Hi,
Materialermüdung gibt es überall. Selbst Stahl- oder Stahlbetonbrücken bekommen Risse und werden mit der Zeit "weich". Nicht anders ist es bei Angelruten. In erster Linie kommt es zu Mikrorissen in den Fasern. Wie schnell diese Ermüdung fortschreitet bzw. wie hoch das Maß der Ermüdung ist, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab.
Erste Möglichkeit ist ein Versagen des Verbundes zwischen den Wicklungen des Blanks. Ein Blank besteht in erster Linie aus mehreren Wicklungen/Lagen einer Matte (Gelege oder Geflecht) aus Carbon oder einem Carbon-Glas-Gemisch. Der Verbund zwischen zwei Lagen kann aufreissen. Dies ist in erster Linie auf einen Herstellungsfehler zurück zu führen. Soetwas habe ich erst einmal in meinem Leben gesehen. Das war bei einer Thomas & Thomas Rute. Bog man die Rute, bildtete sich an einer Stelle eine wellige Oberfläche.
Überlastung der Rute ist wahrscheinlich die häufigste Ursache für eine fortschreitende Ermüdung einer Rute. Was ist eine Überlastung? Ein Bruch ist die Folge einer Überlastung. Das erkennt jeder. Eine Überlastung liegt aber auch vor, wenn einzelne Fasern in der Matrix reissen oder diese beschädigt werden und ihre Tragkraft abnimmt. Ein Schädigung liegt auch vor, wenn das Harz die Faser nicht mehr bindet, also nicht mehr fest hält. Die Faser bewegt sich in der Harzmatrix und es findet eine Relativbewegung zwischen einzelnen Fasern oder Fasern und Harz statt. Wo beginnt denn die Überlastung einer Rute bzw. setzt diese ein? Das hängt natürlich auch von der verwendetet Faser bzw. ihrem Elastizitätsmodul (salopp gesagt Härte/Festigkei) ab. Man kann aber Pi mal Daumen sagen, wenn eine Rute mehr als 17°-25° ausgelenkt wird, befindet man sich bereits im Überlastungsbereich. Wenn also die Rutenspitze um mehr als diesen Winkel ausgelenkt wird, kommt es zu Mikrorissen in den Fasern und damit zu einer Schwächung der Matrix. Die Rute ermüdet mit der Zeit. Je niedriger die Kohlefaser moduliert ist, je niedriger die Belastung ausfällt, desto geringer fällt die Ermüdung aus. Will man eine Ermüdung weitgehend verhindern, sollte man die Rutenspitze nicht mehr als 15° auslenken. Ich habe eine Fliegenrute von RST in der Klasse 6. Diese Rute wurde in der Spitze und in der Mitte des Blanks gekürzt. Ziel war eine ultraschnelle Rute für den Gebetsroither Stil zu bekommen. Das hat funktioniert. Durch die starke Überlastung (sehr kurze Rute mit 1,85m, extrem rasanter Wurfstil) ermüdete die Rute recht schnell. Heute wirft sie nur noch eine vierer-fünfer Leine. Anderes Beispiel ist die Uli Beyer Spezial (UBS). Ich besitze eine Rute aus der allerersten Serie. Diese Rute ist nahezu noch immer so steif und schnell wie beim Kauf. Diese Rute hat in ihrem Leben aber in der Regel nur 10 cm Gummis mit Köpfen bis ca. 14 g gesehen. Größer oder schwerer habe ich am Rhein kaum gefischt. 12-15 cm waren schon die Ausnahme. Andere, die diese Rute auch mit 18 oder 20 cm Ködern gefischt haben, haben mindestens ein oder zwei dieser Ruten "weich" gefischt.
Leichtigkeitswahn ist auch ein Problem. In den letzten Jahren wird ja gerne Werbung gemacht für besonders hohe Pressdrücke beim Rollen des Blanks. Salopp gesagt, man möchte jedes unnötige Gramm Harz aus der Matte rauspressen. Eigentlich ist das kein schlechter Gedanke. Der geringe Harzanteil sorgt aber dafür, daß die einzelnen Fasern sich in der Matrix / Im Verbund immer näher kommen. Liegen zwei Fasern direkt aufeinander und kommt es zu einer Relativbewegung zwischen den Fasern, dann beschädigen sie sich gegenseitig. Sie reiben sich auf. Je niedriger also der Harzanteil ist, desto empfindlicher reagiert ein Blank auf eine Überlastung.
Nanopartikel im Harz sind der letzte Schrei. Theoretisch stimmt das auch. Die Nanopartikel senken die "Beweglichkeit" des Harzes und sorgen dafür, das sich das Harz stärker mit der Oberflächenrauhigkeit der Faser "verzahnt". Das Material wird stärker. Was aber passiert bei einer Überlastung? Es kommt zu einer Relativbewegung zwischen dem Harz und den Fasern. Jetzt wirken die Nanopartikel wie Schleifkörner. Das ist dann nicht so schön. Ein stark aufgeladener Motor bringt mehr Leistung, leider verschleisst er auch schneller.
Fasern mit verschiedenen E-Modulen dehnen sich unter Last verschieden stark aus. Ein gutes Beispiel ist z.b. der Mix Carbon-Kevlar. Die Fasern unterscheiden sich auch noch stark darin, wie sehr sie sich mit dem Harz "verbinden". Sieht toll aus und wird noch immer hier und da gerne beworben. RST hat da mal vor langer Zeit, als dieser Material-Mix in Mode kam, zu geforscht und Proben starken Schwingungen ausgesetzt. Das Ergebnis war, die Kevlarfasern bewegen sich im Verbund und zerschneiden mit der Zeit die Carbon-Fasern. Die Carbonfasern haben auch eine stärkere Verbindung mit dem Harz als die Kevlarfasern. Nicht gut, denn Relativbewegungen in der Matrix sorgen immer für Schaden. Ähnlich sieht es bei Blanks mit Kreuzwicklungen aus. Sie erhöhen zwar die Leistungsfähigkeit/Stabilität, sie sorgen aber auch für Nachteile bei einer Überlastung. Wie es dann bei Geweben aussieht kann man sich denken. Auch hier kreuzen sich Fasern und erhöhen die Formstabilität des Blanks. Bei einer Überlastung kommt es aber schneller zu Schäden in der Matrix.
Ruten altern auch. Da kann man aktiv nicht viel gegen tun. Man sollte Ruten möglich kühl und trocken lagern. Ein nasser Keller oder ein Dachboden, der sich im Sommer schon mal auf über 60°C aufheizt, ist nicht so gut.
Man sieht, je leistungsfähiger ein Blank ist, je mehr man einem Blank zumutet, man möchte ja möglichst wenig Gewicht in der Hand haben, desto schlechter sieht es bei der Langlebigkeit aus.
Petri, Dietmar