Max Fischer
Echo-Orakel
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Zweiter Akt:
Während ich mir weiter Meter um Meter Schnur auf die Rolle kämpfe zwinge ich mich meinen Atmen unter Kontrolle zu bringen. Kontroliiertes ein und ausatmen, nicht zu tief - um nicht gleich Sterne zu sehen - sondern schön normal. Meine Augen brennen weil mir der Schweiß hinein läuft, doch dagegen kann ich nichts tun.
Zu meiner großen Verwunderung kommt der Fisch immer näher und folgt meinem konstanten Zug ohne weitere größere Runs.
Ich kriege mich unter Kontrolle und auch mein Adrenalinspiegel normalisiert sich langsam wieder. Zu meiner großen Entzückung ist meine Rolle wieder weit gefüllt und ein Funke Hoffnung keimt in mir auf.
Zu 1. und 2. kommt... (wir erinnern uns an den ersten Akt)
3. Die Bedingungen sind auf meiner Seite - es wird bald dunkel werden und das Meer ist sehr ruhig.
4. Der Spot ist auf meiner Seite. 40 m Wassertiefe, eine relativ steil abfallende Felswand und die möglichkeit mich auf nahezu Wasserniveau zumindest ein bisschen links und rechts zu bewegen.
Also komme ich wieder bei zweitens an "... nur über die Zeit!"
Der Fisch ist mittlerweile ca. 30 m vor mir im Wasser und fängt an zu zirkeln. Die Sonne ist längst untergegangen und der Mond steigt auf.
Der Tuna zieht mit einer unglaublichen Kraft immer wieder 5-10 Meter Schnur von der Rolle, die ich mir im Anschluss Zentimeter für Zentimeter zurückkämpfe.
Es wird immer dunkler und so langsam wird mir meine Situation klar. Der Fisch ist alles andere als Ausgedrillt, mein Rucksack inklusive Kopflampe und Gaff liegt zwar nur zwei Meter über mir in den Felsen und ist dennoch unerreichbar.
Der Kampf geht jetzt schon über eine halbe Stunde doch die Kreise die der Tunfisch zieht werden nicht kleiner. Meine Leiste Brennt auf beiden Seiten und ich versuche verzweifelt eine Position zu finden in der ich die Rute noch schmerzfrei abstützen kann - vergeblich - und ich darf am eigenen Leib erleben, warum es Fighting Belts gibt.
Zum Glück kommt zu viertens ein weiterer Punkt hinzu, ich kann sitzen! Thank God!
Meine Kraftreserven sind aufgebraucht, meine Muskulatur brennt am ganzen Körper und bei jedem Zirkel zu dem der Tunfisch ansetzt stöhne ich vor Schmerz. Meine Leiste ist kaputt und ich kann den Fisch nur noch halten, indem ich zum einen mein Knie anwinkel und die Rute darauf ablege und zum anderen die Butt Section mit meiner Achselhöhle runterdrücke, ich Drille also meinen ersten Fisch im Sitzen! Schon immer hatte ich mich gefragt warum Shore Jigging Ruten so einen langen Foregrip und Backgrip haben - jetzt war ich überglücklich drüber.
Der Himmel ist sternenklar, der Mond scheint hell und ich sehe relativ gut. Der Fisch zirkelt, nimmt Schnur, die ich mir unter stöhnen und schreien zurückkämpfe. Die Kraft ist ungebrochen, nicht explosiv aber mit einer Wehemens die ich so noch nie erlebt habe. Beängstigend!
Ich schrecke von dem Klingeln meines Handys hoch. Die Situation kommt mir in diesem Moment absurt vor, es gibt noch etwas anderes als den Tunfisch und mich, ich ignoriere das Klingeln und kämpfe weiter. Schon wieder klingelt das Handy. Ich werde innerlich wütend. Wie kann es sein, dass es etwas wichtigeres gibt als diesen Kampf. Ich ignoriere das Klingeln, bis es wieder verstummt.
Der Tuna zieht wieder mit einer überwältigenden Kraft, die mittlerweile nur noch schwer zu ertragen ist.
Schon wieder zerreist das Klingeln meines Telefons die Stille de Nacht - unglaublich! Diese Hartnäckigkeit! Mit einer Hand friemel ich das Telefon aus meiner Tasche, nehme ab, schalte den Lautsprecher ein und lege das Handy neben mir auf die Felsen.
Das Meer rauscht, die Stimme meiner Frau ertönt am anderen Ende und fragt, ob sie mir im Restaurant etwas zu essen bestellen soll. Ich bin benommen, am Ende meiner Kräfte und entgegne ihr, dass ich gerade mit dem Fisch meines Lebens kämpfe. Eine skuriele Konversation beginnt, immer wieder unterbrochen durch das Rauschen des Meeres und den eisernen Willen des Fisches, in der ich ihr eine fachmännische Einschätzung abgebe und den Tuna auf ca. 30 kg schätze.
Der Plausch ist beendet und ich zurück. Ich drille den Fisch mittleiweile seit über 40 Minuten und spüre, dass die Zirkel langsam kleiner werden, wobei der Druck auf der Rute kein bisschen leichter ist. Plötzlich übermannt mich panische Angst. Das Vorfach, die Zähne, die abnormale, stetige Belastung - ich bin auf einem guten Weg und die Zeit auf meiner Seite! Doch was ist wenn das Vorfach mit jedem Zirkel über die Zähne fährt? Tunfische neigen dazu ihre Beute einfach zu inhalieren, das habe ich in diversen Videos immer wieder gesehen!
