Schnüre Das Paranoia-Prinzip
Wer schon einmal auf Waller mit der Spinnrute gezielt geangelt hat, wird wissen, welch immense Kräfte diese Fische aufbringen können. Hier im europäischen Süßwasser ist der Wels unser kräftigster Gegner überhaupt. Stellt man ihm auch noch im Fluss und vom Ufer aus nach, kommt man mit seinem Angelgerät sehr schnell an dessen Grenzen. Weil eine meiner Leitlinien lautet „Wenn man glaubt, dass etwas ausreichend ist, mach es doppelt so stark und es reicht sicher.“, nennen mich meine Freunde auch „Paranoia-Dori“ In Zeiten von Billigbau und Rentabilität ist sowas nicht modern, aber wenn man sich mit dem Endgegner anlegt, sollte man nicht kleckern sondern klotzen.
Ich betreibe das Wallerspinnfischen nun schon viele Jahre und habe auch leider meine Lektionen lernen müssen. Ich will euch einige Tipps mitgeben, mit denen ihr beim Erstkontakt mit unserem größten Süßwasserräuber bessere Chancen auf eine erfolgreiche Landung habt. Gehen wir vom vielzitierten „worst case“ aus. (Wenn ihr auf solch eine Situation ausreichend vorbereitet seid, seid ihr auch auf alle anderen Situationen ausreichend vorbereitet.) Also: Man steht am Ufer eines stark strömenden Flusses und hat einen Waller an der Leine. Nun gilt es, richtig Dampf zu machen und den Fisch in eine Kehrstöhmung, einen Pool oder ruhiges Wasser zu bringen, um Kontrolle über den Fisch zu erlangen. Stellt sich ein Waller quer in der Strömung wird man selbst mit schwersten Gerät kaum mehr eine Chance haben, den Fisch aufzuhalten. Und kann man dann dem Fisch am Ufer nicht folgen, wird man ihn unweigerlich verlieren.
Deshalb ist es gerade am Anfang des Drilles besonders wichtig, den Fisch zu überrumpeln. Das geht natürlich nicht immer, aber nur so hat man gute Karten, den Drill für sich zu entscheiden. Wer in der Zusammenstellung seines Gerätes Fehler macht, wird den Fisch beim brachialen Heranzerren unweigerlich verlieren.
Deshalb mache ich keine Kompromisse und habe mein Gerät auf die Maximalbelastung abgestimmt:
Rolle: 8000er Stella SW (Bremskraft max. 28 KG / Schnurfassung ca. 200 Meter 0,40mm)
Rute: Meine Rute für kurze Distanzen OCEA BB Heavy Game mit 150g WG und 239 cm Länge. Diese Rute ist aus unserem Salzwasserprogramm (sie ist übrigens dreiteilig und dürfte in so manche Reisetasche passen, was besonders beim Fliegen von Vorteil ist).
Schnur: Die Leine ist eigentlich die wichtigste Komponente. Ist hier der Durchmesser und die Tragkraft nicht ausreichend, hat man verloren – selbst mit Top-Rolle und Hyper-Rute! Deshalb kommt bei mir nur eine Schnur drauf, mit der ich auch Bäume fällen könnte, namentlich Power Pro Super 8 Slick mit einem Durchmesser von 0,41mm.
In Seen, ruhig strömendem Wasser und/oder vom Boot aus wird diese Schnurstärke immer locker ausreichen. Ich bin aber oft in richtig stark strömenden Flüssen unterwegs und will euch ja auch meine stärkste Kombo zeigen. Mit der 0,41mm Super 8 Slick haben meine Gäste Fische bis 254 cm gefangen. Da die Fische in Spanien zum Glück immer noch wachsen, werde ich mir für die nächste Tour eine 0,56 mm Power Pro auf meine Rolle spulen.
Paranoia-Dori, ich weiß. Aber lasst mich mal ein bisschen rechnen:
Tragkraft: ca. 75 kg
Tragkraftverlust durch Knoten: min. 25 % (ca. 19kg)
Verlust durch Gebrauchsschäden der Schnur im Laufe der Zeit: 0-20% (ca. 11kg)
Ergebnis: Es bleibt eine Tragkraft von ca. 45kg
Das ist immer noch fast doppelt so viel, wie die Bremskraft der Rolle. Aber wenn ein Fisch im Drill dann mit der Schnur an irgendeinem Hindernis wie Baum, Felsen oder ähnlichen reibt, kann man den verbliebenen Durchmesser und die restliche Tragkraft der Schnur sehr gut gebrauchen.
Natürlich geht der große Durchmesser zu Lasten der Wurfweite und der noch angenehm zu befischenden Tiefe. Aber was macht es für einen Sinn, auf große Distanzen Fische an den Haken zu bekommen, die man angesichts der Starkströmung dann eh nicht landen kann, weil man den ersten Run nicht halten kann.
Soviel also zum Thema Paranoia-Dori und meinem Therapieansatz. Mich beruhigt es einfach, wenn ich weiß, dass ich hintenraus noch einen Puffer habe. Ihr werden euer Gerät natürlich auf eure Gewässerbedinungen anpassen müssen. Gegebenenfalls ja auch auf den Zielfisch. Denn das Paranoia-Prinzip ist durchaus übertragbar auf andere Angelarten und Zielfische.
Ich geh jetzt mal mein Wallertau aufspielen und verbleibe mit besten Grüßen!
Petri, Leute!
Dori