in Ri. Steglitz verlassen.
Weiter aus beiden Richtungen:
Die Potsdamer Chaussee entlang bis zur Lindenthaler Allee fahren (ca. 5 min.). Vor dieser Kreuzung befindet sich ein Schild: Steglitz (geradeaus) – Wilmersdorf, Charlotenburg (nach links). Hier links halten und hinter der S-Bahn (nach ca. 1 min.) links in die Limasstr. einbiegen. Dann sofort in die Straße zum Schlachtensee fahren bis es rechts zum Bootsverleih Marinesteg geht, den Ihr aber gar nicht ansteuert. Noch mal: Am besten direkt vor dem Bootsverleih das Belly- oder Schlauchboot aufpumpen!
Weitere Infos:
AV Wels: Georg Topka – Königstr. 36 b – 14109 Berlin – Tel.: (030) 321 12 69
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