Tipps & Tricks Angelrollen-Knowhow und Pflege-Tipps vom Fachmann


Gerade Spinnfischer sollten den Wert einer guten Rolle zu schätzen wissen. Schließlich ist sie integraler Bestandteil unserer Ausrüstung. Denn beim Spinnfischen ist die Rolle im Dauereinsatz. Und zwar den ganzen Tag während der ganzen Saison. Wenn da das Röllchen nicht präzise wie ein Schweizer Uhrwerk läuft, ist Ärger vorprogrammiert. U.a. weil man oft mit teuren geflochtenen Schnüren fischt, sind hochwertige Rollen, die Perückenbildung schon im Ansatz ersticken, auf lange Sicht billiger als günstige Spar-Modelle.


Wenn man sich einmal zu einer Investition von mehr als 100 Euro entschlossen hat, möchte man ja möglichst lang Freude an der Rolle haben. Die Lebenszeit kann man beträchtlich verlängern, wenn man ein wenig über die Technik bescheid weiß und ein paar grundlegende Regeln im Gebrauch, der Pflege und in der Lagerung der guten Stücke beachtet. Deswegen habe ich mich einmal direkt an den Fachmann gewendet und Felix von Nolting von der Firma TICA zum Thema interviewt.

Barsch-Alarm: Herr von Nolting, erst einmal vielen Dank, dass Sie sich zum Interview bereit erklärt haben. Seit über 30 Jahren stellt TICA nun Angelgeräte her. Was denken Sie, sind die entscheidensten Entwicklungen auf dem Rollensektor der letzten 30 Jahre?


Felix v. Nolting: Gern gebe ich Ihnen wichtige Tipps und Informationen. Nun ja, als erstes sind die endlose Rücklaufsperre und natürlich auch die Gewichtsreduzierung bei den Gehäusen zu nennen. Außerdem sorgen moderne Fertigungstechniken bei hochwertigen Rollen für eine längere Haltbarkeit. Auch die Getriebemechanik kann heutzutage exakter gefertigt werden als vor 30 Jahren. Kugellager hingegen gibt es schon einige Jahrzehnte.


Barsch-Alarm: Viele Leute, sogar so mancher Händler, wissen nichts mit dem Begriff Wormshaft-Getriebe anzufangen. Was ist ein Wormshaft-Getriebe und wofür ist so was gut?


Felix v. Nolting: Das Wormshaftgetriebe ist eine CNC-gefräste Achse im Getriebe, die dafür sorgt, dass der Spulenhub eine sogenannte Kreuzwicklung verursacht. Das bedeutet eine leichte kreuzweise Verlegung der Schnur auf der Spule. Der Vorteil dieses Wicklungssystems ist, dass die Schnur bei unterschiedlicher Belastung (Drill, Hänger) nicht mehr auf der Spule einschneidet und sich einklemmen kann. Somit sind immer gleichbleibende gute Wurfeigenschaften gegeben. Die Wicklung ist einfach viel exakter, als bei einem klassischem Oszilationssystem.



Barsch-Alarm: Und wie sieht es mit den Bremssystemen aus? Was ist denn langlebiger – eine Front- oder Heckbremse? Und warum?


Felix v. Nolting: Die Frontbremse ist deshalb langlebiger, weil die Achse stabiler (fix) gelagert ist als bei einer Heckbremse. Die Achse einer Heckbremse ist lose gelagert, weil sie die Bremswirkung von der Spule komplett durch das Gehäuse bis zum Heckbremssystem übertragen muss. Das Gehäuse muss ja nach hinten offener sein, denn die Achse geht ganz durch bis in die Bremsmechanik. Bei der Frontbremse ist die Achse starr und etwas kürzer, denn es ist ja keine zusätzliche Heckbrems-Mechanik zum Bremsen notwendig. Bei einer Rolle mit Heckbremse wirken zwei Hebel auf die Achse. Zunächst einmal vorne, wo die Spule aufgeklickt wird, dann noch hinten, wo die Bremse wirkt. Bei der Frontbremse existiert nur ein Angriffspunkt, nämlich vorne auf der Achse, wo die Bremse sitzt. Dadurch ergibt sich eine direktere Bremswirkung bei Frontbremse. Und diese Wirkung wird durch die Tatsache unterstützt, dass bei Frontbremssystemen auch noch die Bremsen größer ausfallen können. (Je größer der Spulenkern, desto größer können die Bremsscheiben ausfallen.) Bei Heckbremssystemen ergibt sich schon allein durch die Größe der Mechanik eine Maximalgröße der Bremsscheiben. Die Bremse kann natürlich nicht größer als das Einsstellrädchen sein. Eine Frontbremse kann man in der Regel auch sehr schwer überdrehen (zu weit zu ziehen).