Die Angst den Fisch doch noch zu verlieren ist riesig, doch gebe ich dem Druck des Fisches in keiner Weise nach.
Nach weiteren 10 Minuten schlägt der Fisch das erste mal an der Oberfläche. Es ist so dunkel, dass ich lediglich das Platschen höre und schehmenhaft das schäumende Wasser. Ich weiß, dass ich meinem Ziel sehr nahe bin. Plötzlich kann ich bedingt durch die Leuchtstreifen den Köder im Wasser sehen, er hängt im Maulwinkel und mir fällt ein Stein vom Herzen. Der Tuna ist perfekt gehakt und nur die dicke Assist Braid kann Kontakt zu den Zähnen haben. Immer wieder sehe ich die Flanke des Fisches in der Dunkelheit aufblitzen und fange mir an über die Landung Gedanken zu machen.
Alleine, das Gaff unerreichbar, keine Möglichkeit den Fisch zu "stranden", geschweigedenn, dass ich den Fisch überhaupt gedreht bekomme, um ihn an Kopf oder Schwanz zu greifen. Keine Chance!
Ich überlege den Bügel zu öffnen, die Rute schnell wegzulegen und dann in die Schnur zu greifen...
... no way! Das Risiko bei der Aktion den Fisch durch die messerscharfen Felsen doch noch zu verlieren ist enorm groß und die Chance, dass das Rute und Rolle ohne starke Blessuren überstehen ist nicht gegeben. Ein anderer Weg muss her!
Ich spiele immer wieder alle Optionen durch und komme doch immer wieder beim selben Ergebnis an, nicht bereit das Risiko einzugehen.
Fuck das Handy! Vorhin hatte ich es noch im Rucksack verstaut, um einen Wasserschaden zu vermeiden, doch jetzt war es ja in meiner Tasche! Ich rufe meine Frau an. Sie schlägt vor sich um Hilfe zu kümmern, ich lehne ab und sag ihr das sie kommen soll - denn ich will den Spot schützen!
Sie auf keinen Fall komme ich mitten in der Nacht da raus und sammle dich von den Felsen (erinnere 30 minuten querfeldein) und schlägt vor die Schnur durchzuschneiden!
Letztendlich willige ich ein und ein Boot wird organisiert - scheiß drauf den Spot zu schützen ich will den TUNA!
So bekomme ich letztendlich die Auskunft von Ihr, dass sich jemand gefunden hat, der bereit ist zu kommen, es aber ca. 2 h dauern wird!
Der Fisch ist mittlerweile tot. Ich sitze mit einer zum Halbkreis gebogenen Rute da und versuche den Fisch an der Oberfläche zu halten. Da Tunfische keine Schwimmblase haben sinken sie wie ein Stein zum Grund, wenn sie nicht mehr schwimmen. Durch die scharfkantigen Felsen und den Fight im sitzen sind Hose und Boxershorts zerrissen und am nächsten Tag sollte sich herausstellen, dass ebenfalls mein Arsch ein paar tiefe Kratzer abbekommen hat.
Ich verliere das Gefühl von Raum und Zeit. Über mir funkelt der klare Sternenhimmel, unter mir rauscht das Meer. Ich fühle mich sehr klein in dieser weiten Umgebung und versuche mich abzulenken - Zeit zu schinden, an etwas anderes zu denken. Mehrfach übermannen mich die Gefühle und Tränen steigen mir in die Augen. Vor Glück, vor Erleichterung, vor Demuht dieser unglaublichen Kreatur gegenüber. Und auch jetzt übermannen mich, beim schreiben dieser Zeilen, wieder die Gefühle.
Nach ca. 2,5 h höre ich ein leises motorengeräusch. Es kommt näher!
Das Boot ist direkt vor mir, als ein großer Scheinwerfer angeht und alles in gleißendes Licht taucht. Plötzlich geht alles ganz schnell. Der Fisch wird am Maul gegafft und über die Bordwand in das Boot gezogen. Ich fasse es nicht der Tunfisch ist riesig und der Mann sichtbar bemüht - mit einem Schrei aus Freude und Schmerz ist er dann im Boot. Ich packe meinen Rucksack zusammen und steige über die Felsen dem Boot zu.
Wir kommen im Hafen an als es bereits 1:00 Uhr in der Nacht ist. Die Freude ist riesig und das erstaunen gewaltig. Am nächsten Tag sollte sich herausstellen, das der Tunfisch 55 kg (ohne Blut) gewogen hat. Ein Fang den es vom Ufer nach meinen Kenntnissen mit Shore-Jigging-Equipment (Zenaq Accura 100H, Daiwa Catalina 4500H, Schnur PE3 und Vorfach von 40 lbs), im Mittelmeer noch nicht gegeben hat.
Eine Absolute Ausnahme, eine Once In a Lifetime Experience und eine absolute Grenzerfahrung, die ich so nicht nochmal erleben will!
Auf meinem YT-Kanal werde ich in den nächsten Wochen auch noch ein Video zu dem Fisch posten. Wer Bock drauf hat kann gerne mal vorbeischauen und auch ein Abbo dalassen.
Tight Lines Max
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