News Macht YouTube das ANGELN kaputt?
Es ist ein Thema, das mich quasi bei jedem Dreh umtreibt. Kann ich hier filmen? Trete ich der Community auf die Füße? Wie kann ich den Spot verheimlichen, ohne das Video-Erlebnis – das bei mir ein authentisches Angelerlebnis sein soll mit Live-Bissen – komplett zu zerstören. Es gibt Optionen. Man kann dem Hintergrund die Schärfe entziehen. Man kann entgegen der Wurfrichtung filmen. Man kann von unten nach oben oder von oben nach unten filmen. Keine Namen, keine Schilder, keine Gebäube und keine Drohne. Doch damit macht man es eigentlich nur ein bisschen schwieriger, den Spot zu dechiffrieren. Ein digital versierter Spotpirat wird den Code dennoch knacken. Und dann steht er irgendwann einfach da. Im Idealfall wurde das Video zeitverzögert veröffentlicht, so dass der Platz zur Zeit des Überfalls keine Fische hält. Dem einen oder anderen „Geier“ liefert man zur Methode das Barsch-Inferno aller Hürden dennoch gleich on top.
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Und jetzt wird’s vielschichtig. Ich bin krank, liege auf der Couch, wurde von den Angelnews stimuliert und habe heute einfach mal Bock, das ein bisschen aufzudröseln. Vielleicht entsteht ja eine nette Diskussion im Anschluss. Vielleicht kann ich euch ein paar meiner Gedanken so näherbringen, dass sich das gegenseitige Verständnis etwas verbessert. Nachdem vorletztes Jahr Bilder meines Bootes durch Spandauer Whatsapp-Gruppen gingen mit dem Hintergrund diesem Boot/Angler-Gespann das Angeln so schwer wie möglich zu machen durch Spot-Blockaden sehe ich da auf meiner Seite Bedarf.
Kampf um die Ressource Fisch
Diese Zwischenüberschrift klingt dramatisch. Aber da ist schon was dran. Es gibt nicht so viele Gewässer, von denen man hört, dass sie besser werden. Das prominenteste Beispiel für ein abrauchendes System ist wahrscheinlich „der“ Bodden. Unendliche Weiten. Riesige Wasserflächen. Vor 20 Jahren konnte man noch trockenen Fußes über den Strelasund kommen, indem man von einem Boot zum nächsten sprang. Heute müsste man kilometerweite Sätze auspacken. Kein Boot mehr da. Und leider auch verdammt wenig Fisch. Das ist supertraurig und leider auch kein Einzelfall. Davon weiß der Pächter eines kleinen Flusses, der innerhalb von ein paar Tagen von einem mittelgroßen Kormoranschwarm platt gefressen wurde, genauso ein Lied zu singen wie der Liepnitzsee-Fan, der da vor 15 Jahren noch jeden Tag seine Chance auf den 40er Barsch hatte und heute nicht mehr hinfährt, weil das eben leider 15 Jahre her ist.
Nun wollen wir halt alle gerne Fische fangen. Das Problem in diesem Zusammenhang: Wenn mehr Plätze wegfallen und genauso viele Angler Fische fangen wollen, konzentrieren sich mehr Angler auf die intakten Gewässer. Es ist so komplex, dass es schwer ist, den Faden in der Hand zu halten, während man das schreibt. Teilweise sind es nämlich nur noch intakte Spots. Keine gesunden Gewässer. Oft geht’s halt nur noch an der XY-Brücke, im VZ-Hafen oder an der WY-Marina. Also nur an den heißesten der heißen Stellen. Und da dann nur noch zu bestimmten Uhrzeiten. Vom flächendeckenden Fangflash sind wir auf jeden Fall so weit entfernt wie die Erde vom Mond.
Mehr Input – mehr Power
Das durchschnittliche Engagement ist gestiegen. Vor 20 Jahren waren die Angelreisenden, die von Deutschland aus nach Schweden, Spanien oder Holland gereist sind, um dort bei uns heimische Süßwasserfische zu beangeln noch eine relativ kleine Gruppe. Heute ist der Barsch-Trip ins Rheindelta von Berlin aus einigermaßen Standard. Zu schwer ist es für unsere Systeme daheim, mit den Riesenfischen vom HV, VK, der Maaß oder dem Niederrhein mitzuhalten. An der schönen Landschaft wird die Reiselust ins Nachbarland ja vermutlich genauso wenig liegen wie an der Kulinarik. Wobei uns natürlich auch Schonzeiten, Ankergebote und andere Einschränkungen ins Ausland treiben. Wo ich ein bisschen abgedriftet bin vom heimischen Spot. Den trifft die neue Reiselust aber ja genauso. Wenn wir im Großen mehr Geld, Zeit und Mühe investieren, so tun wir es im Kleinen ja erst recht. Da geht dann z.B. auch der Hannes mal ran an den Potsdamer Nachtbarsch, wenn er tagsüber keine Kraft fürs Winterlagerangeln findet.