Barsch-Alarm: Ist ein kugelgelagertes Antitwist-Schnurlaufröllchen der Garant für ein perückenfreies Fischen?


Felix v. Nolting: Nein. Besser sollte man die Schnur nach dem Wurf immer von Hand anlegen und den Rollenbügel von Hand umklappen. So vermeidet man, dass die Schnur zu locker aufliegt und sich beim nächsten Wurf eine Perücke bildet. Grundsätzlich ist ein kugelgelagertes Antitwist-Schnurlaufröllchen schon wichtig, denn gerade bei starker Belastung im Drill, wo sich Wärme entwickeln kann, sorgt es immer für ein gutes Laufen des Röllchens. Außerdem bildet sich immer ein leichter Schnurbogen zwischen dem Schnurlaufröllchen und erstem Rutenring. Dadurch springt die Schnur auf dem Schnurlaufröllchen eigentlich immer etwas hin und her. Das Antitwiströllchen ist ein konisch zulaufendes Röllchen, das das Hin- und Herrutschen der Schnur verhindert. So wirkt man der Twist-Tendenz entgegen.


Barsch-Alarm: In letzter Zeit zeichnet sich ein Trend ab: Die Hersteller bauen immer mehr Kugellager in die Rollen. Ist das der Sache wirklich dienlich? Wie viele Kugellager braucht eine gute Rolle? Und wo sollten diese sitzen?


Felix v. Nolting: Viele gute Kugellager bedeuten natürlich auch einen guten Lauf einer Rolle. Entscheidend ist, dass sie erstens hochwertig und zweitens an den richtigen Stellen eingebaut sind. Ein zentraler Punkt in der Rolle liegt im Durchgang der Achse zum Getriebe unter dem Rotor. Ganz wichtig ist auch das Kugellager im Schnurlaufröllchen. Denn damit ist gesichert, dass das Röllchen unter Belastung immer gleich läuft und sich nicht durch unnötiges Schleifen festsetzt. Auch auf beiden Seiten des Gehäuses, wo die Kurbel ins Gehäuse geht, sollten jeweils ein oder zwei Kugellager sitzen. Sehr hilfreich ist auch ein Kugellager unter der Spule auf der Achse. Dadurch läuft die Frontbremse immer gleichmäßig auf der Achse ab. So erzielt man immer die gleiche Bremswirkung – auch wenn die Belastung auf die Achse einmal stärker sein sollte. Das Wormshaftgetriebe sollte mindestens einfach, besser doppelt gelagert sein. Der Vorteil von einem Kugellager auf jeder Seite ist, dass das Getriebe dann gleichmäßig und rund läuft und der Verschleiß geringer ist. Es kommt aber wie gesagt immer auf die Art des Kugellagers an, wie gut die Wirkung ist.


Barsch-Alarm: Und was sind die besten Kugellager?


Felix v. Nolting: Die, die funktionieren. Wichtig ist, dass die Kugellager aus gutem Material und mit exakten Maschinen hergestellt werden. Es gibt doch tatsächlich Kugellager aus Kunststoff… da sollte man einen großen Bogen herum machen. Das Herkunftsland ist mittlerweile kein Qualitätskriterium mehr. Eine gutes Qualitätsmanagement ist viel wichtiger.


Barsch-Alarm: Wie viele Euros muss ein Angler bereit sein, auf den Tisch zu legen, wenn er eine gute Rolle in den Händen halten will?


Felix v. Nolting: Um sie in den Händen zu halten, muss man erst mal gar nichts bezahlen. Die Händler zeigen sie gerne kostenfrei. Im Ernst: Es kommt immer auf den Einsatzzweck an. Rollen fürs Meeresangeln sind in der Regel etwas teurer, da sich Salzwasser negativ auf die Rolle auswirken kann. Und entsprechende Sicherungsmechanismen und salzwasserresitente Materialien kosten eben mehr. Eine normale Rolle sollte den einfachsten Qualitätskriterien entsprechen, wenn sie ab 50 Euro kostet. Aber jeden Euro, den man zuviel spart, spart man an Qualität und Langlebigkeit und natürlich auch an Angelspaß. Ein Preis sollte allerdings nie ein Qualitätskriterium sein. Ein guter Fachhändler sollte Ihnen immer über die Herstellung und die verwendeten Materialien eine Auskunft geben können.


