Thema Kormoran, aktuelle wissenschaftl. Betrachtung 2019

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ranseier

Gummipapst
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Danke für die sehr interessante Studie. Hier ein paar zitierenswerte Passagen aus den gut 20 Seiten:
Warum fallen der sachliche Austausch und die Anerkennung von wissenschaftlichen Fakten – es geht nur um diese – der Mehrzahl der jeweiligen Betrachter so schwer? Wenn der Bestand einer Art rapide abnimmt (z. B. Äsche) und die Ursachen sichtbar und eindeutig belegt sind (z. B. verstärkte Prädation), muss gegengesteuert werden, wenn die Zielstellung „Erhaltung der Biologischen Vielfalt“ ernst gemeint wird. Diesem Prinzip sollte sich auch die Politik nicht verschließen, selbst wenn einzelne Maßnahmen zunächst nicht populär sind.
Die Konflikte zwischen Vogel-, Fisch- und Biotopschutz werden von Menschen ausgetragen. Oberstes Ziel müsste sein, dass sich Natur- und Artenschützer, Jäger, Ornithologen, Förster, Fischereibiologen, Fischer, Angler, Landwirte, Veterinäre, Zoologen, Ökologen und interessierte Heimatforscher auf Augenhöhe fachlich austauschen und um Lösungswege ringen. Öffentlich scheinen die Belange des Vogelschutzes denen des Fischartenschutzes entgegenzustehen. Wildlebende Fische werden in der Diskussion oft als „herrenlos“ bezeichnet. Dies gilt aber ebenso auch für die Kormorane. Insofern sind diese Aussagen wirkungslos.
Nach Freyhof (2009) sind zwischen den späten 1980er und mittleren 1990er Jahren nahezu alle Populationen der Äsche im gesamten Bundesgebiet dramatisch zurückgegangen. Die Art ist zwar noch weit verbreitet, doch sind die Populationen heute meist klein bis sehr klein. Offenbar wird in jüngster Zeit zunehmend anerkannt, dass Kormorane wesentlich zum empfindlichen Rückgang der Äsche und anderer Arten in den Fließgewässern beigetragen haben (vgl. z. B. Uib lei n et al. 2000, Baars et al. 2001).
In den unterschiedlichen Gewässertypen sind beispielsweise auch Mortalitätsfaktoren für Fische wie Krankheiten, Parasiten, Nahrungsmangel, Temperaturerhöhung, Mikroplastik, Kannibalismus und Raubfische sowie das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren auf die jeweiligen Fischbestände weitgehend unbekannt. Nicht nur Flussverbauung und Begradigung, sondern auch die Gewässergüte beeinflussen die Fischfauna. Zu diesen Ursachen des Fischrückgangs kam der Einfluss des Kormorans in allen Landesteilen ab etwa 1990 noch dazu.
Den Einfluss des Kormorans auf Fischbestände der Forellen-, Äschen- und Barbenregion im Binnenland haben mehrere Autoren (vgl. z. B. CONR AD et al. 2002, Arge Nister e. V. 2010, KAMMERAD 2015) eindringlich dargestellt. An diesen Fließgewässern ist nunmehr nahezu das ganze Jahr eine wechselnde Kormoranpräsenz zu beobachten. Bachforellen, Äschen, Barben, Nasen, Zährten, Hasel, Döbel und gelegentlich Aal sind einem enormen Fraßdruck ausgesetzt, der über Monate anhält und bei den Äschengewässern einen Bestandsrückgang von 93 bis 99 % der Fischbiomasse bewirken kann (vgl. BAARS et al. 2001).
In Ostthüringen wurde seit Jahren eine Teichanlage vom NABU übernommen, um den dort auf Bäumen einer Insel übernachtenden Kormoranen eine „Ablenkfütterung“ anzubieten. In einem etwa 12 km entfernt befindlichen Fischzuchtbetrieb (Fischteiche) konnte der Fotograf S. Heidler einen besenderten Kormoran fotografieren (vgl. Abb. 11). Die Auswertung der Senderdaten ergab, dass der Kormoran täglich zur Nahrungsaufnahme von diesem Schlafplatz mit unmittelbar vorhandenem Fischteich zum Fischzuchtbetrieb wechselte (S. HEIDLER mündl. 2019). Dieser Fall belegt, dass „Ablenkfütterungen“ für Kormorane eine Wunschvorstellung sind. Das Vertreiben oder Vergrämen von Kormoranen mit den unterschiedlichen technischen Mitteln (z. B. Leuchtraketen, Pyrotechnik, Lasergewehre, Gewässerüberspannungen, akustische Signale u. a.) ist an Fließgewässern nicht zielführend, wie mehrere Beobachtungen aus der Praxis belegen.
Das Kormoran-Management muss auf die Bedingungen der regionalen aquatischen Biodiversität ausgerichtet werden, so dass der Druck von dieser genommen wird. Das ist mit jagdlichen Maßnahmen sicherlich zu leisten, wenn Jagd als bewusster Arten- und Biodiversitätsschutz praktiziert wird.
Alle bisherigen Versuche, die fischenden Kormorane von den Fließgewässern fernzuhalten, blieben erfolglos. Ein effektiver Schutz der Fischfauna in den genannten Fließgewässern ist ohne Senkung des in das Binnenland einfliegenden Kormoranbestandes nicht möglich. Es sei mit aller Deutlichkeit darauf verwiesen, dass die derzeit praktizierten Abwehrmaßnahmen (z. B. Ablenkfütterungen, Einbringen von Totholz in die Gewässer, akustische und optische Vergrämungstechniken, Entfernen oder Unbrauchbarmachen von Rast- und Schlafplätzen usw.) nicht zielführend waren. Eine Bestandsreduktion ist mittelfristig wohl nur erreichbar, wenn Kormorane derzeit im Winterhalbjahr an den genannten Gewässern erlegt werden.
Ausdrücklich sei festzuhalten, dass Abwehrmaßnahmen nur eine Seite der Medaille sind. Die Revitalisierung der Fließgewässer, der Schutz dieser vor Pestizideintrag und die Beseitigung aller weiteren genannten Ursachen des Fischrückgangs müssen mit gleicher Intensität vorangetrieben werden. Gerade weil diese Maßnahmen sehr zeitaufwendig sind, dürfen sie nicht hinausgeschoben werden.
Probleme auszusitzen oder wegzuschauen, ist in der Regel einfacher, aber nicht humaner und schon keinesfalls hilfreich im Artenschutz.

ranseier
 

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