YouTube – die größte Spinnanglerschmiede der Welt
Jetzt wird’s komplett komplex. In diesem Abschnitt werden sich gleich ein paar Katzen in ihre Schwänze beißen. Für einen nicht unerheblichen Teil der Anglerschaft ist das Problem ganz klar definierbar und das Feindbild strahlt in Triple-HD: YouTube ist schuld! Die Scheißdrecks-Influencer versauen heutzutage alles. Nieder mit ihnen. Filmverbote aussprechen. Landesweit! Und da kann man wahrscheinlich gar nicht so viel dagegen sagen. Ich kann eben nicht garantieren, dass meine Videos nur von Menschen geschaut werden, die sich auf Sexy Swimmer-Part konzentrieren, um als kleines Dankeschön für die vielen lehrreichen Beiträge künftig den BA-Gummis Vorrang einzuräumen. (Nur ein Beispiel. Ich will hier niemand anderes mit reinziehen.) Da werden in allen Communities Typen dabei sein, die auf meine Marketing-Botschaften pfeifen, denen sogar die Methode egal sind – Leute, denen es einzig und allein um den Spot geht. Schaue ich nun auf diese Leute runter? Nö. Das ist am Ende legitim. Nicht jeder Mensch hat die Zeit, sich so tief ins Angeln reinzufuchsen. Nicht jeder hat das Talent, sich eigene Spots zu erangeln. Nicht jeder hat die Geduld und das Selbstbewusstsein, sein Angelleben aus dem eigenen Skill-Pool zu bestreiten. Und so muss ich immer davon ausgehen, dass ein gewisser Prozentsatz zuschaut, um sich mehr als Methode und Köder anzueigenen. Und so kann ich es schon nachvollziehen, dass die Leute teilweise ein bisschen pissed sind, wenn der Freebird aus dem Nebel auftaucht und der Hannes eine GoPro umhängen hat.
Nun ist es aber ja nicht so, dass die ganze Welt einen Hass auf Video-Creators schiebt. Selbst mein kleiner Kanal hat eine freundliche und auch lustige Community, die weiß, dass sie nicht schlechter wird, wenn sie meine Videos anschaut. Neben Markenbotschaften gibt’s eigentlich in jeder Episode auch was mitzunehmen. Mal einen Farbtipp. Mal eine Montage. Mal eine Wurftechnik. Eine Flachwasser-Inspiration. Whatever. Und so wird es euch auf vielen Kanälen gehen. Die These, das YouTube die größte Spinnanglerschmiede der Welt ist und inzwischen ganz vielleicht sogar den Barsch-Alarm als solche abgelöst hat, halte ich für einigermaßen abgesichert. YouTube macht uns alle besser. Globale Ideen halten lokal Einzug. Wir übertragen wie die Weltmeister. Was gestern noch eine abgefahrene Blackbass-Nummer war, ist heute Standard beim Barschangeln oder sogar beim Zanderzupfen.
Und hier wird’s dann schon auch für die Hater ein bisschen knifflig – zumindest theoretisch. Ohne YouTube gibt’s keine Inspiration. Ohne Inspiration gibt’s nur bescheidenen Fortschritt. Ohne Fortschritt gibt’s in Zeiten einer sich verknappenden Ressource weniger Erfolgserlebnisse. Und mal ehrlich: Es ist doch viel schöner, ans Gewässer zu kommen mit dem Gefühl, dass hier alle einigermaßen wissen, was sie tun – dass da ein bisschen über Nachhaltigkeit nachgedacht wird, die die YouTube-Fuzzis im Idealfall auch ein bisschen vorleben.
Das ist nicht nur schön, sondern auch wichtig. Wichtig, weil es – vermutlich habt ihr schon mal davon gehört, allzutief will ich da nicht einsteigen – Strömungen gibt, die unserem Hobby an den Kragen wollen. Ja. Es gibt Menschen, die das alles gern verbieten wollen würden. Diese Menschen – da gebe ich Angel-YouTube-Kritikern recht – finden leider in zahlreichen Videos Anschauungs- bzw. Beweismaterial, mit dem sie uns ein Ei legen wollen/können. Da hat’s auch schon den einen oder anderen erwischt, der sich beispielsweise allzu naiv der Releaserei hingegeben hat. Und wenn ich ehrlich bin, war’s auch für mich ein Weg zu dem inzwischen von mir praktiziertem Fish-Handling ohne Gelaber, möglichst schonendem Umgang und ohne zusätzlichen Vermessstress für die Fische. Da wird es immer noch Verbesserungspotential geben. Aber ich bin dran und ich hoffe einfach, dass ich so viele Menschen wie nur möglich positiv beeinflusse. Demnächst komme auch ich euch mit Catch&Cook. Die Zeiten des dogmatischen Zurücksetzens haben wir ja größtenteils zu Glück überwunden. (Was ich sehr begrüße. Ich finde, ein Angler MUSS in der Lage sein, einen Fisch zu töten. Aber das ist hier nur ein Nebensatz.)