Barsch-Alarm: Bei der Verwendung von geflochtenen Schnüren reichen ja eigentlich fast immer die kleinsten Größen aus. Was also spricht für den Erwerb einer mittleren oder großen Ausführung?


Felix v. Nolting: Wenn ich eine Schnur mit ungefähr 0,10 bis 0,14 mm Durchmesser und einer Tagkraft von 10 kg nehme, was heutzutage schon geflochtene Schnüre leisten können, dann bedeutet das auch gleichzeitig, dass die Bremse, die Achse und das Getriebe auf diese Tragkraft ausgelegt sein müssen. Wenn die Rolle zu klein dimensioniert ist, kann die Achse verbiegen – ohne das dass auf einen Materialfehler zurückzuführen ist – und damit die Rolle nicht mehr richtig laufen, der Bügel und sogar der Rollenfuß kann brechen. Außerdem muss die Rolle ja auch hinsichtlich der Ausgewogenheit des Gerätes zur Rute passen. Und noch etwas: Je größer der Spulendurchmesser und die Spulenhöhe, desto weiter wirft man!


Barsch-Alarm: Die geflochtenen Schnüre sind ja eine der herausragensten Entwicklungen der letzten 15 Jahre. Aber diese Entwicklung bedeutet auch gleichzeitig eine Mehrbelastung für die Rollenachsen, stimmt’s?


Felix v. Nolting: Exakt, wie schon zuvor erwähnt. Deshalb sollte man z.B. bei Hängern niemals das Boot an den Hänger heranziehen und die Bremse wirklich sauber einstellen, damit der Fisch die Achse nicht überbelasten kann. Im Drill großer Fische sollte man außerdem noch darauf achten, dass man den Fisch nur dann heranpumpt, wenn die Spule (der Hub) eingefahren ist. Denn je länger der Hub, desto leichter kann eine Achse verbiegen. Außerdem sollte man die Rolle niemals auf die Spule fallen lassen. Schon wenn die Achse einen kleinen Schlag abbekommt, kann es sein, dass die Rolle nicht mehr einwandfrei läuft.


Barsch-Alarm: Die Achse ist also DIE Achillesferse von Angelrollen?


Felix v. Nolting: Nicht zwangsläufig. Wer aufpasst und Rollen mit stabilen Achsen kauft, wird lange Freude daran haben. Viel empfindlicher sind z.B. die Bügelfedern. Auch hier gibt es jedoch mittlerweile sehr gute Systeme, z.B. das Schubfedersystem, die ein Ausleiern weitgehend verhindern bzw. den Verschleiß verringern. Die Abwurfkante der Spule sollte möglichst immer sauber sein und nicht mit Dreck in Berührung kommt. Kleinste Macken, z.B. durch das auf den Bodenlegen der Rute beim Angeln, führen zu Schäden an der Schnur bzw. Distanzverlust beim Werfen.


Barsch-Alarm: Wie kann man Schäden an diesen Problemzonen vermeiden?


Felix v. Nolting: Die Bügelfedern schont man, indem man den Bügel von Hand bedient und nicht automatisch zuschnappen lässt. Alles andere ist eine reine Material- und Konstruktionsfrage. Ein pflegliches Behandeln meines Materials ist für mich als Angler selbstverständlich.


Barsch-Alarm: Viele Angler „wässern“ ihre Rollen erst mal eine Weile, wenn sie z.B. in Norwegen am Salzwasser geangelt haben. Wie lange darf man eine Rolle ins Wasser legen. Und wie sollte man sie danach trocknen.


Felix v. Nolting: Ich empfehle, eine Rolle gar nicht zu „wässern“. Bevor man ans Salzwasser geht, sollte man die Rollen mit feinem Öl wie Waffen- oder Silikonöl imprägnieren, sprich einreiben (besonders die Aluminiumteile). Nach dem Gebrauch wird die Rolle nur mit Süßwasser gründlich abgespült, dann getrocknet und dann wieder imprägniert. Und übrigens: Man darf sich auch ruhig trauen, das Gehäuse zu öffnen, um das Innere mit einem möglichst guten Öl zu behandeln.


Barsch-Alarm: Wie oft fettet man eine Rolle? Und ist Öl besser oder Rollenfett?


Felix v. Nolting: Mit Fett sollte man etwas vorsichtig umgehen, weil Fett immer eine Presswirkung auf das Getriebe haben kann. Wenn es alt und hart wird, ist die Schmierwirkung bei Angelrollen geringer als die Presswirkung. Fetten Sie die Rollen auf jeden Fall vor Anfang und am Ende der Saison und verwenden sie ein hochwertiges salzwasserresistentes Fett. Achtung: Die Bremsscheiben sind mit Spezialfett geschmiert. Auch nach extremen Angeltouren (z.B. im Winter, in die Tropen am Salzwasser) sollte man das machen. Ja, wenn möglich auch nach jedem längeren Gebrauch.


Barsch-Alarm: Auch bei der Lagerung gibt’s bestimmte Dogmen, an die man sich halten sollte. Können sie da mal ein paar „goldene Regeln“ aufstellen?


Felix v. Nolting: Lagern Sie die Schnur mit der Spule getrennt von der Rolle. Monofile Schnur hält bei sehr geringer Feuchtigkeit ein wenig länger. Während die Rolle extrem trocken gelagert werden sollte. Besonders um Rostschäden durch Flugrost zu verhindern. Ich würde immer empfehlen, das Angelgerät bei der Winterlagerung auseinander zu bauen. Die Rolle legt man dann am besten zusammen mit einem Tuch in den Originalkarton. Der Karton verhindert ein bisschen, dass Feuchtigkeit an die Rolle gelangt. Die Spule ruhig in den Keller zu den Angeln legen, so bleibt die Schnur frischer. Außerdem lagert man eine Rolle am besten mit offener Bremse und Rücklaufsperre. Auch diese Maßnahme fördert ein langes Leben.


Barsch-Alarm: Haben Sie sonst noch einen Tipp, den Sie uns unbedingt mit auf den Weg in die neue Saison bzw. zum Gerätehändler geben wollen?


Felix v. Nolting: Wenn man viel mit geflochtener Schnur angelt, sollten die Abwurfkanten und das Schurlaufröllchen möglichst titaniumbeschichtet, wenigstens aber speziell gehärtet sein. Denn der Abrieb ist um vielfaches höher als bei einer monofilen Schnur. Außerdem immer darauf achten, dass man die Rollen nicht unterdimensioniert und an die hohen Tragkräfte der geflochtenen und auch mancher monofilen Schnüre anpasst. Eine Angelrolle ist immer noch eine Angelrolle und keine Wunderwaffe. Als Angler habe ich eine besondere Aufgabe mit der Hege und Pflege der Gewässer, das gilt für meine Angelsachen genauso, um möglichst lange Angelfreude zu haben.


Barsch-Alarm: Vielen Dank!!!

R
Klasse Interview!<br />
Gerade die technischen Details und Pflegehinweise kriegt man so ausführlich meist nicht beim Fachhändler erklärt... <br />
Auch das große Fische bei eingefahrenem Spulenhub herangepumpt werden sollten, ist ein wertvoller Tip, auf dem man so nicht unbedingt selber kommen muss! <br />
Ich werde darauf demnächst verstärkt achten und sei es nur beim nächsten Hänger ;-)<br />
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@jd: Gerne mehr davon!
A
Schade das ich jetzt erst auf Barsch-Alarm gestoßen bin! Klasse Betrag !<br />
Hätte mann viel Geld und Lehre sparen können.Ich bin zum Anfang ganz schöhn reingefallen.Bevorzuge Jetzt Schimano oder Daiwa.Lieber einmal mehr Geld ausgeben und auf Qalität achten!
F
Hallo jd, <br />
ein guter und aufschlussreicher Bericht. <br />
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Nur kann ich raeuberschreck nicht ganz beipflichten, wenn man bei einem guten FACHHÄNDLER nachfragt, (nicht Discounter, die haben meist keine Zeit und Personal für so etwas) bekommt man fast die gleich antwort, denn nur damit können diese dann überleben und nicht über den Preis.<br />
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An - angleraken, <br />
mit dem Angelgerät ist es wie mit den Autos, nicht was super teuer ist muss auch super gut sein. Es gibt da ein schönes Sprichwort, welches ich dann immer gerne bemühe: „Auch andere Mütter haben schöne Töchter ;-)) „ und so ist das auch mit dem Angelgerät.<br />
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gruß - fishhunter<br />
A
ich meinte damit nicht teuer ist gut,sondern das ich mich an deren gute Qualität halte!Sicher gibt es auch andere Marken.Aber Leider bringt es mein Beruf mit das ich öfter mal Rollen von Angelkollegen repariern muss.Was in manchen Rollen drin ist ,OhOh!!!<br />
Aber jeder findet seinen Favorieten.
A