Was wäre Angeln ohne YouTube?
Sind wir ehrlich. In der Glotze kommt ganz schön viel Dreck. Da bietet der Ausflug auf YouTube doch oft viel erquicklicheren Input für die Anglerbirne. Wettkämpfe, Unterhaltungsformate, Tutorials, Tackle-Infos, exotische Angelplätze usw. Man kann sich freuen, ärgern oder weiterbilden. Man kann dem Winter entfliehen oder der Sommerhitze ein Schnippchen schlagen. In jedem Fall kann man dabei sein und seinem Hobby mit einem massiven Unterbau festigen, so dass man dran bleibt. So dass man wieder aufsteht, nachdem man ein paar Mal hintereinander auf die Fresse bekommen hat am Kanal. Weil der Hannes fängt ja auch nicht nur die dicken Dinger. Und trotzdem steht er am nächsten Montag wieder irgendwo und zerrt wieder irgendeine Montage durchs Wasser.
Natürlich denke ich nicht, dass jeder Angler YouTuber braucht, um sich zu motivieren. Aber ich denke, dass Angeln im Jahr 2025 ohne YouTube nicht das Angeln 2025 wäre, woran die meisten von uns so viel Freude haben. Immer wieder neu aufploppende Marken. Ständig neue Montagen. Immer wieder neue Reviere. Immer besseres und vor allem auch auf unsere Verhältnisse getuntes Tackle.
Durch den Erfolg von Angel-YouTube wird Vieles möglich, was vor Jahren noch unmöglich schien. Wir kommen aus einer Zeit – und da war ich Teil davon – in der wenige Firmen mit einer Handvoll ausgewählter Angelpromis und 5 Angelmagazinen – festgelegt haben, was jetzt Trend ist und was nicht. Das war sehr beschaulich, wenn man diesem inneren Zirkel angehörte. Das Kleinteilige und authentische kam aber ja erst ins Spiel, als es losging mit diesem YouTube. Da sind plötzlich Typen am Start, die allein von ihren Angelskills keine Chance gehabt hätten, sich in der alten Angelwelt, in der sich viel um Expertentum gedreht hat, niemals stattgefunden hätten. Die euch aber allerbestens unterhalten und die sich dafür genauso den Arsch aufreißen, wie ich das tue. Und die eben völlig zurecht teil eurer wöchentlichen Medienroutine geworden sind.
Das Sinnbild dieser Wechselwirkung zwischen Anglern und YouTube ist für mich die Angelwelt Berlin. Die Messe war praktisch tot, bevor man auf die Karte „YouTube“ gesetzt hat. Heute ist das die größte Anglermesse Europas. Weil alle relevanten Hersteller am Start sind. Weil innovative Kleinunternehmen dazukommen. Weil sich die Shops was einfallen lassen. Vor allem aber auch, weil ihr hier die ganzen Nasen sehen könnt, die zu den verschiedenen Sendezeiten teilweise fester Bestandteil eures Medienlebens geworden sind. Anders lässt es sich nicht erklären, dass ich 3 Tages lang im Minutentakt als Selfietapete genutzt werde und es dem Eule, Hänel, Carsten, OSA usw. genauso geht. Superanstregend auf der einen Seite. Aber auch supertoll und euphorisierend auf der anderen. Und ein sehr guter Gegenpol zu solchen Fahndungsaktionen wie der am Anfang geschilderten aus Spandau.
Die Schuld-Bombe
Ganz zum Schluss möchte ich euch noch einen Gedanken mitgeben, der mich überhaupt erst dazu gebracht hat, das hier mal zu Papier zu bringen. Es ist ein Beitrag aus den Angelnews, die manchmal richtig schöne Themen auf die Agenda bringen.
Und der reflektierte Eeyci hat oft auch mal einen Gedanken dabei, auf den man nicht im allerersten Moment kommt. Achtung, Explosionsgefahr:
Wer ist schuld am Überrennen der Spots? Der YouTuber, der sein Video dort dreht? Oder der Angler, der dort hinrennt?
Ich bin gespannt auf eure Meinungen! Da gibt’s sicher eine Menge Aspekte, die hier nicht zur Sprache kamen. Ziel war es, mal meine Sicht der Dinge zu schildern und euch zu zeigen, dass ich mir da schon auch eine Platte mache und nicht einfach über eure Spots herfalle – zumindest tue ich das nie, ohne drüber nachzudenken. Bringt euch nix? Da ist sicher auch ein bisschen was Wahres dran.